Cecil B.: Ausgelassene Satire auf den Filmbetrieb mit jeder Menge rauchender Colts und einer Melanie Griffith in Hochform.
John Waters, das ewige Enfant Terrible Hollywoods, ist zurück - und diesmal
hat er sich nichts weniger als die Zerstörung des seelenlosen Kommerzkinos vorgenommen. Seine wilde Satire auf den Filmbetrieb spart nicht an bitteren Wahrheiten, rauchenden Colts und einer Melanie Griffith in Hochform. Dass das Ergebnis kein grimmiges Manifest, sondern eine eher liebenswürdige, temporeiche Komödie ist, spricht für die Nonchalance des Regisseurs: Wenn die Botschaft derart unverblümt ist, darf man auch ein Schleifchen drumbinden.
Titelheld ist ein junger Filmemacher, den Stephen Dorff als Kreuzung aus
Charles Manson und Josef von Sternberg spielt: Cecil B. Demented entführt mit
seinem Filmteam, verkleidet als Platzanweiser, Popkornverkäufer oder
Kartenabreißer, die zickige Hollywood-Diva Honey Whitlock (Melanie Griffith)
direkt bei der Premiere ihres neuen Schmachtfetzens. In einem halbverfallenen
Theater, in dem er ein kunterbuntes Schrotthalden-Set eingerichtet hat,
zwingt Cecil dem Star mit einem Elektroschocker Gehorsam als
Hauptdarstellerin ab, und nachdem die erste Szene im Kasten ist, erläutert er
seinen Plan: Er will die „ultimative Realität“ finden und als eine Art
„Dogma“-Terrorist seinen Film - um die Frau eines gescheiterten
Kunstfilmverleihers, die Rache am Mainstreamkino nimmt - überfallartig mit
echten Menschen an echten Schauplätzen zu Ende drehen. Am nächsten Morgen
zieht die Truppe los, und der Schrecken beginnt. Ein Familienkino wird
gestürmt, das den „Patch Adams Director’s Cut“ zeigt, und eine Versammlung
von staatlichen Filmförderern bekommt Cecils Zorn ebenso zu spüren wie die
Produktion von „Forrest Gump 2: Gump Again“. Während das Filmteam bei den
Anschlägen nach und nach dezimiert wird, steigt Honey Whitlock dank ihrer
neuen „Glaubwürdigkeit“ zum Mediendarling auf.
John Waters („Cry-Baby“, „Pecker“), der in den frühen siebziger Jahren mit wüsten
Trashfilmen wie „Multiple Maniacs“ oder „Pink Flamingoes“ seine witzigen und
(seinerzeit) skandalösen Attacken gegen das Establishment ritt, wirft mit
„Cecil B. Demented“ auch einen etwas wehmütigen Blick zurück auf die eigenen
Anfänge, wo man es ohne Geld, aber mit reichlich Phantasie und gepflegt
schlechtem Geschmack noch zum ehrlich verdienten Status als „Kult-Regisseur“
bringen konnte. Der Feind ist bis heute offensichtlich der selbe geblieben,
und wenn Cecils Truppe auf der Flucht vor schwerbewaffneten
Studio-Security-Männern oder wütenden Müttern Hilfe bei den Fans von Action-
und Pornofilmen sucht, ist das als Statement nicht weniger deutlich als die
Tätowierungen, die die jungen Kino-Guerilleros wie Schlachtenbanner auf der
Haut tragen: Die Namen von Sam Peckinpah, Otto Preminger, Kenneth Anger,
Rainer Werner Fassbinder haben sie sich eingestochen. Zahllose Seitenhiebe
auf die Seelenlosigkeit des auf Kassenerfolg designten Hollywood-Mainstream
peppen die Handlung, die sich zum Ende hin zunehmend auf Tempo und Action
verlässt, ebenso auf wie zwei herrliche Songnummern („Demented Forever“ und
ein „No Budget“-Rap). Gerade heute, wo das Kino selbstreferenzieller denn je
ist, wird „Cecil B. Demented“ auf ein junges, großstädtisches Publikum
treffen, das spritzige 88 Minuten Punkrock-Spaßkino zu schätzen weiß.
Besorgte Freunde von „Forrest Gump“ seien beruhigt: Schließlich will John
Waters, anders als Cecil B. Demented, niemandem weh tun. evo.