Oben ist es still: Berührendes Drama um einen Mittfünfziger, der einen Neuanfang wagt. Nach dem gleichnamigen Roman von Gerbrand Bakker.
Kongeniale Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Gerbrand Bakker mit dem kürzlich verstorbenen Jeroen Willems in einer seiner letzten Rollen.
Zärtlich streichelt er die Hand seines toten Vater, die Hand, die ihn immer nur geschlagen hat. Das ist eine der berührendsten Momente in einem berührenden Film über einen Menschen, der mit Mitte fünfzig die letzte Chance zur Änderung ergreift. Der im Dezember 2012 überraschend und viel zu früh verstorbene Jeroen Willems verkörpert diesen Mann, der allein mit seinem Vater auf einem Bauernhof lebt. An ihm, Helmer, blieb alles nach dem Tod seines Zwillingsbruders hängen, dem Lieblingssohn des Alten. Irgendwann hat Helmer genug davon, verfrachtet den über 80Jährigen, mit dem ihm mehr Hass und Gleichgültigkeit als Liebe verbindet, zum Sterben nach oben in den ersten Stock: Ein Schritt der Befreiung. Dass er sich nie wirklich für Frauen interessiert hat, wollte er sich nicht eingestehen, so wie er auch die zaghaften Annäherungsversuche des Milchfahrers abblockt. Erst als ein junger Knecht auf dem Hof beginnt, entdeckt Helme die physische Liebe zwischen Männern.
Mit der Verfilmung des gleichnamigen internationalen Bestsellers von Gerbrand Bakker, der sich in Deutschland über70 000 Mal verkaufte, erzählt Regisseurin und Drehbuchautorin Nanouk Leopold wie in ihrem vorherigen Film „
Brownian Movement“ von emotionalen Verwerfungen, nur sind die hier besser nachzuvollziehen. Die aus der Hand gedrehten Bilder und oft langen Einstellungen von Kameramann Frank van den Eeden lassen Distanz zwischen den Figuren zu und dennoch Augenblicke größter Nähe. Das Unausgesprochene und das Angedeutete drückt sich in minimaler Gestik und verlorenen Blicken aus, oder auch nur in Stille und wird zum wesentlichen, die Handlung bestimmenden Faktor. Die Regisseurin nahm einige Erzählstränge aus dem Roman heraus, fokussiert sich auf das überschaubare Universum der Hauptfigur, die Alltagskleinigkeiten. Die seltenen Dialoge kommen auf den Punkt, selbst wenn sie fragmentarisch bleiben. Die Sprachlosigkeit zwischen Vater und Sohn, das Unverständnis füreinander, die emotionale Kälte schmerzen. Das Wenige, was erzählt wird, wird fassbarer in Bildern und Tönen, eine subtile Methode, die sich schon im Vorspann ankündigt, wenn bei wehenden Grashalmen nur der Klang des Windes zu hören ist. Atmosphärisch intensiver kann Kino nicht sein. mk.