Menschenkind: Virtuos gefilmtes Familien-Drama um die tiefen Narben der Sklaverei nach Toni Morrisons preisgekröntem Roman.
Mehr als zehn Jahre ließ TV-Superstar Oprah Winfrey verstreichen, um nach „
Die Farbe Lila“ wieder vor Filmkameras zu treten: Erneut hat sich die in den USA allgegenwärtige Medienikone ein Familienepos ausgesucht, das die Historie der Sklaverei und ihre tragischen Auswirkungen auf die Existenz einer Schwarzenfamilie behandelt, und erneut hatte Winfrey - hier mit Jonathan Demme („Philadelphia“) - einen ausgewiesenen Meisterregisseur zur Seite, der die Vorlage von Nobelpreisträgerin Toni Morrison wie einen zum Zerreißen angespannten Mix aus „
Amistad“ und „Das Geisterhaus“ inszenierte. Im Zickzackkurs springt Demme durch das Leben der ehemaligen Sklavin Sethe, um die erschreckenden Ereignisse in ihrem Haus am Rande der erblühenden Industriestadt Cincinnatti auszuloten und mit einem Höchstmaß an Intensität zu erzählen: Jahre nach dem schlaglichtartig wie Bilder aus der Hölle beleuchteten Unmenschlichkeit der Sklaventreiber, die Sethe als traumatisierte und aufgrund eines dunklen Geheimnisses von der afroamerikanischen Gemeinde geschnittenen Frau hinterlassen haben, setzt die Handlung ein.
Von ihrem Mann und ihren beiden Söhnen verlassen, lebt Sethe ihr freudloses Leben als Pariah und läßt selbst die ständig wiederkehrenden Heimsuchungen eines bösartigen Poltergeistes fatalistisch über sich ergehen, weil sie in ihm eine Manifestation ihrer als Kleinkind verstorbenen älteren Tochter vermutet. Die Monotonie von Sethes trister Existenz wird unterbrochen, als zunächst Paul D., ein ehemaliger Sklave, der ihr - erfolgreich - den Hof macht, und kurz darauf ein geheimnisvolles, ganz in Schwarz gekleidetes und von Fliegen umschwirrtes Mädchen in ihr Leben platzen. Sie nennt sich Beloved, spricht mit tiefer Grabesstimme und verfügt über einen Heißhunger, der sie alles in sich hineinstopfen läßt, was man ihr vorsetzt. Anders als die weitaus ambivalenter angelegte Romanvorlage läßt Demme von der ersten Minute keinen Zweifel daran, wes Geistes Kind Beloved ist: Als von den Toten auferstandene Tochter Sethes ist sie gekommen, um das Leben ihrer Mutter zu zerstören. Erst als Sethes wie eine dunkle Wolke über ihrem Dasein hängendes Geheimnis - zu spät für ihre Rettung - offenbar wird, kann die schwarze Gemeinde Beloved exorzieren. Kein Zweifel, „Beloved“ ist virtuos gefilmt von Demme und seinem brillanten Hauskameramann Tak Fujimoto. Anders als Spielberg, der für „Amistad“ einen zu akademischen Ansatz wählte, indem er Weiße über das Schicksal der Afrikaner um Djimon Honsou debattieren ließ, wählt Demme eine hermetisch nach innen abgeriegelte Sicht auf vom Wahnsinn der Sklaverei grausam vernarbte Seelen, die vom täglichen Horror ihrer Existenz zu Unaussprechlichem getrieben werden. So gesehen ist diese dreistündige Irrfahrt ein Triumph, ein emotionaler, intimer Rapport über das dunkelste Kapitel der amerikanischen Geschichte, das sich nicht von seinen Gefühlen überwältigen läßt. Als Drama scheitert Demmes Fegefeuer jedoch: Zu offensichtlich und enervierend ist die wiederauferstandene, in einer zugegeben mutigen Performance von Thandie Newton ohne einen Hauch von Eitel dargestellten Titelfigur, als daß man ihr den Zauber abnehmen würde, den sie auf ihre Mutter und ihre Umwelt ausübt. Daß Winfrey ihre schwierige Rolle so schwerwiegend anlegt, daß die oft hart an den Rand einer Persiflage driftet, macht es schwierig, sich mit ihrer zentralen Figur in einem Maße zu identifizieren, wie es ein anstrengender, komplexer Stoff wie dieser verlangt. Sensationell ist hingegen Kimberly Elise als Sethes jüngere Tochter Denver, die das Ruder in der letzten halben Stunde übernimmt und den Film als Verzweiflung gegen das Schicksal stemmt und aus dem Konflikt als gewachsen Persönlichkeit hervorgeht, hebt „Beloved“ - endlich - ab. Zu spät vielleicht, wie die enttäuschenden Boxoffice-Zahlen in den USA belegen mögen. ts.