Nur noch fünf Einsätze, dann verabschiedet sich das wohl beständigste aller „Tatort“-Teams in den Ruhestand. Warum der mittlerweile 96. Münchner Krimi trotz seines außergewöhnlichen Settings nicht an die ganz großen Erfolge der beiden Urgesteine herankommt, erfahrt ihr hier in der Kritik zum „Tatort: Charlie“.
Welche Kommissare ermitteln im „Tatort: Charlie“?
Als Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl zum ersten Mal in den BMW stiegen, war Max Streibl bayerischer Ministerpräsident und der große FCB erreichte in der Bundeliga nur Platz 10. 34 Jahre sind seitdem vergangen, 95 zum Teil herausragende, mindestens aber solide bis starke Münchner Krimis liegen dazwischen. Die Hundert wollen die in Ehren ergrauten TV-Kommissare noch voll machen, dann endet eine Ära, die in der Geschichte des „Tatorts“ ihresgleichen sucht.
Bevor es so weit ist, betreten die beiden Routiniers aber noch einmal Neuland, zumindest in Hinsicht auf die Kulisse. Gedreht während eines echten NATO-Manövers auf dem Truppenübungsplatz in Hohenfels überrascht ihr neuster Einsatz mit einem am Sonntagabend bislang komplett vernachlässigten Setting, das Drehbuchautorin Dagmar Gabler zu einem vielschichtigen „Tatort“ inspirierte, dessen eigentlicher Kriminalfall aber irgendwann fast vollständig vom Radar verschwindet. Und so ist es ausgerechnet die sonst im Freistaat als gegeben erachtete Kernkompetenz, die ungeahnte Schwächen aufweist. Um ihren vorderen Platz im Video der besten „Tatort“-Teams brauchen sich Ivo Batic und Franz Leitmayr aber keine Sorgen zu machen.
Worum geht es im „Tatort: Charlie“?
Die Leiche einer jungen Frau in einem Humvee der in Bayern stationierten US-Armee beschert der Münchner Polizei einen Einsatz in US-amerikanischem Hoheitsgebiet. Franz Leitmayr fürchtet sogleich ein zähes Kompetenzgerangel, doch die US-Militärpolizei zeigt sich in Form der schwangeren Majorin Jennifer Miller durchaus kooperativ. Und so darf sein Kollege Batic schnell einer seiner Lieblingsbeschäftigungen nachgehen und sich undercover unter die sogenannten „Civilians on the Battlefield“ mischen.
Auch die Ermordete war eine Komparsin, die während des NATO-Manövers jemanden aus der Bevölkerung eines einzunehmenden Dorfes spielen sollte, um die Kriegssimulation möglichst authentisch wirken zu lassen. Während Batic in eine raue Parallelwelt eintaucht, entdeckt sein Kollege Leitmayr eine weitere Leiche, diesmal direkt auf dem Gelände der US-Army.
Mareks „Tatort“-Kritik: Kinoreife Kriegssimulation, die ihre eigentliche Geschichte aus den Augen verliert
Der neuste Bayerische „Tatort“ präsentiert uns zweifelsfrei eine der spektakulärsten Kulissen, die je an einem Sonntagabend im Rahmen eines ARD-Krimis zu bestaunen waren. Die kinoreife Kameraarbeit von Peter von Haller holt auf der visuellen Ebene alles aus dem ungewohnten Schauplatz heraus und auch das Drehbuch verfügt über einige Facetten, die weit über die Grenzen eines gewöhnlichen Whodunit hinausgehen. Bestes Beispiel hierfür ist die feinfühlig gespielte Begegnung zwischen dem aus Kroatien stammenden Batic und der Serbin Mila Kovac, die ihre im Jugoslawienkrieg erlittenen Traumata ausgerechnet in einer Kriegssimulation bewältigen will.
Deutlich grobschlächtiger kommt hingegen Franz Leitmayrs Disput mit der US-Majorin Miller über den Sinn von Kriegseinsätzen daher, von deren aufgesetzt wirkender Versöhnung ganz zu schweigen. Sowieso kommt die eigentliche Polizeiarbeit nie richtig in Gang und auch die Kriminalgeschichte verliert in Anbetracht der vielen Handlungsstränge immer mehr an Bedeutung, was die dann doch recht flacht geratene Spannungskurve nicht gerade befeuert. Und so überwiegt trotz starker Momente am Schluss ein wenig der Eindruck, dass diesmal mehr drin gewesen wäre. Sehenswert ist der neuste Münchner „Tatort“ aber dennoch, auch wenn er sich nicht zwischen den oberen Plätzen im bayerischen Portfolio einreihen kann.
Der „Tatort: Charlie“ wurde am Sonntag, den 2. März 2025 ausnahmsweise erst um 20:20 Uhr in der ARD ausgestrahlt und ist jetzt in der Mediathek für sechs Monate als Wiederholung im Stream verfügbar.