Sie sollen Jarheads werden, mit Köpfen so leer wie Töpfe: Ende der 80er ist die Ausbildung der US-Marines noch genauso hart, wie es Kubricks Full Metal Jacket über die Vietnamzeit porträtierte. Die Rekruten müssen gebrochen werden, Menschliches muss abfallen, animalischer Triebe soll sie zu Tötungsmaschinen machen. 20jährige müssen zu Kriegern werden, sie müssen Krieg aushalten, sie müssen ihn führen können: Und sie müssen geil sein auf Krieg, die Waffe muss ihre Braut werden, und ausgerechnet mit einer Apokalypse Now-Filmaufführung soll der Krieg als großartiges ästhetisches Spektakel eingeimpft werden.
Den Krieg gewinnt der, der die Wahrnehmung des Krieges beherrscht. Im zweiten Golfkrieg von 1991 haben die USA diese Regel erstmals in großem Maßstab angewendet, mit Bildern von sauberen Bombentreffen auf klar abgegrenzte Gebäude, ohne, so heißt es, Zivilisten natürlich jemals gefährdet zu haben. Unter Bush I. wurde der Mythos vom gerechten Krieg erweitert um den des sauberen Krieges; vor knapp drei Jahren wurde das Konzept der gereinigten Vermittlung des Kampfes unter Bush II. im dritten Golfkrieg perfektioniert. Embedded Journalists berichteten genau das, was über den Krieg berichtet werden sollte. Der Krieg entfernte sich in der Zeit von 1991 bis 2003 durch diese Manipulation der Wahrnehmung von jeder Wahrhaftigkeit, dessen ist sich Sam Mendes bewusst. Und er macht es dem Zuschauer bewusst durch seine Strategie, von innen heraus von der Operation Desert Storm zu erzählen, aus der Sicht eines Soldaten, der mitten im Krieg ist, ihn wahrnimmt und ihn, in der Rückschau, zu verarbeiten versucht.
Mendes zeigt, wie die Bilder vom Krieg entstehen, die dann im westlichen Fernsehen gezeigt werden: Wie den Soldaten befohlen wird, was sie auf Journalistenfragen zu beantworten haben, wie die ABC-Schutzausrüstung mittels eines Footballspiels mit aufgesetzten Gasmasken in der Wüste dem Kamerateam vorgeführt wird. Und wie sich die Journalisten abwenden, als das Spiel beginnt, nasty zu werden. Doch vielmehr noch gelingt es Mendes, sich in die Wahrnehmung eines Marines einzufinden, nicht im Sinne von Realismus, sondern im Sinne subjektiver Wahrhaftigkeit. Gerade deshalb wirkt sein Film so eindringlich.
175 Tage lagern die Marines in der Wüste, Tötungsmaschinen, die nichts zum Töten haben. Als dann der Marsch gegen den Feind beginnt, gleitet Jarheads mehr und mehr ins Surreale über. Die Bilder werden geisterhaft, irreal, alptraumhaft. Ausgebrannte Autos und verkohlte Leichen erhalten, gerade weil sie so echt aussehen, einen Touch von Unwirklichkeit; und die Begegnung mit einem Pferd vor den Hintergrund brennender Ölfelder wirkt wie von außerhalb dieser Welt. Wer kriegt so etwas in seinem Leben schon einmal zu sehen, sagt der Staff Sergeant, genau deshalb liebt er seinen Job.
Mendes Film reiht sich ein in die Meisterwerke des amerikanischen Antikriegsfilms nur dass diesmal nicht mehr Vietnam, sondern der Irak im Blickfeld steht, der erste Krieg, den die heutige Generation bewusst miterlebt hat in seiner verfälschten Form, ein Konflikt, der noch immer andauert. Und Mendes verwendet dabei die Bilder aus Vietnam-Filmen, um mit ihnen seine Vision vom Golfkrieg zu unterfüttern: Fiktive Bilder vom Krieg, die das Kino erzeugt hat, sollen die realen Bilder vom Krieg, die das Militär erzeugt hat, von der Manipulation reinigen; dabei wird zwar nicht Wirklichkeit, aber doch eine höhere Wahrheit abgebildet.
Dabei ist der Feind, anders als in Südostasien, nicht einfach nur unsichtbar: er ist unerreichbar, die Kampfbomber nehmen der Infanterie alle Arbeit ab, und nach wenigen Tagen ist der Krieg vorbei, ohne dass er wirklich stattgefunden hat. Doch die Köpfe der Marines sind noch immer leer, wie Zombies gehen sie am Ende dann ihren zivilen Berufen nach. Wer einmal Marine war, kann nie wieder Mensch werden.
Fazit: Großer Film über die Auswirkungen des Krieges auf einen Soldaten. Weniger realistisch als authentisch.