Der neuste "Polizeiruf 110: Tu es!" fordert uns mit einer komplexen Geschichte heraus, die für Außenstehende schwer zu greifen sein dürfte. Doch auch sie sollten vom intensiven Spiel seiner Hauptdarstellerin begeistert sein, wie ihr in Mareks Kritik erfahrt.
Welche Kommissare ermitteln im "Polizeiruf 110: Tu es!"?
Mit seiner konsequent horizontalen Erzählweise und dem Fokus auf die abgründigen Biografien seiner Figuren kreierte der Rostocker "Polizeiruf 110" vor nunmehr 15 Jahren einen Gegenentwurf zur konventionellen Kriminalunterhaltung am Sonntagabend und blieb seiner Linie auch nach dem Ausstieg von Charly Hübner treu.
Mittlerweile hat sich seine Nachfolgerin Lina Beckman, im echten Leben Hübners Ehefrau, bestens in den nach wie vor sehr speziellen Rostocker Krimi-Kosmos eingefügt. Dass hinter der robust herzlichen Fassade ihrer Kommissarin ebenfalls ein dunkles Geheimnis lauert, war von Anfang an spürbar, entlud sich dann aber erst im vorangegangenen "Polizeiruf 110: Böse geboren", an dessen Handlung der aktuelle Krimi nahtlos anknüpft.
Ein kurzes Gespräch zwischen Melly Böwe und Revierleiter Henning Röder muss reichen, um uns die dramatischen Enthüllungen der jüngeren Vergangenheit ins Gedächtnis zu rufen, schließlich hat sich Autor Florian Oeller viel vorgenommen. Parallel zum emotionalen Ausnahmezustand seiner Kommissarin hat er zwei Mordfälle, die Geschichte eines Lehrers kurz vor dem Nervenzusammenbruch sowie eine Anklage gegen das Internet als rechtsfreien Raum in sein Drehbuch gezwängt, was in Anbetracht der ihm zur Verfügung stehenden Sendezeit ein sportliches Unterfangen ist.
Herausragend vorgetragen ist sein "Polizeiruf 110" dennoch, weshalb Melly Böwe und ihre Kollegin Katrin König einen der vorderen Plätze in unserem Video der besten "Tatort"-Teams belegen würden, wenn sie denn bei der Konkurrenz ermittelten.
Worum geht es im "Polizeiruf 110: Tu es!"?
Eine junge Frau schießt zunächst auf Kommissar Pöschel, richtet dann die Waffe auf sich selbst und drückt ab. Einige Wochen später kommt es mitten in Rostock zu einem erweiterten Suizid, der eine unbeteiligte Mutter in den Tod reißt. Auf dem Handy des Täters findet die Polizei eine SMS mit dem Wortlaut "Tu Es!", abgesendet von Lehrer Sebastian Lange, der bereits in der Vergangenheit in einem weiteren Selbstmordfall polizeilich vernommen wurde. Hat Lange seine Schützlinge etwa dazu angestiftet, ihrem Leben ein Ende zu setzen?
Nachzuweisen ist dem zunehmend aggressiv auftretenden Lehrer nichts, dass der sich bereits mit Sprengstoff versorgt hat, können Böwe und König zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen. Zu allem Überfluss teilt Rose Böwe ihrer Mutter ebenfalls per SMS mit, dass sie keinen Kontakt mehr zu ihr wünscht, was der Kommissarin endgültig den Boden unter den Füßen wegzieht.
Mareks „Polizeiruf 110“-Kritik: Lina Beckman stellt alle in den Schatten
Keine Frage, schauspielerisch ist das, was wir an diesem Sonntag zu sehen bekommen, ganz großes Kino. Sebastian Jakob Doppelbauer als desillusionierter Lehrer, der sich in eine tickende Zeitbombe verwandelt, ist eine Wucht und auch das Personal auf der Wache erledigt seine Aufgaben gewohnt souverän.
Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Leistung von Lina Beckman. Allein, wie sie die Marotten ihrer Figur selbst im Augenblick tiefster Verzweiflung beibehält, ist außergewöhnlich und stellt so manche mit einem Oscar prämierte Vorstellung aus Hollywood locker in den Schatten
Als Gesamtkonstrukt kann der überfrachtete "Polizeiruf 110" hingegen nicht auf ganzer Linie überzeugen. Die immer neuen Baustellen, die er aufmacht, sind irgendwann mindestens eine zu viel, was besonders der ursprünglichen Kriminalgeschichte nicht gut tut, die Stück für Stück in den Hintergrund gedrängt wird.
Verstehen wir uns nicht falsch, die Sichtung des mittlerweile 30. Rostocker Krimis ist wie die seiner meisten Vorgänger ein Erlebnis, nur dass beim Einsetzen des Abspanns der Gedanke hängen bleibt, dass diesmal vielleicht etwas weniger mehr gewesen wäre.
Der "Polizeiruf 110: Tu es!" mit Lina Beckman und Anneke Kim Sarnau wurde am Sonntag, den 19. Oktober 2025 um 20:15 Uhr in der ARD ausgestrahlt und ist jetzt für sechs Monate in der Mediathek als Wiederholung im Stream verfügbar.
