Kalt, grau, trostlos die Stadt in Franken genauso wie Spanien und wie das Leben der Protagonisten. Das bisschen heile Welt, das in ihrer Umgebung noch übrig geblieben ist, ist pure Fassade. Und die kriegt Risse, sobald Jan zurückkommt. Regisseur Florian Hoffmeister zeichnet in seinem Debütfilm, für den er im vergangenen Jahr den Silbernen Bären des Festivals von Locarno gewann, das Bild einer desillusionierten Generation der um die 30-Jährigen, unfähig, miteinander zu sprechen, unfähig, sich zu binden, aber genauso unfähig, alleine zu sein.
Was ist wichtiger, zu lieben oder geliebt zu werden?, fragt Jenny (Meret Becker). Sie weiß keine Antwort, denn wenn ich Steini jedes Mal vor die Tür setzen würde, wenn er mich betrügt, dann kann ich die Tür gleich offen lassen. Wieso sie trotzdem bleibt, weiter mit ihrem Freund junges Glück in der Hochhaussiedlung zu spielen vorgibt, das fragt sie sich oft genug selbst. Genauso hin- und hergerissen ist Marie (Bibiana Beglau). Immer wieder bleibt sie stumm, kann ihren Mann nur ansehen, aber auf sein Ich liebe dich kann sie ihm nicht antworten.
Die Figuren sind eingeschlossen in ihrer Welt, drehen sich in ihrer Kleinstadt, ihrem begrenzten Bewegungsraum, um sich selbst. Die Kamera lässt ihnen kaum Luft, gibt nur selten den Blick auf den Horizont frei. Eingekerkert sind sie, zu Gast im eigenen Leben, auch auf der Leinwand eingefangen zwischen Linien und Schatten, Türen und Fensterrahmen. Und sitzen sie dann doch einmal einsam in ihren Wohnungen, flüchten sie an den Bildrand, machen sich klein. Selbst am Bahnübergang, dort, wo es immer 3 ° kälter ist, wo Züge das Blickfeld zerschneiden, kündigt sich keine Ferne an, bietet sich nicht die Möglichkeit, dem ewig gleichen mittelmäßigen Leben zu entkommen. Denn hier fahren nur Güterzüge vorbei. Nur Jan, am Strand in Spanien, hat sich die Weite erobert, kann die Arme ausbreiten, die Seeluft atmen.
Als er zurückkommt scheint sich nichts verändert zu haben: immer noch liegt der Schlüssel zum Haus seiner Eltern unter dem Stein im Vorgarten versteckt, immer noch gehen die gleichen Leute zum Tanzen in den gleichen Club, immer noch liegen seine alten Klamotten zu Hause im Schrank. Was sich verändert hat ist Jans Verhältnis zu seinen Freunden und zu Marie. Genauso unvermittelt wie er gegangen ist, kommt er auch wieder zurück. Und begegnet einer Mauer aus Schweigen. Das Schweigen ist das Hauptmoment des Films über wichtige Dinge wird nicht geredet, sie passieren nebenbei. In einem kleinen Moment zwischen zwei Alltäglichkeiten, in einem Blick, einer kleinen Geste übernehmen dann die scheinbaren Nebensächlichkeiten die Hauptrolle.
Sie schweigen alle in diesem Film, es scheint die einzige Möglichkeit der Figuren zu sein, sich etwas mitzuteilen. Mitzuteilen, dass sie so nicht weiterleben wollen, aber dass sie Angst haben, etwas zu verändern. Dann gibt Jan Marie die Möglichkeit, auszubrechen, ihm nach Spanien zu folgen, und die Situation droht zu eskalieren. Marie ist hin- und hergerissen zwischen Jan und Frank. Eines Tages verlegt sie ihren Ehering, ein Ring, der aus drei Gliedern besteht, die sich nicht trennen lassen, die man aber zu einer Einheit zusammenstecken kann. Marie ist wie dieser Ring, sie kann sich weder von ihrem Mann noch ihrer großen Liebe wirklich lossagen, und verliert sich dabei selbst. Bibiana Beglau spielt Marie sehr unterkühlt, lässt kaum Gefühle an die Oberfläche kommen, allenfalls erahnen, was in ihrem Inneren vor sich geht. Auch Sebastian Blomberg zeigt nur in kleinen Momenten, wie verletzlich Jan eigentlich ist. Dann bricht in seinen zerbrechlichen Augen die coole Fassade auf.
Fazit: 3° kälter schafft eindringliche Bilder für eine Welt voller Kälte, in der Liebe vor allem Schmerz bedeutet, inszeniert überdeutlich, dass die Menschen mehr nebeneinander als miteinander leben. Doch genau so wenig wie seine Figuren scheint der Film in erzählerischer Hinsicht zu wissen, auf welches Ziel er eigentlich zuläuft, welche Intention er verfolgt.