Briganten - Brigands: In Venedig ausgezeichnete bitterböse Parabel auf den Krieg in drei Episoden aus drei Epochen.
Neben Jean-Luc Godard, Claude Lelouch und Manoel de Oliveira gehörte der Georgier Otar Iosseliani auf der diesjährigen Biennale zu den etabliertesten Vertretern europäischer Filmkunst. In seinem Wettbewerbsbeitrag „Brigands“ setzt er sich mit den aktuellen Geschehnissen in seinem Heimatland auseinander, bringt diese in Kontext mit anderen Epochen und kommt zu dem Schluß, daß sich die Methoden der Machtergreifung seit Jahrhunderten keinen Deut verändert haben. Die bitterböse Parabel auf den Krieg im allgemeinen wurde zu Recht mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet - eine Ehre übrigens, die Iosseliani seit 1984 zum dritten Mal zuteil wurde.
Iosselianis ambitioniertes Werk, das mit Hilfe von französischen, russischen, italienischen und Schweizer Geldern finanziert wurde, merkt man vor allem in technischer Hinsicht an, daß bei dieser Produktion mit einem äußerst niedrigen Budget gewirtschaftet werden mußte. Bezeichnend hierfür ist jene Szene, in der ein von einer Bombe getroffenes Auto nicht etwa vor laufender Kamera, sondern erst im Off eine Straßenecke weiter in die Luft fliegt. Doch dem 62jährigen Georgier geht es auch nicht um oberflächliche Schauwerte, sondern darum, die Absurdität des Krieges bloßzustellen und vor Augen zu führen, daß Machtspiele stets grausam, sinnlos und verrückt sind. „Brigands“ erzählt im Prinzip drei identische Geschichten aus drei verschiedenen Epochen: Während ein Monarch in seinem kleinen Königreich mit allen unerlaubten Mitteln seine Krone zu verteidigen sucht, hat ein Kommissar der Stalin-Ära nichts anderes im Sinn, als seine Landsleute zu diffamieren und zu eliminieren, bis er selbst in die Schußlinie gerät. Die dritte Episode, die im Georgien von heute angesiedelt ist, beschreibt den nackten Überlebenskampf des einzelnen in einem Bürgerkrieg, in dem man Freund und Feind schon längst nicht mehr voneinander unterscheiden kann. Geschickt verknüpft Iosseliani seine drei Handlungsstränge zu einem einheitlichen Ganzen, und indem er in jeder Epoche die selben Darsteller agieren läßt, erreicht er ein Höchstmaß an Allgemeingültigkeit. Seine Aussage schließlich ist einfach und unmißverständlich: Ob Shakespeares „Richard III“, Hitler oder Hussein, Tyrannen gab es schon immer, wird es immer geben, und die Art und Weise, wie sie ihre Macht konservieren wollen, ähnelt sich wie ein Ei dem anderen. „Brigands“ ist ein unbequemer Film - nicht nur wegen seiner politischen Brisanz, sondern auch wegen seines Inszenierungsstils. Nahezu bewegungslos verweilt die Kamera auf den Geschehnissen, das Drehbuch ist gespickt mit Metaphern und historischen Querverweisen. Obwohl somit alles andere als leicht zugänglich, wäre „Brigands“ ein angemessenes Einspielergebnis in den Programmkinos durchaus zuzutrauen, sofern ein engagierter, deutscher Verleih den Mut finden sollte, den aktuellen Biennale-Preisträger in sein Programm aufzunehmen. lasso.