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„Polizeiruf 110: Little Boxes“ (Episode 407): Kritik

„Polizeiruf 110: Little Boxes“ (Episode 407): Kritik
© Ariane Krampe Filmproduktion / BR / Hendrik Heiden

Nachdem sich die famose Verena Altenberger nach nur vier Jahren vom „Polizeiruf 110“ verabschiedet hat, übernimmt an diesem Sonntag ihre Nachfolgerin Johanna Wokalek das Zepter. Warum ihr bissiges Debüt einer der besten Krimis der letzten Jahre geworden ist, erfahrt ihr in Mareks Kritik zur Episode „Little Boxes“.

Welche Kommissare ermitteln im „Polizeiruf 110: Little Boxes“?

Ob die von sanfter Melancholie durchtränkte Ermittlungsarbeit von Matthias Brandt oder die surreal anmutenden Auftritte der nicht minder faszinierenden Verena Altenberger, der Münchner „Polizeiruf 110“ blickt auf eine ruhmreiche Geschichte zurück. Dass die Gegenwart dem in Nichts nachsteht, verdanken wir zum einen der wunderbaren Johanna Wokalek, die ihre Arbeit auf dem Revier aufnimmt, als hätte sie im Leben nie etwas anderes gespielt, zum anderen aber auch der überragenden Vorlage von Drehbuchautor Stefan Weigl.

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Dessen bissiger Angriff auf alles, was dem heutigen Zeitgeist lieb und aufgezwungen ist, erinnert zunächst an Dietrich Brüggemanns lustvolle Abrechnung mit der selbst auferlegten Geißelung einer vermeintlich fortschrittlichen Wohngemeinschaft im „Tatort: Das ist unser Haus“, hat aber weitaus mehr Substanz als dessen launige Kehrwochensatire. Vielmehr hält er all denjenigen den Spiegel vor, die sich für ihren eigenen Exzess in Sachen politische Korrektheit vor allem selbst auf die Schulter klopfen und sämtliche Deutungshoheit elitär an sich reißen.

Als Gegenpol fungiert die aufgeschlossene, mit natürlicher Empathie ausgestattete Figur der Kommissarin Blohm, die uns als Beobachterin durch die grotesken Kapriolen ihrer Umwelt leitet und dabei mit einer entwaffnenden Klarheit die wirklich wichtigen Dinge im Auge behält. Ein offenes Ohr hat sie auch für ihren Kollegen Dennis Eden, der in die zweite Reihe zurückbeordert wurde, um für den exzentrischen Oberkommissar Otto Ikwuakwu Platz zu machen. Wie sich das ungleiche Trio zum Team zusammenrauft, hätte in so manchem „Tatort“ für abgedroschene Kabbeleien gesorgt, gelingt hier aber erfrischend originell und überraschend musikalisch.

Wer dennoch den „Tatort“ vermisst, findet spannende Fakten im Video.

Worum geht es im „Polizeiruf 110: Little Boxes“?

Vor der Münchner Universität liegt die Leiche eines jungen Mannes, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für postkoloniale Studien beschäftigt war. Auf dem Rücken des Toten steht in blutroter Stift das Wort „Rapist“, was auf ein klares Motiv seiner Ermordung schließen lässt. Doch so einfach ist es nicht, zumal es keine Beweise für die Anschuldigungen gegen das Opfer gibt.

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Für viele Studentinnen an einem feministischen Seminar ist die Sache allerdings eindeutig. Sie sind der Meinung, dass jeder weiße heterosexuelle Mann an sich ein überprivilegierter Vergewaltiger und Rassist ist. Eine Zusammenarbeit mit der Polizei als Organ des Patriarchats lehnen sie entsprechend als „Kackscheiße“ ab, was die Aufgabe von Cris Blohm und ihren Kollegen nicht gerade einfacher macht. Stattdessen befinden sie sich mitten in einem unerbittlich geführten Kulturkampf und es dauert ein wenig, bis die Kommissarin das echte menschliche Drama zwischen all dem Dogmatismus erkennt. Dann wird aus der Komödie ein Drama.

Mareks „Polizeiruf 110“-Kritik: Bissige Komödie endet in bestürzendem Drama

Schon die erste Szene des neuen Münchner „Polizeirufs 110“ gibt die Marschrichtung vor: Kaum ist Cris Blohm auf dem Revier angekommen, schon muss die Kommissarin eine Uniform anziehen und sich für eine Werbekampagne ablichten lassen, die mehr Frauen für die Arbeit bei der Polizei begeistern soll. An sich eine gute Sache, blöd nur, dass eine Handvoll echter Streifenpolizistinnen beim Fotoshooting nur zusehen darf. Doch das war nur ein harmloser Seitenhieb zum Aufwärmen.

Gute 80 Minuten feuert der von allen Beteiligten klasse gespielte Krimi eine brillant geschriebene Salve nach der anderen ab, verkommt dabei aber nie zu einem stammtischtauglichen Plädoyer für vermeintlich gute alte Zeiten. Viel zu real sind die Schicksale derer, über die hier alle reden, statt tatsächlich mit ihnen zu sprechen. Wenn es dann soweit ist, kippt die Stimmung, und das sowohl inhaltlich als auch formal.

In einem beklemmenden Finale kommen dann doch die Methoden zum Einsatz, wegen derer die Polizei den ganzen Film über beschimpft wurde, auch wenn Cris Blohm das genauso vehement ablehnt wie die pauschale Kritik, die zuvor auf sie und ihre Kollegen eingeprasselt ist. Und so ist ihr erster „Polizeiruf 110“ eben keine oberflächliche Verballhornung des aktuellen Zeitgeists, sondern ein im Kern tieftrauriger Film über laut herausgebrüllte Befindlichkeiten und leise heruntergeschluckte Leiden. Wirkt auf jeden Fall nach.

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Der „Polizeiruf 110: Little Boxes“ wurde am Sonntag, den 17. September 2023 um 20:15 Uhr in der ARD ausgestrahlt und ist jetzt in der Mediathek als Wiederholung im Stream zu sehen. Als nächstes geht es in die Schweiz zu den Züricher Kommissarinnen Grandjean und Ott und ihrem neusten „Tatort: Blinder Fleck“.

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