Den „Tatort“ gestern verpasst? Er ist wirklich empfehlenswert. Warum, erfahrt ihr in Krizzis Tatort-Check.
Es ist vier Jahre her, dass das Ermittler-Team Nick Tschiller (Til Schweiger) und Yalcin Gümer (Fahri Yardim) im „Tatort“ „Fegefeuer“ auf den heimischen Bildschirmen zu sehen war. Der letzte Film mit den beiden, „Tschiller: Off Duty“ musste dann an den Kinokassen bestehen und war eine direkte Fortsetzung der zwei „Tatort“-Folgen zuvor. Die neue Folge „Tschill Out“, die am Sonntag, den 5. Januar 2020 ab 20:15 Uhr in der ARD zu sehen ist, wurde erstmals nicht von Christoph Darnstädt geschrieben und von Christian Alvart inszeniert, sondern entstand unter der Feder und Leitung von Eoin Moore, der schon lange für Drehbücher und Regie beim Rostocker „Polizeiruf“ verantwortlich zeichnet.
Welche Kommissare ermittelten im „Tatort“ gestern?
Die beiden Hamburger Kriminalhauptkommissare Tschiller und Gümer lösten am Sonntag ihren sechsten Fall. Ihre Methoden sind oftmals unorthodox und keinesfalls immer gewaltfrei. Tschiller ist eher schlicht gestrickt, ihm geht es um Gerechtigkeit und nicht um die soziologisch-psychologischen Hintergründe der Tat. Daher fragt er weniger, packt dafür aber schneller zu. Sein Kollege Gümer ist ruhiger, bedachter und technisch begabt, also der perfekte Partner für Tschiller. Falls ihr mit den beiden und den fünf Fällen vorher nicht vertraut seid, bekommt ihr im nächsten Absatz die notwendigen Informationen, da die Tschiller-Tatorte inhaltlich aufeinander aufbauen.
„Tatort“ gestern: Worum geht es in „Tschill Out“?
Tschillers Frau wurde in „Fegefeuer“ (2016 – Doppelfolge mit „Der große Schmerz“) vor seinen Augen erschossen. Seine Tochter Lenny (Luna Schweiger) will ihren Tod rächen, gerät in Schwierigkeiten und kann knapp von ihrem Vater vor dem Tod bewahrt werden. Aufgrund der Ereignisse bekommt Hauptkommissar Tschiller ein Disziplinarverfahren aufgebrummt. Und darauf wartet er auf der Insel Neuwerk, die nur einmal am Tag von einer Fähre angesteuert wird. Er wirkt gebrochen, ist immer noch von den furchtbaren Geschehnissen traumatisiert. Auf der Insel betreut er Jugendliche, die auch nicht gut mit ihrem Leben zurechtkommen. Seine Tochter hat ihm den Trip verordnet, damit er mal runterkommt.
Sein Kollege Gümer transportiert derweil zwei Kronzeugen, doch auf einem Parkplatz kommt es zu einer Schießerei, einer der beiden Brüder, die gemeinsam eine Punk-Band haben, wird erschossen. Gümer bringt den Jungen auf die Insel zu Tschiller, das wirft Probleme auf, denn der Kronzeuge und linke Staatsfeind Tom Nix (Ben Münchow) schwebt in Lebensgefahr. Er soll gegen Drogenhändler aussagen. Gümer kann sich den Vorfall nicht anders erklären, als dass es einen Maulwurf in den eigenen Reihen geben muss, wie sonst hätten die Angreifer wissen können, wo sich die Kronzeugen aufhalten. Während also Gümer in alle Richtungen ermittelt und misstrauische Beobachtungen anstellt, muss Tschiller nicht nur auf die Kids, sondern auch auf Tom aufpassen. Aber nichts ist so, wie es zunächst scheint, denn außer den Drogengeschäften hatte Toms Bruder noch ganz andere Sachen am laufen…
Krizzis Tatort-Check: Spannend vom Anfang bis zum Schluss
Keine Angst vor zu viel Action! Wer sich bislang mit den Tschiller-Tatorten nicht so anfreunden konnte, sollte am Sonntag die Gelegenheit nutzen und ihm noch einmal eine Chance geben. Es geht sehr ruhig zu, eben wie auf einer Insel, die nur einmal am Tag von der Fähre angefahren wird.
Tschiller hat die schrecklichen Erlebnisse in der Vergangenheit nicht gut verarbeitet, er braucht eine Pause, aber er sucht die Ablenkung. Doch kann man anderen helfen, wenn man selbst so hilflos ist? Seine pädagogischen Fähigkeiten werden jedenfalls gleich zu Beginn auf eine harte Probe gestellt. Statt zum Lesen, motiviert er den Neuzugang Nietzsche zum Messerwurf. Das ist witzig und tiefsinnig zugleich. Und es bleibt ein subtiles Thema der gesamten Folge: Wie können wir nach traumatischen Erfahrungen heilen? Wie können wir anderen dabei helfen?
Bemerkenswert ist, dass die Spannung die gesamten 90 Minuten lang gehalten werden kann und jeder der Handlungsstränge interessant ist. Wer ist der Maulwurf? Was für Geschäfte haben die beiden Kronzeugen-Punker wirklich gemacht? Am Ende ist alles anders als wir dachten…
Fazit
Auch dieser Tschiller-Tatort kommt ohne die klassischen Ermittlungsfragen aus, die Til Schweiger so gar nicht mag. Dennoch geht es wesentlich kriminalistischer zu als in den Folgen bisher und die wilden Action-Szenen bleiben aus. Die eingestreuten Witze sorgen für kleine Lacher ohne die grundsätzlich vorhandene Spannung zu zerstören. Die jugendlichen Nebendarsteller*innen sind top, der Schauplatz auf der Insel ist sehr atmosphärisch. Der Plot ist überzeugend, voller überraschender Wendungen und fesselnd. Ein überzeugender Neustart für dieses Tatort-Team und 90 Minuten gelungene, stimmungsvolle Unterhaltung bevor die Woche wieder anfängt.
Kleiner Fun-Fact zum Schluss: Der Darsteller des Sängers Tom Nix, Ben Münchow, ist auch in der Realität Sänger einer Band aus Hamburg, dem „kollektiv22“ (auf YouTube anschauen). Das Lied „Nix als Liebe“, das in der Folge zu hören ist, stammt von ihm selbst. Außerdem konnte er beim äußeren Erscheinungsbild seiner Rolle mitbestimmen.
Die „Tatort“-Episode „Tschill Out“ wird am Sonntag, den 5. Januar 2020 um 20:15 Uhr in der ARD ausgestrahlt, um 21:45 Uhr auf ONE und ist anschließend in der Mediathek als Wiederholung im Stream verfügbar. Der nächste „Tatort“ („Kein Mitleid, keine Gnade“) erscheint am Sonntag, den 12. Januar 2020.
Ihr kommt regelmäßig und vermisst „Mareks Tatort-Check“? Keine Sorge, er ist ab Februar 2020 wieder für euch da.
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