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Netflix' „One Piece“ bricht den Live-Action-Fluch – in diesen Punkten ist das Original aber besser

Netflix' „One Piece“ bricht den Live-Action-Fluch – in diesen Punkten ist das Original aber besser
© Netflix

Netflix wagt sich mal wieder an die Live-Action-Adaption eines beliebten Anime. Gelingt es „One Piece“ endlich, in dieser Disziplin zu überzeugen?

Bislang hatte Netflix mit seinen Anime-Verfilmungen wahrlich keinen Erfolg. „Death Note“ und „Cowboy Bebop“ wurden von den jeweiligen Fangemeinden abgestraft und vom allgemeinen Publikum auch nicht geliebt. Man kann durchaus dafür argumentieren, dass das Risiko bei „One Piece“ noch deutlich größer ist. Immerhin traute sich der Streamingdienst an die Umsetzung des erfolgreichsten Manga aller Zeiten, auch der Anime ist weltweit enorm beliebt. Der mögliche Gewinn ist allerdings beträchtlich: Gelingt das kühne Unterfangen, hat Netflix einen Titel im Angebot, der theoretisch zehn bis 20 Jahre oder sogar noch länger für regelmäßigen Staffelnachschub sorgen könnte; so umfangreich ist die Vorlage.

Apropos Vorlage: Kein Geringerer als Eiircho Oda, der „One Piece“-Mangaka, war an der Netflix-Adaption höchstselbst beteiligt und forderte wegen mangelnder Qualität auch schon mal Nachdrehs ein. Vom Ergebnis schwärmt er wiederholt, er steht also mit seinem Namen für die Live-Action-Serie ein. Doch wie gut ist Netflix‘ „One Piece“ denn jetzt? Lohnt sich die Serie für Neulinge und Expert*innen gleichermaßen? Diesen Fragen gehen wir in den folgenden Kritiken nach. Vorab könnt ihr euch noch schnell mit dem folgenden Trailer in Stimmung bringen:

Andi: Das Geld fehlte offenbar an einigen Punkten…

Vor ein paar Jahren entdeckte ich meine Leidenschaft für „One Piece“ wieder, nachdem ich in jungen Jahren regelmäßig die Serie bei RTL2 verfolgt hatte. Bis zur Dressrosa-Saga holte ich anschließend den Anime nach, bevor es mich doch zum Manga verschlug, von denen ich aktuell 90 besitze, also am Anfang der Wano-Country-Saga stehe. Der Live-Action-Adaption stand ich skeptisch gegenüber, eben weil mich das Original auch aktuell wieder so sehr begeistert. Nach der ersten Folge war ich zu meiner eigenen Überraschung aber doch frohen Mutes, dass hier eine rundum gelungene Umsetzung auf mich wartet – der Wind hat sich jetzt, wo ich alle acht Folgen der ersten Staffel gesehen habe, jedoch deutlich gedreht…

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Zunächst einmal das Positive: Die Liebe für „One Piece“ ist der Netflix-Adaption praktisch an allen Ecken und Enden anzumerken. Fans können hier zahlreiche Easter Eggs entdecken (an einer Übersicht bastle ich bereits), die wichtigsten Elemente bei den Geschichten der einzelnen Mitglieder der Strohhutbande gibt die Serie durchaus gekonnt wieder. Am Ende der Staffel wirkt die Crew wirklich wie ein Team, das bereit ist, miteinander Abenteuer zu erleben und füreinander ihr Leben zu riskieren.

Zudem hatte ich mit der Frohnatur Ruffy (Iñaki Godoy) durchaus meinen Spaß, noch mehr aber mit Zorro (Mackenyu), der wahrlich zu cool für diese Welt ist. Sanji wirkt ebenfalls gut getroffen, zum Glück ist er ein nicht ganz so schlimmer Frauenheld wie in der Vorlage (die sexistischen Seiten des Manga kann ich trotz aller Liebe nicht gutheißen). Bei Nami fehlt mir allerdings die Lebhaftigkeit, vor allem gegen ihre Crewmitglieder, was für etliche humoristische Einlagen sorgt. Bei Lysop wiederum vermisse ich fast komplett seine Ängstlichkeit, da er gerade in seinen feigsten Momenten seinen Heldenmut beweist.

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Womit wir auch schon schrittweise beim Negativen angekommen sind: Wer eine treue Adaption des Manga oder Anime erwartet, ist hier definitiv falsch. Die Netflixserie wirkt mehr wie eine gestraffte Grundversion der Geschichte, die an etlichen Punkten die Handlung abkürzen muss, wodurch einige tolle Momente fehlen und sich viele ganz anders zutragen (eine Liste dazu ist ebenfalls in Arbeit). Ich habe beispielsweise praktisch konstant die witzig chaotischen Albernheiten der Crew vermisst, die sich gegenseitig immer wieder zum Lachen und auf amüsante Art zur Weißglut treiben. Das Original lebt hier allerdings von äußerst ausdrucksstarken Darstellungen der Gesichter von Ruffy, Nami und Co., was im Live-Action-Format leider praktisch nicht umzusetzen ist.

Im Vorfeld war ich neben diesem Aspekt vor allem hinsichtlich der Action skeptisch und ich hasse es, dass ich in diesem Fall recht habe, denn: Die Kämpfe in Netflix‘ „One Piece“ waren für mich größtenteils leider eine komplette Enttäuschung. Zwar funktionieren die Schwerteinlagen von Zorro durchaus, hier kann die Serie mit einigen netten Choreografien punkten. Doch gerade bei Ruffys Kämpfen, die das eigentliche Action-Highlight sind, merkt man an, dass der Produktion offenbar das nötige Geld fehlt. Alle Duelle des künftigen Königs der Piraten wurden deutlich gekürzt und etlicher spannender Momente sowie Wendungen beraubt – ein großer Kampf fehlt sogar komplett! Das bereitet mir enorme Sorgen, wenn ich auf künftige Geschichten blicke; man denke nur mal als Beispiel an den Paramount War. Wie will Netflix dieses Event in womöglich einigen Jahren auch nur ansatzweise adäquat in diesem Format umsetzen?

Und Stichwort mangelnder Produktionswert: Etliche Figuren sehen leider wirklich aus wie eine – teils sogar ziemlich billige – Cosplay-Version der Anime-Figuren. Der Butler Beauregard wurde beispielsweise im „One Piece“-Subreddit mit Freddy Faulig aus „Lazy Town“ verglichen, was meiner Meinung nach absolut zutrifft und nicht für die Netflixserie spricht. Wie bei der Action beschleicht mich hier auch ein wenig die Sorge, wenn ich vorausblicke. Wie wird beispielsweise Chopper im Live-Action-Format aussehen? Vor allem in seinen verschiedenen Transformationen? Wenn ich an einige Kostüme aus der jetzigen Staffel denke, befürchte ich beim eigentlich knuffigen Rentier einen grausigen Anblick.

Darüber hinaus wurde die Geschichte nicht nur aus logistischen Gründen geändert, die ich noch verstehen kann. Uns erwartet hier ein ganzer Nebenhandlungsstrang, der sich durch die erste Staffel zieht und der extra für die Netflixserie erfunden wurde (Stichwort: Marine). Dadurch wird unsere eh schon knappe Zeit mit der Strohhutbande immer wieder unterbrochen und zusätzlich gekürzt. Die emotionale Auflösung der Nebenhandlung ließ mich leider nicht zu dem Schluss kommen, dass die mit dieser Nebenhandlung verbrachten Minuten wirklich gut investiert waren.

Alles in allem muss ich festhalten, dass die Live-Action-Serie nicht der Super-GAU ist. Man kann in etlichen Momenten durchaus Spaß mit dieser Crew haben. Leider kommt die Umsetzung für mich aber nicht im Ansatz an das Original heran, weswegen ich weiterhin allen Interessierten definitiv empfehle, lieber den Manga (hier bei Amazon erhältlich) und/oder den Anime (hier bei Crunchyroll im Abo streamen) zu genießen. Vielleicht erfüllt die Netflix-Serie ja genau diesen Zweck: mehr Leute auf die fantastische Welt von „One Piece“ aufmerksam zu machen.

Jule: Übermut tut selten gut, Ruffy aber schon

Eines vorab: Ich stecke nicht so tief in der Manga- und Anime-Materie von „One Piece“ wie Andi. Aber ich kann euch die Perspektive einer Person liefern, die in der Kindheit und Jugend gelegentlich gern nachmittags bei RTL2 eingeschaltet hat, um ein neues Abenteuer der Strohhutbande zu erleben. Also, Leinen los! Ich muss zugeben, dass ich der Version von Netflix anfangs sehr skeptisch gegenüberstand. Nicht nur, dass der Streamingdienst bei den Adaptionen von „Death Note“ und „Cowboy Bebop“ gelinde gesagt zwei Katastrophen abgeliefert hat, auch sind Animes für mich auf magische Art und Weise unantastbar. Welches andere Genre vermag es schon, Erwachsene und Kinder gleichermaßen in fremde Welten zu entführen, herzergreifende Geschichten in derart fantasievolle Umgebungen einzubetten und die Träume und Wünsche von Millionen Zuschauer*innen zum Leben zu erwecken?

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Doch der Fakt, dass Netflix für „One Piece“ den Mangaka der Originalwerke, Eiichirō Oda, mit ins Boot holte, ließ bei mir vor Serienstart einen Funken Hoffnung aufkommen, der bei der Sichtung der Live-Action-Adaption endgültig entflammt wurde. Jahre, nachdem die Animeserie bei mir über den Bildschirm flimmerte, macht es einfach Spaß, noch einmal aus einem neuen Blickwinkel in die Geschichte der Strohhutbande einzutauchen.

In erster Linie überzeugte mich Ruffys naiver Übermut, den Hauptdarsteller Iñaki Godoy Folge um Folge in einen motivierenden Enthusiasmus umzuwandeln weiß. Meiner Meinung nach trifft seine Darstellung den Kern des Charakters eines jungen Mannes, der früh vom Leben gezeichnet wurde, gerade deshalb aber nicht bereit ist, sich dem Schicksal unterzuordnen. Gleichzeitig gelingt es Godoy, Ruffy etwas eigenes mitzugeben. Daran ist sicherlich die Hintergrundgeschichte zwischen Ruffy und Shanks (Peter Gadiot) nicht ganz unschuldig, die den Charakteren Tiefe verleiht.

Jene Throwbacks sorgen dafür, dass neben Ruffy auch Lorenor Zorro (Mackenyu) überzeugend daherkommt. Ein für mich positiver Effekt, den die Netflix-Version mit sich bringt: Der Schwertkämpfer wirkt deutlich nahbarer als im Anime, ohne an Lässigkeit und Ausstrahlung einzubüßen. Anders sieht das hingegen bei ihren Crew-Mitgliedern Nami (Emily Rudd) und Lysop (Jacob Romero) aus. Beiden Charakteren fehlt es noch an Tiefe (vielleicht kann das ja in Staffel 2 nachgeholt werden?), obwohl ihre Kindheitsgeschichten eigentlich nicht weniger rührend erzählt werden.

Einen Grund für diese Diskrepanz sehe ich in der Kostümierung: Während Ruffy und Zorro ihren eigenen Stil bereits gefunden zu haben scheinen, wirken Nami und Lysop auf mich wie verkleidet. Es macht beinahe den Eindruck, als wolle Netflix hier zu nah im Original sein – ist dann aber an anderer Stelle wieder viel zu weit weg. Grundsätzlich kam Netflix beim Balanceakt aus originalgetreuer Darstellung und neuen Impulsen noch regelmäßig ins Stolpern. Wenn man aber bereit ist, darüber hinwegzusehen und „One Piece“ als eigenständiges Werk betrachtet, kann man hier ein Live-Action-Spektakel erwarten, das satte acht Stunden Unterhaltung im Piraten-Kosmos verspricht. Und: Die deutschen Synchronstimmen können den ein oder anderen Fan sicher darüber hinwegtrösten, dass einige wichtige Details aus dem Original gestrichen wurden.

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Wobei; eine Sache muss ich noch loswerden: Zwar macht die Musik, die mich übrigens teilweise seeeehr an „Fluch der Karibik“ erinnert, Lust auf ein Abenteuer, das Richtung Grandline führt – und auch die individuell gestalteten Intros sind eine nette Idee – dennoch vermisse ich einen Titelsong, der so kräftig einschlägt wie „Die Legende“ von Anime Allstars. Seit Tagen verfolgt mich dieser Ohrwurm und ich denke, Netflix‘ „One Piece“ hätte ein derart musikalisches Meisterwerk nur gutgetan…

Anime-Nostalgie-Quiz: Wie gut erinnert ihr euch an die Anime von RTL 2?

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