Wie zeigt man das Wissen um den eigenen Tod, die metaphysische Erkenntnis, dass dieser Tag der letzte des eigenen Lebens sein wird?
Regisseur und Drehbuchautor Alain Gomis führt dem Zuschauer seinen Protagonisten Satché, gespielt von dem amerikanischen Poet und Hip-Hopper Saul Williams, vor. Dabei vermeidet er bewusst einen dokumentarischen Gestus: Mythen und Alltag, Wirkliches und Unwirkliches vermischen sich ununterscheidbar. Nicht umsonst beginnt der Film auf der Tonebene mit der Es war einmal-Formel, als Märchen vor einer interessierten Zuhörerschar vorgetragen.
Satché hat noch Zeit bis zum Abend. Sein Einschlafen wird das Entschlafen in die Ewigkeit sein. Das ist gewiss, von Anfang an, und jeder weiß es. Die Prämisse ist gesetzt: Die Familie verabschiedet sich in kommunikativem Ritual, Satché wird gelobt, seinem Charakter wird geschmeichelt und dann werden ihm all seine schlechten Eigenschaften vorgeworfen, alles, worin er gefehlt hat; seine Frau macht den Anfang bei diesen Beschimpfungen. Dann tritt Satché seinen Gang in die Stadt an, seinen letzten Gang, ein Gang, der ihm die Welt ganz neu erscheinen lässt, bei dem er seine Heimat neu erfährt.
Satché begegnet seiner Ex-Geliebten in einer Kunstgalerie, die ihn flirtend umschleicht und wütend rauswirft. Sein Onkel wird am Tag darauf die Leiche rituell waschen, wie genau das vor sich gehen wird demonstriert er am lebenden Objekt. Straßenkünstler, tanzende Kinder, eine Demonstration ziehen vorüber. Eine Begegnung mit Freunden in einem Hausrohbau wird inszenatorisch zu einem Thesen-Theaterstück über positive oder negative Lebensauffassung. Im Rathaus wird eine große Abschiedszeremonie abgehalten, zu der Satché viel zu spät auftaucht. Die Honoratioren sind noch da, irgendwelche Stellvertreters-Stellvertreter von Verwaltung und Ministerien; etwas zu trinken ist nicht mehr zu finden. Episodisch wechseln sich so verschiedene Stimmungen, verschiedene Genreformen ab, von witzig bis dramatisch, ein filmisches Panorama nicht nur durch eine afrikanische Stadt, sondern durch das Leben selbst.
Die metaphysische Ebene, die Gomis einflicht, macht den Film zu weit mehr als einem Spaziergang durch afrikanischen Alltag, der irgendwie exotisch und irgendwie interessant auf Außenstehende wirken soll. Es geht Gomis nicht darum, Europäer mit Blicken in den schwarzen Kontinent zu verwöhnen, nein: Gomis taucht ein in afrikanische Erzähl- und Lebensformen, ins Gewöhnliche und Mythische, in die Stadt, in Leben und Sterben von Satché, erzählt in poetischem Realismus mit surrealer Prägung.
Am Ende des Ganges durch die Stadt kehrt Satché nach Hause zurück, zu Frau und Kindern, ein letzter Abend mit der Familie, ein letztes Spiel mit den Kindern, zu seiner Frau, die ihn schweigend straft. Wofür? Dass er sterben wird, dass er weg war, dass er eine andere hatte? Der Film wie Satchés Geist geht über in ein abstrakteres Stadium der Unwirklichkeit, stumm und langsam und traumartig schließt sich der Film um das Leben von Satché.
Fazit: Der Film "Aujourd´hui" von Regisseur Alain Gomis ist ein bisweilen realistischer, bisweilen surrealer Gang durch Dakar auf dem Weg zu einem angekündigten Tod.