Drew muss gehen, er hat dem Konzern, für den er Schuhe designt, einen Milliardenflop beschert. Drew will gehen, einen Ausstieg verspricht der Notausgang im Hubschrauber oder die scharfen Rotoren. Aber weil er ein Tüftler ist, baut er sich aus Messer und Fitnessgerät eine Selbstmordmaschine, wovor ihn nur der Tod seines Vaters rettet. Vorerst. Tod bedeutet Leben und den Anfang eines Weges, den Drew nie eingeschlagen hätte.
Kirsten Dunst als Claire ist Drew immer eine Nasenspitze voraus, und sie hat wirklich ein sehr niedliches Näschen. Buchstäblich aus der Luft taucht sie auf, sie ist die Stewardess auf Drews Flug zur Beerdigung des Vaters, sie wird ihn auch auf dem Rest der Reise begleiten, hartnäckig und mit überdrehtem Optimismus: Eine Art Katherine Hepburn, die ihren lebensuntüchtigen Partner gerade durch die eigene Verrücktheit erdet.
Claire verguckt sich in Drew, und es ist klar, dass sie ihn nicht mehr aus den Augen lässt. Beim ersten Abschied von vielen formt sie mit ihren Fingern einen Fotoapparat und nimmt ihn, den Gehenden, in sich auf. Künftig wird sich immer wieder wie aus dem Nichts auftauchen, Mentor und love object in einem, und eine Art Blindenführer ins Leben. Richtig gehen und richtig sehen bringt sie Drew bei, den Blick auf das Leben zu richten und seinen Weg zu finden. Traurigsein ist leicht, sagt sie, weil es Aufgeben bedeutet.
Auch Cameron Crowe weiß hinzusehen auf die Details am Wegesrand. Auf den Spießrutenlauf der letzten Blicke, die Drew auf dem Weg durch die Gänge des Konzerns hin zu seiner Entlassung begleiten, oder auf die große Familie, die sich zum Abschied von Mitch, Drews Vater, versammelt hat und daraus eine große Feier des Familienverbandes mit all seinen Vor- und Nachteilen macht. Crowe kennt die Dynamik einer Familie, den Film wollte er schon seit 1989 machen, als sein eigener Vater überraschend in Kentucky starb.
Und er weiß auch hinzuhören, er ist jahrelang Reporter für den Rolling Stone gewesen. Die filmische Reise von Drew ist angefüllt von Popsongs, treffend ausgewählt und stets richtig eingesetzt und dann wird auf der Beerdigung eben Lynyrd Skynyrds Freebird gespielt, mit Feuervogel und Regen aus der Sprinkleranlage.
Crowe schafft es, die Balance zwischen Humor und Emotionalität zu halten und gleichzeitig von Anfang bis Ende einen Spannungsbogen aufzubauen, was ihm weder in Vanilla Sky noch beim Elisabethtown nicht unähnlichen Almost Famous ganz gelungen ist.
Crowe verwebt souverän die Erzählstränge von Drew und seiner Familie und von Claire, die um Drew wirbt. Dabei erhält der Film genau den richtigen Drall, der ihn ein bisschen ins Abseits vom glatten Mainstream führt: in die Familiengeschichte schleicht sich eine ganz unwirkliche und wirklich zauberhafte Liebesgeschichte ein, und nebenher ist alles skurril eine mehrtägige Hochzeit in Drews Hotel, die pädagogisch eingesetzte Explosion eines Hauses und alles ist voller Leben.
Lachse schwimmen mit größter Anstrengung gegen den Strom, Ziel der letzten Reise ist die Fortpflanzung, und sie bezahlen Sex mit dem Tod. Tod ist Leben. Und Gehen bedeutet nicht nur Abschied, Verlassen, Isolation, sondern auch Ankommen: Das lernt Drew auf seiner Reise, auf die ihn Cameron Crowe in diesem Film schickt, eine Reise zu den Wurzeln der Familie in Kentucky, eine Reise weg von der Erfolgskarriere hin zu dem Mädchen, das das wahre Leben verspricht.
Fazit: Der bisher beste Film von Cameron Crowe.