Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen: Dokumentarfilm über das absurde Treiben in der Grabeskirche in Jerusalem, wo sechs christliche Glaubensgemeinschaften um ihren Anteil kämpfen.
In der Grabeskirche streiten sechs christliche Glaubensgemeinschaften um ihren Anteil am Gotteshaus. Hajo Schomerus hat das absurde Treiben dokumentarisch festgehalten.
Im Herzen des Pulverfasses Jerusalem steht die anno 325 über Jesu Grabmal errichtete Grabeskirche - der allerheiligste Ort der christlichen Welt. An die 300 christliche Glaubensrichtungen existieren und sechs davon haben sich einen Platz in dieser Kirche erkämpft. Griechisch-orthodoxe, römisch-lateinische, syrische, armenische, äthiopische Abessiner und ägyptische Kopten wohnen unter einem Dach auf engstem Raum. Doch das Haus des Herrn ist kein nettes Multi-Kulti-Kloster. Hier herrscht Segregation. Dokumentarfilm-Kameramann Hajo Schomerus („Ich und das Universum“) liefert in seiner zweiten Regiearbeit die Anatomie eines Mikrokosmos ab, wo um jeden Zentimeter trickreich und erbittert gestritten wird - und das seit Jahrhunderten.
Eifersüchtig verteidigen die Mönche Latifundien und Privilegien, jede Nische wird in einem unwürdigen Geschacher aufgeteilt, als würden römische Legionäre Christi Umhang zerstückeln. Wohl nur Dank des „Status Quo“ - einem von der osmanischen Regierung 1852 erlassenen Verhaltenskodex - herrscht statt heiligem Krieg ein labiler Frieden, der aber rasch in Handgreiflichkeiten münden kann, die sich zu Massenschlägereien (!) unter Geistlichen auswachsen. Selbst Bill Maher hätte sich solche Szenarien in „
Religulous“ nicht spöttischer ausdenken können. Das absurde Verhalten der Konfessionen sagt viel über die Menschen aus und bedarf keines Kommentars. So erklären die Geistlichen selbst Geschichte und Gestalt der Kirche, plaudern über Konflikte, Glaube und Ansichten. Das Glück der Gläubigen, die wie eine Viehherde durch das Allerheiligste geschleust werden, etwa im unbeschreiblichen Gedränge an Ostern, ergibt nur Marginalien.
Es ist wie die Reise nach Jerusalem, komisch und traurig zugleich, wenn das Allzumenschliche in den altehrwürdigen Mauern regiert, wo Prozessionen, Zeremonien und Liturgien dicht gedrängt nacheinander, nebeneinander, übereinander statt finden. Dann kulminieren die Gebete und Gesänge zu einer schrillen Kakophonie, bis man sich im Sprachgewirr des Turms zu Babel wähnt. Und dazwischen: ein seltener Moment der Stille, als der palästinensische Schlüsselwächter die tonnenschweren Türen schließt. Aber Schomerus hat keine Anleitung gefilmt, wie man das Haus des Vaters entweiht. Er bleibt respektvoll auf Distanz und stellt den Glaube nicht in Frage. Es ist das menschliche Miteinander oder oft auch Gegeneinander, das er aufmerksam registriert. So wurde das einsturzgefährdete Grabmal bis heute nicht renoviert; das würde nämlich ein gemeinsames Vorgehen der Orthodoxien erfordern. Wenn sich aber schon Priester, die Mitgefühl und Liebe predigen, nicht einigen können - was sagt das über die restliche Menschheit aus? tk.