Personal Velocity: Einfühlsamer Episodenfilm über das Schicksal dreier unterschiedlicher Frauen, die lediglich durch einen tragischen Unfall miteinander verbunden sind.
Nach Motiven ihrer gleichnamigen Kurzgeschichtensammlung berichtet Rebecca Miller, Tochter des legendären Theaterautoren Arthur Miller, in einer Art Indie-„The Hours“ mit eindringlichen DV-Kamerabildern und beeindruckendem sowie betont weiblichem Einfühlungsvermögen von drei eigentlich völlig unterschiedlichen Frauenschicksalen, die eigentlich nur zeitlich durch einen tragischen Unfall verbunden sind, aber auch Schlüsselabschnitte der Selbsterkenntnis im jeweiligen Leben darstellen. In den Hauptrollen glänzen Kyra Sedgwick, Parker Posey und Fairuza Balk.
Jeweils mit dem Vornamen der drei Frauen sind die einzelnen, völlig für sich stehenden Segmente betitelt. „Delia“ berichtet von einer Frau aus White-Trash-Verhältnissen, die zwar in ihrer Gemeinde gerade wegen ihrer Attraktivität immer Außenseiterin war, sich aber stets durch ihre aggressive Sexualität definieren und vor allem behaupten konnte. Als sie die Gewalttätigkeiten ihres Mannes, für den sie alles aufgegeben hat, nicht mehr erträgt, flieht sie mit ihren Kindern und wagt einen Neuanfang, indem sie bei einer entfernten Bekannten im Norden Unterschlupf in deren Garage findet - sie leidet aber zunehmend unter der Situation, bis sie ein verblüffendes Gegenmittel für die fortwährende Selbstdemütigung findet. Im Mittelpunkt von „Greta“ steht eine New Yorker Lektorin, die die Gelegenheit erhält, aus dem Schatten ihres harmlos-netten Mannes - und ihres dominanten Vaters - zu treten, als völlig überraschend ausgerechnet der angesagteste Jungliterat der Stadt ihre Dienste in Anspruch nimmt. Beide Sequenzen werden miteinander verbunden, indem die beiden Frauen an unterschiedlichen Stellen Zeuge einer Fernsehnachricht über einen tragischen Unfall werden, bei dem ein Fußgänger überfahren wurde und seine unerkannt gebliebene Begleiterin unter Schock Reißaus nahm. Das ist, wie sich in der dritten Episode herausstellt, „Paula“, die Abstand gewinnen will, indem sie vor dem unmittelbar Erlebten und ihrer ihr gerade bewusst gewordenen Schwangerschaft mit dem Auto zu ihrer Mutter flieht. Auf dem Weg liest sie einen Jungen als Anhalter auf, der sich als Opfer schlimmster Misshandlungen entpuppt und in der zutiefst verwirrten Paula Muttergefühle weckt.
Was Rebecca Miller in ihrem zweiten Spielfilm an Inhalten nicht direkt in wie zufällig gedrehten Momentaufnahmen via fahriger DV-Bilder im Home-Movie-Stil und einfallsreich montierter Snapshots transportiert, wird von einem schnörkellosen und emotionslos gesprochenen Voice Over übernommen, der ganz simpel Hintergründe und Anekdoten, Gefühle und Gedanken offenbart. So ergeben sich bemerkenswerte, sehr weibliche Porträts ganz und gar nicht einfacher, erfrischend widersprüchlicher und angenehm lebendiger Frauen, die ihr Leben je nach Hintergrund und Möglichkeiten mit bisweilen bockiger Vitalität zu meistern versuchen und auch nach Rückschlägen niemals klein beigeben. Sehr zum Gelingen dieses immer dann besonders poetischen Films, wenn er ganz realistisch und bodenständig ist, tragen die furios aufspielenden Hauptdarstellerinnen bei, die jede noch so komplexe Note dieser drei tollen Frauen auf den Punkt und ohne jeden Anflug von Manierismus rüberbringen. Film als Literatur oder Literatur als Film könnte trefflicher jedenfalls nicht sein. ts.