Die ewigen Momente der Maria Larsson: Familiendrama in Schweden zu Anfang des 20. Jahrhunderts.
Der schwedische Regiealtmeister Jan Troell setzt in seinem biographischen Emanzipationsdrama geschickt Privates mit Weltgeschichte in Kontext und beleuchtet, wie Film und Fotografie die Medienlandschaft verändert haben.
Schweden zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Maria Larsson (Maria Heiskanen aus „
Lichter der Vorstadt„) ist eine typische Frau ihrer Zeit. Ihrem Mann Sigfrid, genannte Sigge (Mikael Persbrandt, der Kollege von „Kommissar Beck“), schenkt sie sieben Kinder, duldet lange Jahre dessen Eskapaden und Saufexzesse. Eines Tages gewinnt sie bei einer Tombola eine Fotokamera. Obwohl sie mit ihr nichts anzufangen weiß, behält sie den Preis. Ein Entschluss, der ihr Leben verändert, als der Fotograf Pedersen (Jesper Christensen aus „
Tage des Zorns„), Spitzname Piff Paff Puff, ihr die Funktion des Apparats beibringt, sie ermutigt, ihn doch auszuprobieren, und in ihr bald ein Naturtalent erkennt. Durch den Sucher sieht die Welt ganz anders aus, Marias Blick auf sich und die eigene Umgebung verändert sie nachhaltig.
Der schwedische Regisseur Jan Troell, Jahrgang 1931, der zu Beginn der Siebzigerjahre mit den präzise beobachteten, sensiblen Einwandererepen „Emigranten“ und „Das neue Land“ für Furore sorgte, geht in seinem Alterswerk „Die ewigen Momente der Maria Larsson“ nochmals zurück in die heimatliche Historie. Diesmal im kleineren, ja persönlichen Rahmen: Der Film fußt auf dem Roman seiner Frau Agneta Ulfsäter Troell (Drehbuch: Niklas Radström, Jan & Agneta Troell), die darin den biographischen Spuren ihrer Verwandten Maria Larsson folgt. Der Film wiederum wird als langer, verschachtelter Rückblick von deren Tochter Maja, gespielt von Callin Ohrvall, erzählt - als ebenso einfühlsame wie nachvollziehbare, wohltuend unspektakulär umgesetzte Emanzipationsgeschichte.
Demzufolge spielt auch die Beziehung der Geschlechter zueinander eine wichtige Rolle. Wie sich das Verhältnis zwischen Maria und ihrem Mann langsam verändert, wie er sie mit anderen Augen zu sehen beginnt, als er ein Foto entdeckt, das sie ohne sein Wissen von den Kindern aufgenommen hat. Maria wiederum stellt plötzlich fest, dass sich auch andere Männer für sie interessieren, in diesem Fall der ältere Pedersen, der ihr ganz zaghaft den Hof macht. Dass man diesen, durchaus auch gesellschaftspolitischen, Veränderungen mit Interesse folgt, liegt an den vorzüglichen Darstellern, die ihre Figuren vielschichtig anlegen können, weil Troell Raum zur Entfaltung gewährt. So dämonisiert er etwa den gewalttätigen alkoholabhängigen Sigge nicht, sondern zeigt durchaus auch dessen positive Seiten auf.
„Maria Larsson“ ist Porträt einer großen Frau aus kleinen Verhältnissen, aber auch Geschichte vom Beginn einer neuen, die alte Weltordnung umstürzenden Epoche sowie Kommentar zur Rolle der damals jungen Medien Film und Fotografie. Entsprechend hat sich der Filmemacher, der gemeinsam mit Mischa Gavrjusjov auch die Kameraarbeit verantwortete, ästhetisch an den Bildern und der Bildsprache jener Tage orientiert. Er setzt auf klare, streng durchkomponierte Bilder, die in nostalgischen Sepiatönen gehalten sind, und baut zwischendurch Originalaufnahmen Larssons ein. Folgerichtig wird Sprache zurückhaltend eingesetzt, dient der Off-Kommentar primär dazu, Handlungszeiten und -ebenen miteinander zu verknüpfen. Jan Troell wird von Filmkennern gerne mit dessen Landsmann Ingmar Bergman verglichen - warum, das lässt sich hier gut nachvollziehen. geh.