Reefer Madness von 1936 ist ein schlechter Propagandafilm. Schlecht deshalb, weil man seine propagandistischen Absichten in jeder Einstellung bemerkt. So schleicht sich ein Jazzpianist in einer Spielpause in eine dunkle Ecke, zieht an einem Joint und bricht in irres und wildes Lachen aus. Und ein FBI-Mann erzählt eine Story (die gar nichts mit der eigentlichen Filmhandlung zu tun hat), wie ein Haschsüchtiger seine Familie mit einer Axt ausgelöscht hat. Zwischendrin gibts immer wieder exploitative Szenen von einer Frau, die beim Strümpfeanziehen ihre Schenkel entblößt, von einer anderen, die im Kifferwahn halbnackt einen Jüngling verführt.
Kein Wunder also, dass dieser Streifen in den 60ern und 70ern zum Kult wurde. Die geheuchelte hohe Moral ist derart übertrieben, ganz und gar schlecht dargestellt, dass der Film von der Gegenkultur rasch als Beispiel für die Scheinheiligkeit des Establishment herhalten konnte. Zumal die Hysterie des Films kaum von seinem Thema, der zersetzenden Wirkung von Marihuana, unterfüttert werden kann. Schließlich ist Cannabis zwar illegal, aber weitgehend harmlos. Im Vorspann freilich heißt es: Marihuana is that drug a violent narcotic an unspeakable scourge THE REAL PUBLIC ENEMY NUMBER 1! Its first effect is sudden, violent, uncontrollable laughter; then come dangerous hallucinations fixed ideas come next, followed by emotional disturbances, the total inability to direct thoughts, the loss of all power to resist physical emotions
leading finally to acts of shocking violence
ending often in incurable insanity. Das ist als Warnung gedacht vor den gefährlichen Folgen von Hasch und es ist zugleich eine Vorschau darauf, was der Film bringen wird, ein Teaser, der Sex und Gewalt verspricht.
Mit einer Parodie auf einen derart lächerlichen Film rennt man natürlich offene Türen ein; das kann man nur mit einem bestimmten Mehrwert retten, ein Mehrwert, der im Remake als Musical liegt. Spätestens, seit Springfield seine Monorail-Bahn gebaut hat, wissen wir um die Überzeugungskraft eines klug eingesetzten Liedes. Deshalb ist es nur konsequent, wenn der Propagandafilm nachgespielt und dabei mit schmissigen Songs angereichert wird, die die Botschaft noch einmal unterstützen, die sich wortwörtlich als Ohrwürmer in das Gehirn des Zuschauers bohren. Ironie durch einen absoluten Overkill an Überaffirmation ist das Ziel, eine Denunziation des Originalfilms und seiner Botschaft, indem dessen Moral weiter und weiter gepusht wird.
Dazu gehört natürlich eine entsprechend übertriebene Darstellung. Und Alan Cumming ist für so etwas wie geschaffen, immer etwas exaltiert, immer etwas tongue-in-cheek, immer lediglich mit dem Anschein von Ernsthaftigkeit ohne seinen Charakter zu brechen. Er spielt den militanten Drogenfeind, der den Film Reefer Madness vorführt, und er taucht als Erzähler immer wieder in diesem Film auf. Marihuana macht viel mehr süchtig als jedes andere Rauschmittel, erklärt er mit der Überzeugung des Fanatikers; und Einwände dagegen, die etwa Heroin als viel gefährlicher anführen, denunziert er als kommunistische Lügenpropaganda.
Die im 36er Film schon angelegte Verbindung zwischen Hasch und Jazz und Wahnsinn und zügellosen sexuellen Ausschweifungen reichert das Remake an, lässt zusätzlich die Gefahr des Kommunismus und die Bösartigkeit von Chinesen, Satanismus und Kannibalismus als direkte Folgen von Cannabiskonsum erscheinen. Zwischendrin hat Jimmy eine religiöse Offenbarung, Jesus und die himmlischen Heerscharen an Engeln erscheinen ihm und warnen vor dem Kiffen Jesus ist dabei Entertainer in einer Las-Vegas-ähnlichen Nightshow, die Engel sind Revuegirls. Am Ende des Films dann schalten die Autoren und der Regisseur um auf den Splatter-Modus, Zombies und Kannibalen bevölkern plötzlich die Handlung, die damit auf den großen, blutüberströmten Höhepunkt zusteuert, der dann nur von einem Roosevelt ex machina noch mal gesteigert werden kann.
Das freilich ist das Problem des Mittelteils: Nach dem furiosen Anfang ist zunächst keine Steigerung mehr drin; die Idee, einen ohnehin lächerlichen Propagandafilm gegen Drogen als Musical durch übertriebene Zustimmung zu persiflieren, nutzt sich irgendwann ab die Gags, vor allem ihre Zielrichtung, ist ja bekannt, und viel Neues kommt erst mal nicht hinzu.
Bis dann eben das Ende so dermaßen tragisch ist, so hochnotpeinlich schlimm wird, wie es sonst nur in den großen Tragödien Shakespeares sein kann. Und da ist es dann doch ganz gut, dass Jimmy Harper sein Romeo und Julia-Heft nie bis zum Ende durchgelesen hat, sonst wäre er vielleicht nicht mit heiler Haut gerade noch davongekommen, um sich nun dem Kampf gegen die übermächtige Droge anzuschließen.
Fazit: Witziges Musical, das einen alten Antidrogen-Propagandafilm persifliert. Ob der Film wohl zum Kult wird? Dafür hat er dann doch ein paar Hänger zuviel...