Der Film tut so, als sei er eine Dokumentation: das ist natürlich ein neckisches Spiel, gehören doch die drei Hauptdarsteller zu den Stars des deutschen Films. Tobias Hansen, gespielt von Florian Lukas, glaubt, dass sein Bruder Markus (Jürgen Vogel) mal was hatte mit seiner Freundin Ellen (Heike Makatsch): Und er beschließt, ab jetzt Regisseur zu sein.
Film als Therapie, Film als Selbsthilfegruppe: Tobias muss schnell erkennen, dass er eigentlich gar nicht weiß, was er will. Er begleitet die Tournee der Band seines Bruders, er will seine privaten Angelegenheiten unter dem Kameraauge, unter dem Blick der Öffentlichkeit klären. Big Brother on Tour, sozusagen, die Kameras sind überall dabei, sie sind Teil der Spielhandlung.
Tatsächlich hält der Film formal am Dokumentarstil fest, auch wenn die dramaturgische Entwicklung, die kleinen Nebengeschichten, die ihre Inszeniertheit kaum verbergen, auch die Lichtsetzung, die die Stimmung der jeweiligen Szene widerspiegelt, die Mittel des Spielfilmes sind. Regisseur Lars Kraume hat zusammen mit seinen Hauptdarstellern die Figuren entwickelt, gedreht wurde chronologisch und weitgehend improvisiert, die fiktive Band Hansen wurde aus den Musikern der wirklichen Gruppe Kettcar rekrutiert direkt und unvermittelt folgt der Film seiner Liebesgeschichte, ungekünstelt und gleichzeitig künstlerisch.
Tobias reitet sich mit seinem Projekt, mit seinem Film als Vorwand für die Familienzusammenführung, in eine Beziehungskrise, und langsam enthüllt sich sein paranoides Scheuklappendenken, vor der ständig anwesenden Kamera und vor Ellen, die unter ständiger Beobachtung steht, von Kameras wie von Tobias. Vor allem sie greift immer wieder die Themen der Inszeniertheit auf, sie durchschaut ihren Freund, beinahe zumindest. Die Gespräche zwischen Tobias, Markus und Ellen, getreulich eingefangen vom immer mal wieder ins Bild ragende Mikrophon, kreisen um Masken und die Rollen, die jeder vor anderen spielt, um Freizügigkeit und Spießigkeit, Treue, Vertrauen, Seitensprung und Liebe, in frischer, direkter, nicht auswendiggelernter Sprache, die dabei doch immer auf einen Punkt zusteuert, sich nicht im Kreise dreht
Und dazwischen dann, als Kommentar zur Liebesgeschichte, Konzertausschnitte der Hansen-Band, im Chez Heinz in Hannover oder im KlingKlang in Bremerhaven, pure, handgemachte Musik mit melancholischen Texten keine Lieder über die Liebe halt.
Lars Kraume hat einen Liebesfilm gedreht mit neuen Mitteln, die scheinbare Unmittelbarkeit trägt das Thema der Konfrontation weiter: Künstlich bringt Tobias Ellen und Markus nocheinmal zusammen, um zu sehen, was daraus passiert, und in einem masochistischen Akt lässt er alle filmen, um dann, letztendlich, das Scheitern seiner Beziehung für die Ewigkeit eingefangen zu haben
Am Ende, als Tobias im Voice-Over-Kommentar eine Anekdote über Andy Warhol erzählt, die in der Frage Kennst du zwei Leute, die sich wirklich nah sind? gipfelt, dann zeigt sich deutlich, wie nah Kraumes Film an Woody Allens tragikomischem Stadtneurotiker liegt.
Fazit: Tragischer und komischer Liebesfilm, spontan und improvisiert in der Form eines Dokumentarfilms inszeniert.