Kaum hat Corinna Harfouch ihren Dienst im Berliner "Tatort" angetreten, schon steht ihr selbst gewählter Abschied vor der Tür. Bevor es so weit ist, erwartet uns ein ansehnlicher Krimi, der nicht ganz an die bisherigen Höhepunkte aus der Hauptstadt heranreicht, insgesamt aber für einen unterhaltsamen Krimiabend sorgen dürfte, wie ihr hier in Mareks Kritik erfahrt.
Welche Kommissare ermitteln im "Tatort: Erika Mustermann"?
Vor zehn Jahren erweckte Mark Waschke den Berliner "Tatort" aus dem Dornröschenschlaf, wobei seine kongeniale Partnerin Meter Becker einen mindestens gleichwertigen Anteil an der Wiederentdeckung unserer Hauptstadt als schillernde Krimikulisse für sich beanspruchen darf. Als sich die Schauspielerin 2022 entschied, zu neuen Ufern aufzubrechen, tappten die Verantwortlichen des RBB zum Glück nicht in die Falle, die explosive Chemie zwischen Kommissar Karow und seiner Kollegin Rubin in irgendeiner Form nachstellen zu wollen und schlugen stattdessen ein neues Kapitel an der Spree auf, das nun ebenfalls bald geschlossen wird.
Sie wolle nicht noch mit Mitte Siebzig von Verhaftung zu Verhaftung hetzten, so Beckers Nachfolgerin Corinna Harfouch, die ihr Engagement beim "Tatort" von Anfang an als Gastrolle verstand. Der Kinostar verkörpert die besonnene Kriminalistin Susanne Bernard, die ganz ohne privaten Ballast ihre Arbeit verrichten darf und damit zumindest zwischenzeitlich für eine deutlich ruhigere Dynamik auf dem Revier sorgt.
Die neuentdeckte Berliner Sachlichkeit rückt naturgemäß die eigentlichen Kriminalfälle in den Vordergrund, was im düsteren "Tatort: Am Tag der wandernden Seelen" über die in Vergessenheit geratene vietnamesische Gemeinschaft Ostberlins am besten funktionierte. An dessen Qualität kommt der neuste und bereits vorletzte Krimi mit Corinna Harfouch zwar nicht heran, als unterhaltsamer Krimi funktioniert er aber bestens, sodass niemand zur Fernbedienung greifen muss.
Über wen wir uns in am Sonntag am meisten freuen, verrät euch das Video der besten „Tatort“-Teams.
Worum geht es im "Tatort: Erika Mustermann"?
Lieferdienstfahrer Xavier Weberlein wurde während einer seiner Touren absichtlich überfahren, zumindest findet die Polizei neben seiner Leiche keine Bremsspuren. Doch als Kommissarin Bonard und ihr Kollege Karow seiner Ehefrau die traurige Nachricht übermitteln, betritt das vermeintliche Mordopfer quicklebendig die gemeinsame Wohnung.
Schnell wird klar, dass sich drei ähnlich aussehende Männer aus Venezuela mit dem Ausweis von Weberlein beim Lieferdienst registriert haben und sich den Job unter falscher Identität teilten, weil ihr Aufenthaltsstatus längst abgelaufen ist und sie sich mittlerweile illegal in Deutschland aufhalten. Doch warum musste einer von ihnen sterben? Eine erste Spur führt in die Bundesdruckerei zu einer Security-Mitarbeiterin, die den Toten täglich mit der gleichen Bestellung zu sich lotste...

Mareks "Tatort"-Kritik: Routiniert inszenierter Krimi aus interessanter Perspektive
Ohne loderndes Feuer, dafür auf Zimmerlautstärke haben sich Mark Waschke und Corinna Harfouch auf Anhieb als souverän auftretendes Duo gefunden und auch diesmal wird ihre Ermittlungsarbeit von keinerlei Misstönen gestört. Ein bisschen Good Cop und Bad spielen sie dennoch, wobei die Rollen ihren Charakteren entsprechend klar verteilt sind.
Und so bietet der neuste Berliner "Tatort" genug Raum für seine von Routinier Torsten C. Fischer gefällig inszenierte Geschichte, deren Wendungen für erfahrene Krimi-Profis zwar wenig überraschend daherkommen, die dafür aber ein viel diskutiertes Thema aus einem bislang vernachlässigten Blickwinkel beleuchtet.
Die drei Migranten, die in Deutschland vor den Behörden versteckt um ihre Existenz kämpfen, stammen nicht etwa aus Syrien oder Afghanistan, sondern sind vor den katastrophalen Zuständen in den Favelas von Venezuela geflüchtet. Das Todesopfer hat sogar eine Niere verkauft, um seine Flucht zu finanzieren, so prekär sind mittlerweile die Lebensumstände innerhalb der sozialistischen Diktatur von Staatspräsident Maduro geworden, die in hiesigen Nachrichtensendungen meist nur eine Randnotiz bilden.
Neben dieser unverbrauchten Erzählperspektive überzeugt vor allem Gaststar Annett Sawallisch in der Rolle der undurchsichtigen Security-Mitarbeiterin der Bundesdruckerei, die ihre ambivalente Figur inmitten von Schleusern und Schmugglern um einige unvorhersehbare Facetten bereichert, die der ansonsten mäßigen Spannungskurve den nötigen Schwung verleiht. Und so mag der "Tatort: Erika Mustermann" zwar kein neuerliches Berliner Meisterwerk geworden sein, ein gelungener Krimi ist er unterm Strich aber allemal. Das große Finale 2026 kann jedenfalls kommen.
Der "Tatort: Erika Mustermann" wurde am Sonntag, den 2. November 2025 um 20:15 Uhr in der ARD ausgestrahlt und ist jetzt für sechs Monate in der Mediathek als Wiederholung im Stream verfügbar.


