Um zehn Grad in vier Jahren hat sich die Erde erwärmt, die Natur stirbt, ein Großteil der Menschen ist tot es fehlt an Wasser, und im Freien, der hell strahlenden Sonne ausgesetzt, kann man höchstens wenige Stunden überleben.
Das ist kein Ökothriller. Das Thema der Erderwärmung und des Klimawandels wird nur als Aufhänger benutzt, um ein apokalyptisches Drama zu erzählen und das ist überhaupt kein Fehler, dass kein belehrender Oberton zu hören ist, der von den bösen Folgen menschlichen Handelns kündet. Wäre ja auch gelacht: Schließlich ist Roland Emmerich als ausführender Produzent an Bord was soviel heißt wie: er hat irgendwen mit wem anderen bekanntgemacht, was wichtig war fürs Zustandekommen des Films ; und Emmerich kümmert sich ja auch nie ums Woher seiner Katastrophen, auch nicht ums Wohin, sondern ums Wie.
Dem geht auch Tim Fehlbaum in seinem Regiedebüt nach: allerdings nicht emmerichesk in einer völlig überzogenen Materialschlacht, sondern reduziert, konzentriert, ganz auf seine Charaktere und auf deren Handeln bezogen das tut dem Film gut; er ist immerhin die erste deutsche Produktion, die von Paramount vertrieben wird. Hell ist mit seinem doppeldeutigen Titel ein Genreprodukt, eine Mischung aus dem letztjährigen Film The Road und aus dem klassischen Kettensägenmassaker (aber ohne Kettensägen). Und ist doch etwas ganz eigenes, kein billiger Abklatsch, sondern eine originelle Version der Frage nach dem Menschlichen am Abgrund der Menschheit.
Vier Leute sind unterwegs, Marie (Hannah Herzsprung) und ihre jüngere Schwester Leonie (Lisa Vicari) im Auto von Phillip (Lars Eidinger), und sie lesen Tom (Stipe Erceg) unterwegs auf, der ein wildes Leben als Maverick geführt hat. Überlebenskünstler sind sie alle, verzweifelt sind sie auch, angetrieben werden sie von der Idee, dass es vielleicht in den Bergen irgendwo noch Wasser geben könnte. Doch da sind auch andere, wilde Gesellen, die Menschen fangen, die fiese Fallen stellen: Ein Strommast über der Straße, ein Auto, das einen Abhang hinuntergestürzt ist das kann Zufall sein oder auch arrangiert, um neue Opfer, neue Beute zu finden...
Eine sehr gute Besetzung steht zur Stelle, Hannah Herzsprung als Heldin in einem Kampf, den sie nie wollte, Lars Eidinger als vorgeblicher Macher, der eigentlich ein feiger Weichling ist (wie würden wir Sesselhocker uns verhalten, wenn es um Kampf oder Flucht geht?); Stipe Erceg ist geschickt, praktisch veranlagt aber er ist es, der schließlich befreit werden muss...
Aus den Situationen holt Fehlbaum geschickt alles heraus: In der dunklen Enge des Autos, dessen Fensterscheiben gegen die helle Sonne abgeklebt sind, gedeihen die psychologischen Kräfte von Sym- und Antipathie bestens; eine Tankstelle kann Rettung bieten mehr Benzin, vielleicht noch etwas Wasser in den Heizungsrohre und auch die Gefahr, dass hier irgendwelche Feinde hausen. Ein Lager im Wald ist Sammelort für die aneinandergeketteten Gefangenen, deren Todesmarsch durch ein vermülltes Eisenbahntunnel führt, eine Kapelle auf einem Hügel verspricht wenigstens etwas Kühle, ein Bauernhof mag Wasser bieten... Hoffnung und Verzweiflung stehen einander gegenüber, und der Wille zum Leben treibt die Figuren an, treibt den Film an, in immer neue spannende Situationen, in denen Fehlbaum geschickt mit Suspense arbeitet. Suspense, die keine grellen Effekte braucht. Eine grelle Sonne am Himmel reicht schon, um die hellen und dunklen Seiten der menschlichen Seele zu beleuchten.
Fazit: Ein spannender apokalyptischer Thriller, glänzend besetzt, mit perfekt ausgespielten Situationen unter der grellen Sonne ein seltener Glücksfall für den deutschen Film.