Elmar Weppers erste Kinorolle nach Kirschblüten Hanami aus dem Jahr 2008 zeigt ihn in einer ähnlichen Situation. Diesmal ist die Frau seines Charakters nicht tot, hat ihn in seinem Haus aber ebenfalls allein gelassen, und das, obwohl er ihr erst neulich eine neue Küche gekauft hat. Der alternde, stockkonservative Taxifahrer Hartmut Mackowiak versteht die Welt nicht mehr, und erst recht nicht das kleine türkische Mädchen, auf das er plötzlich aufpassen muss, weil sonst keiner da ist. Die spannungsreiche Beziehung dieser beiden ungleichen Charaktere ist von Regisseur und Drehbuchautor Christian Zübert sehr unterhaltsam und mit gutem Realitätssinn inszeniert.
In der fränkischen Stadt Nürnberg gehört Hartmut wohl zu den typischen Einheimischen. Als seine Fahrgäste, eine türkische Mutter und ihr Kind, auf dem Rücksitz deutsche Alltagsworte üben, mischt er sich gleich ein, man sage bei uns nicht Guten Tag, sondern Grüß Gott. Als die Türkin ihre nachsprechende Tochter lobt, sie rede schon wie eine richtige Bayerin, korrigiert Hartmut erneut: Vorsicht, hier sei man nicht in Bayern, sondern in Franken! Kurz darauf lästert der Taxifahrer über einen ausländischen Kollegen und die Türkin murmelt Nazi, was die kleine Hayat ebenfalls nachspricht. Hartmut vergeht die Lust an der Unterhaltung.
Bis dieser Franke also das türkische Kind, das er nicht versteht, und das in der fremden Stadt kurz darauf auf sich allein gestellt ist, widerwillig betreuen wird, muss noch einiges schiefgehen. Hartmut macht dabei, obwohl man ständig darauf wartet, dass der bärbeißige Typ ein großes Herz offenbart, keinen besonders sympathischen Eindruck. Nicht so sehr sein Umgang mit Hayat, die in seinem Wohnzimmer gleich hört, Hier wird nichts angefasst!, zeigt das ganze Ausmaß seiner Intoleranz, sondern ein Treffen zum Gespräch mit seiner Frau. Außer Spesen nichts gewesen, blafft er sie an, weil sie danach nicht einfach zu ihm und der neuen Einbauküche zurückkehrt. Solche Männer wollen Ergebnisse, nicht Austausch. Man sieht schwarz für diese Ehe.
Der ewig nörgelnde Hartmut hat bald ein neues Objekt für seinen Hass, denn seine Frau ist mit jemandem zusammen. In der Sechsjährigen, die ihre Tage bald auf dem Rücksitz seines Taxis verbringt, findet er eine gelehrige Schülerin für seine Schimpftiraden und abfälligen Bemerkungen. Hayat hilft ihm auch, ohne lang zu fragen, bei Übergriffen auf das Eigentum und die Privatsphäre des Rivalen. Das ist sehr komisch inszeniert und gespielt. Die von der Berlinerin Mercan Türkoglu in ihrer ersten Filmrolle dargestellte Hayat ist eine Wucht: Ein störrischer Dickkopf, lebhaft, vertrauensvoll und aufmerksam, adoptiert sie den alten Franken praktisch von Anfang an.
Elmar Wepper verleiht seinem Charakter nicht unglaubwürdig kinderliebe Züge. Hartmut bleibt der, der er ist, und die Beziehung zu Hayat ist weder tief, noch auf Dauer angelegt. Ihre Wirkung auf den Mann, der sein wohlgeordnetes Leben zusammenbrechen sieht, ist mehr indirekt. Die Sorge für das Kind lenkt ihn ab und öffnet ihm die Augen für seine Umwelt. Als Hayat weint, weil sie fürchtet, dass ihre Oma nicht mehr aufwacht, sagt Hartmut zum Trost auch nichts wirklich Hilfreiches, sondern: Ein Indianer kennt keinen Schmerz. Diese Unbeholfenheit und dieses Begrenztsein machen ihn glaubwürdig, wie der gesamte Film durch seine gute Balance zwischen Gefühl und Realismus überzeugt.
Fazit: Mal komisch, mal nachdenklich, aber immer mit Gespür für die Realität: hübscher Film mit Elmar Wepper als Taxifahrer, der sich um ein türkisches Mädchen kümmert.