Der Mann aus der Pfalz: ZDF-Dokudrama über Altkanzler Helmut Kohl.
Schon zum zweiten Mal in diesem Jahr kommt ein herausragendes zeitgeschichtliches TV-Movie nicht aus der Abteilung Fernsehspiel: Auf den Dreiteiler „Die Wölfe“ der Gebrüder Fromm folgt nun „Der Mann aus der Pfalz“, ein Film über Helmut Kohl. Beide Werke gehorchen einem ähnlichen Muster: Sie nutzen das Mittel der Inszenierung, um quasi-dokumentarisch zu erzählen.
Thomas Schadt orientiert sich mit seiner Mischung aus Spielszenen und zeitgenössischem Dokumentarmaterial stilistisch allerdings deutlich stärker am Werk Heinrich Breloers („Die Staatskanzlei“, „Todesspiel“). Die Arbeit mit Schauspielern war für den vielfach ausgezeichneten Dokumentaristen vermutlich ungewohnt, das Sujet hingegen wohlbekannt: Schon mit seinen beiden Porträts von Gerhard Schröder, „Der Kandidat“ (1998) und „Kanzlerbilder“ (2001), hatte Schadt verdeutlicht, wie Macht einen Menschen verändert. Ein dramaturgisch eminent wirkungsvoller Kunstgriff gibt ihm die Möglichkeit, diesen Prozess innerhalb eines Films zu dokumentieren. Das Drehbuch von Schadt und Jochen Bitzer verknüpft zwei Zeitebenen: In der Rahmenhandlung des Jahres 1989 machen einige seiner einstmals treuesten Gefolgsleute Kohl die Führungsposition streitig; die Rückblenden in die Jahre 1947 bis 1969 zeigen seinen politischen Aufstieg. Gattin Hannelore (Rosalie Thomass/Renée Soutendijk) kommt bei diesem Werdegang nicht viel mehr als eine Nebenrolle zu, doch kurze Perspektivwechsel genügen, um anzudeuten, wie sein Streben nach Macht ihr den geliebten Mann entfremdet.
Der Film schildert Kohl zwar völlig neutral, gerade in den Rückblenden wirkt der ehrgeizige Jungpolitiker dank Stephan Grossmanns Verkörperung sogar überaus sympathisch; aber schon früh zeigen Schadt und Bitzer den Pfälzer als Netzwerker, der in Freunden vor allem Verbündete sieht. Dank der Verknüpfung mit der Rahmenhandlung bekommt der unaufhaltsame Aufstieg einen melancholischen Beigeschmack: 1989 gelingt es Kohl, die Ereignisse in Osteuropa zum eigenen Vorteil umzumünzen. Trotz schwerer Erkrankung wandelt er den Putschversuch in einen Triumph um. Die deutsche Wiedervereinigung macht ihn unangreifbarer denn je, aber der Preis, die totale Einsamkeit des Mächtigen, ist hoch.
Die tiefen Einblicke, die der innere Monolog in die Seele des Politikers gibt, sind natürlich Spekulation, wirken aber dennoch ungemein wahrhaftig; und das hat viel mit Thomas Thieme zu tun. Kohl weder äußerlich noch im Sprachduktus sonderlich ähnlich, gelingt es ihm dennoch, restlos überzeugend dessen Position einzunehmen. Ähnlich treffend und prägnant ist die Besetzung der Weggefährten (Casting Director: Nina Haun), darunter Jochen Senf als Ludwig Erhard, Ernst Stankovski als Konrad Adenauer und Jürgen Heinrich als Horst Teltschik. Eine Schlüsselrolle spielt naturgemäß die Frau an seiner Seite: nicht Gattin Hannelore, sondern die jahrzehntelange Büroleiterin Juliane Weber (Katharina Meinecke), deren herausragender Bedeutung Annett Renneberg mit nur einem einzigen Auftritt in der Rückblende angemessenes Gewicht verleiht. tpg.