Comedian Harmonists: Hommage an die dreißiger Jahre A-Capella-Formation. Success-Story und feinfühliges Zeitporträt.
Wo „Comedian Harmonists“ draufsteht, sind auch komödiantische Harmonien drin. Mit Spannung erwartet, ist Joseph Vilsmaiers Verbeugung vor dem berühmten Vokalsextett aus den dreißiger Jahren ein handwerklich wie immer makelloser, wunderschön altmodischer Film geworden, der eine fröhlich-überbordende Aufsteiger-Geschichte mit feinfühligem Zeitporträt verbindet und vor allem in der zweiten Hälfte auch melodramatische Züge annimmt.
Schuhe werden auf Hochglanz poliert, Frisuren und Schnurrbärte in Form gezwirbelt, als die noch nicht glorreichen Sechs sich während der Anfangstitel auf ihren ersten Auftritt vorbereiten. Mit einer Rückblende setzt die Handlung dann ein: wie in Carl Spitzwegs „Armer Poet“ haust Arrangeur Harry Frommermann (Ulrich Noethen meistert seine erste bedeutende Kinorolle mit Bravour) in einer Dachwohnung, in der auch die Talentsuche stattfindet. Dort stellt sich der Statist Robert Biberti (Ben Becker als großspurig-sympathischer „Manager“) in seinem Mönchskostüm vor und läßt seinen Bass im Brustton erklingen. Die restlichen vier bringt Biberti schnell ins (Sing-)Spiel: der sich vor schmachtenden Frauen als trällernder Kellner verdingende Bulgare Ari Leschnikoff (Max Tidof aus „Abgeschminkt“ fröhlich überdreht) begrüßt alle mit schmatzendem Mundkuß. Den verschlafenen Klimperer Erwin Bootz (Kai Wiesinger sehr zurückgenommen als moralisch schwaches Glied der Truppe) holen sie aus dem Bett seiner Freundin. Der Dandy mit Monokel, Erich Collin (vom Außerirdischen Heinrich „Harald“ Schafmeister ein wenig blaß dargestellt) und der hyperkorrekte, immer freundliche Roman Cycowski (Heino Ferch konträr zu seiner Rolle in „Winterschläfer“) komplettieren das Sextett, das sich mit „Veronika, der Lenz ist da“ fröhlich ans Proben macht und Vilsmaier in den zahlreichen Playback-Musikszenen ausreichend Gelegenheit für Referenzen an den deutschen Revuefilm der fünfziger Jahre gibt. Das ist auch der Startschuß für eine vielversprechende Karriere, die im klassischen Zeitraffer in überblendeten Zeitungsschlagzeilen, Plattencovern und Pressefotos anrollt - inklusive obligatorischer Fahrt nach Amerika. Diese hätte auch fast die Freiheit für das Sextett bedeutet, das in seiner Heimat trotz aller Popularität mehr und mehr Schwierigkeiten mit den Nazis bekommt. Eine beim Musikdirektor erwirkte Gnadenfrist für das zur Hälfte jüdische Sextett ist nicht von Dauer. In München gibt die A-capella-Formation in der anrührendsten Szene des Films mit Tränen in den Augen ihr Abschiedskonzert.
Der gelernte Musiker Joseph Vilsmaier versuchte mit seinem jahrelang gehegten und gepflegten Projekt um die legendären Vokalartisten, sechs Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Klar, daß im Rahmen eines zweistündigen Films nicht alle Figuren gleich komplex ausgearbeitet sein können. Also konzentriert sich Vilsmaier auf das Freundes-Rivalen-Duo Harry und Berti und deren gemeinsame Geliebte Erna (von Ben Beckers Schwester Meret natürlich-frisch gespielt), während die erotischen Eskapaden der anderen Figuren zum Teil nur angerissen werden. Bei der authentischen Atmosphäre und dem großzügigen Produktionsdesign der frühen Dreißiger konnte sich Vilsmaier voll und ganz auf den Oscar-Preisträger Rolf Zehetbauer („Cabaret“) verlassen, der bereits „
Schlafes Bruder“ ausstattete. Der ehrgeizige Regisseur, Kameramann und Produzent in Personalunion lieferte mit seiner Hommage ein Stück Kino, das alles hat: Witz, Dramatik, Glamour und Historie, auch wenn bei der schieren Masse des Materials das eine oder andere dramatische Detail untergehen muß. Eine Oscar-Nominierung mag „Comedian Harmonists“ durch die Lappen gegangen sein, die Aufmerksamkeit des deutschen Publikums ist ihm indes sicher. hai.