Das doppelte Lottchen: Regisseur Lancelot von Naso interpretiert den Klassiker von Erich Kästner mit den Zwillingen Delphine und Mia Lohmann in den Hauptrollen neu.
Als Erich Kästner 1942 die Geschichte vom doppelten Lottchen skizzierte, wollte er eigentlich ein Drehbuch schreiben. Da sich das Projekt wegen eines von den Nationalsozialisten verhängten Berufsverbots nicht realisieren ließ, hat er einen Roman daraus gemacht, der 1950 von Josef von Báky verfilmt wurde.
1994 gab es eine weitere Adaption („Charlie & Louise - Das doppelte Lottchen“, Regie: Joseph Vilsmaier). Dass die Handlung 75 Jahre nach dem ersten Entwurf womöglich noch besser funktioniert als damals, hat zwar auch mit den grundsätzlichen Qualitäten der zeitlos schönen, von tiefem Humanismus geprägten Kästner-Romane zu tun, in denen gerade die Kinderfiguren mit großer Empathie geschildert werden, aber das Thema Trennung ist heute natürlich ungleich aktueller als damals.
Niko Ballestrem hat die Grundzüge der Geschichte in seinem ersten verfilmten Drehbuch daher auch kaum verändert: Die zehnjährige Lotte, talentierte Pianistin, gut in der Schule, ansonsten aber eher zurückhaltend, verbringt die Sommerferien in einem traumhaft schön gelegenen Ferienhort am österreichischen Wolfgangsee. Einige Tage nach ihr trifft ein Mädchen ein, dass Lotte wie aus dem Gesicht geschnitten, aber von völlig anderem Wesen ist: Die burschikose Luise ist ein impulsiver Wildfang und avanciert dank ihrer Erzählungen aus Afrika, wo sie mit ihrem Vater die letzten Jahre verbracht hat, umgehend zum Star des Ferienheims. Weil sie so verschieden sind, können sich die beiden Kinder erst mal nicht ausstehen, aber als sich Lotte voller Heimweh in den Schlaf weint, wird sie von Luise getröstet; so werden die beiden buchstäblich über Nacht Freundinnen. Alsbald finden sie raus, dass sie am selben Tag in Freiburg zur Welt gekommen sind, und beschließen, die Rollen zu tauschen, um ihr jeweils anderes Elternteil kennenzulernen: Luise fährt nach Frankfurt zu ihrer Mutter Charlize (Alwara Höfels), einer freiberuflichen Journalistin, Lotte nach Salzburg zu Vater Jan (Florian Stetter), einem bekannten Musiker, der mit seiner Band am Mozarteum eine Kinderoper neu arrangiert.
Wie gut die Geschichte in die heutige Zeit passt, zeigt sich nicht zuletzt beim technischen Fortschritt: Während die Kinder in den früheren Verfilmungen in ihren jeweils neuen Umgebungen rätseln mussten, mit wem sie’s gerade zu tun haben, machen sie jetzt einfach ein Foto mit dem Smartphone und schicken es der Schwester. Ihre regelmäßigen SMS-Botschaften werden als Comicsprechblasen eingeblendet. Das Klavierspiel kann Luise vermeiden, indem sie eine Sportverletzung am Arm vortäuscht. Jan wiederum nimmt erfreut zur Kenntnis, dass die bislang von ihm selbst unterrichtete Luise eine richtig gute Schülerin ist. Als sich zwischen Jan und Leni (Mina Tander), der Leiterin des Opernprojekts, eine Liebesbeziehung anbahnt, droht der Plan der Mädchen, die Eltern wieder zu vereinigen, zu platzen.
Die Besetzung ist ausgezeichnet; in weiteren Rollen wirken unter anderem Oliver Wnuk als Jans Gitarrist und bester Freund Mo sowie Margarita Broich als Leiterin des Ferienheims mit. Die Stars sind jedoch die Zwillinge Delphine und Mia Lohmann, und das keineswegs bloß, weil sie auch die Hauptrollen spielen. Die beiden Mädchen zeigen sowohl im Spiel wie auch bei den Dialogen keinerlei Schwäche und sind jederzeit glaubhaft. Respekt gebührt auch Lancelot von Naso, für den dieser Film höchst ungewöhnlich ist, jedenfalls gemessen an seinem bisherigen Schaffen: Nach seinem sehenswerten Debüt „Waffenstillstand“ (2009) hat der Regisseur mit Ausnahme des Thrillers „
Mein Mann, ein Mörder“ ausschließlich für die ZDF-Krimireihe „Kommissar Marthaler“ gearbeitet. Hier beweist er, dass er auch die romantische Komödie beherrscht. tpg.