Die Vorstellung eines vollautomatisierten Heims ist zwar noch jung, aber älter als manche vielleicht vermuten. „Cassandra“ auf Netflix erzählt eine fiktive Geschichte, hier steht mehr über die realen Vorbilder.
In der Netflix-Serie „Cassandra“ bekommt es die Familie mit einem charmanten Smart-Home im Retro-Chic der 1970er-Jahre zu tun. Es stellt sich allerdings recht schnell heraus, dass sich das schlaue Eigenheim vor allem für sich selbst einsetzt und der Charme auf der Strecke bleibt. Wenn ihr die Serie schaut, stellt ihr euch vielleicht die Frage, wie lange es solche automatisierten Häuser schon gibt.
Was ist ein Smart-Home?
Smart-Home ist ein Oberbegriff für verschiedene Systeme und technische Vorgehensweisen, die eine Gebäudeautomation in Wohnräumen zum Ziel haben. Zentral dabei sind die Vernetzung und Fernbedienbarkeit der verschiedenen Geräte und Steuerungssysteme. Eingesetzt werden kann das in allen denkbaren Bereichen des Wohnens – Sicherheitstechnik, Haushaltsgeräte, Lichttechnik und mehr, per App oder Fernbedienung steuerbar. Das alles verfügt dann möglicherweise über eine programmierbare Schnittstelle, die über das Internet erreicht werden kann. Diese ist zumeist auch das Einfallstor für Hacker, ermöglicht aber auch das Anschalten der Heizung oder das Herunterlassen der Rollos, bevor man den Heimweg antritt.
Wie die smarte Einrichtung in der Netflix-Serie aussieht, zeigt euch der Trailer:
Eine kurze Geschichte des Smart-Homes: Mit dem Staubsauger ging es los
Dass wir mittels Technik unseren Alltag erleichtern, gehört zu unserer Evolution. Mit dem Aufkommen der Elektrizität hat auch die technologische Entwicklung zur Vereinfachung der Hausarbeit rasant Fahrt aufgenommen. Diverse elektronische Geräte, die für uns heute selbstverständlich sind, entstanden, nicht alle waren gleichermaßen sofort bei allen akzeptiert. Meine Oma zum Beispiel hat einer Waschmaschine sehr lange nicht über den Weg getraut. Wenn etwas wirklich sauber werden sollte, wurde es auf dem Herd gekocht. Andere technikaffine Menschen in ihrem Alter haben aber schon zu dieser Zeit viel weiter gedacht. So zitiert smartest-home.com einen Artikel aus dem „Popular Mechanics Magazine“ von 1939, in dem die Idee eines automatischen Zuhauses bereits skizziert ist.
- Den gedanklichen Startschuss für das Smart-Home, wie es in „Cassandra“ eine Rolle spielt, verorten die meisten in den 50er- bis 60er-Jahren, dabei wird oftmals die Kurzgeschichte „There Will Come Soft Rains“ von Ray Bradbury erwähnt. Auch da stellt sich der Autor ein Haus vor, das die Aufgaben selbst erkennt und übernimmt und mit KI ausgestattet ist, sodass es sich selbst schützen kann.
- Die erste technologische Umsetzung war wohl der Electronic Computing Home Operator, kurz ECHO IV genannt v 1966 vom US-amerikanischen Ingenieur James Sutherland auf die Welt gebracht, 360 Kilogramm schwer und groß wie ein Raum. Er schaffte es nicht bis in den Handel, konnte aber den Fernseher einschalten, Temperatur regeln und alle im Haus wecken, was „Cassandra“ ja auch auf ihre ganz eigene Art gerne tut. Bis 1976 arbeitete der ECHO IV in Sutherlands Haus, 1984 wurde er dem Computer Museum in Boston gespendet. Ein ganz klarer Vorfahre von „Cassandra“.
- 1966 wurde auch der erste Chatbot mit dem Namen ELIZA vorgestellt. Es war ein Programm des Informatikers Jospeh Weizenbaum. Er funktionierte in Schriftform. 2011 kam mit dem iPhone 4s „Siri“ auf den Markt und assistierte den User*innen per Spracheingabe.
- In den 1960ern finden wir außerdem in der Industrie schon vernetzte Gebäude in Form von Störmeldesystemen.
- 1973 kam SPS auf den Markt. Eine speicherprogrammierbare Steuerung, die auch für Smart Homes eingesetzt wurde.
- 1975 kam das X10 auf den Markt, ein stromleitungsbasiertes Netzwerkprotokoll zur Gebäudeautomation, das, bei entsprechenden Voraussetzungen, sogar schon Plug&Play in der Steckdose funktionierte und vornehmlich in den USA Verbreitung fand.
- Verschiedenste Assistenten für den Heimbereich wurden in den folgenden Jahren entwickelt, aufgrund von Größe und Preis fanden sie wenig Zuspruch in der Bevölkerung.
- Große Fortschritte machte die Sache dann ab den 90er-Jahren, als Mäh- und Saugroboter langsam den Markt eroberten und die Preise auch für smarte Beleuchtung und andere Schaltungsmöglichkeiten im eigenen Zuhause abnahmen.
- Heutzutage sind sprachgesteuerte Assistenten für Beleuchtung, Unterhaltungselektronik und andere Bereiche des Haushalts weit verbreitet. Viele Dienstleistungsfirmen und Hersteller werben um die Gunst, ein komplettes Smart-Home aus euren vier Wänden machen zu können. Smartes Energiemanagement kann Strom- und Heizkosten sparen, Automatisierung erleichtert den Alltag und kann die Sicherheit erhöhen, im Alter hilft ein smartes Zuhause bei der Verrichtung alltäglicher Routinen.
Vielleicht gibt es irgendwo ein verlassenes Smart-Home aus vergangenen Jahrzehnten?
Es ist also theoretisch möglich, dass sich ein sehr reicher Architekt schon in den 1970er-Jahren eine Art „Cassandra“-Haus ausgedacht hat. So ausgefallen wie in der Serie war es aber wohl kaum. Die Rechner von damals waren eben sehr groß und für heutige Verhältnisse sehr langsam. In der heutigen Zeit gibt es allerdings einige Smart-Haus-Bauprojekte mehr, beispielsweise werdet ihr hier fündig.
Wirklich gruselige Fälle, die im Zusammenhang mit einer Haus-KI ans Tageslicht gekommen sind, haben wir nicht finden können. Zumeist sind Zwischenfälle auf eine Funktionsstörung zurückzuführen, beispielsweise, wenn sich das Licht dauernd an- und ausschaltet oder die Anlage sonderbare Geräusche macht, was durchaus beängstigend wirken kann. Die Idee allerdings, dass sich die automatisierte Behausung bewusst gegen die Bewohnenden wendet, ist bereits in der Fantasie zahlreicher Autor*innen behandelt worden und hat viel Potenzial für Spannung und schwarzen Humor.
Wie gut dieses Potenzial sechs Folgen „Cassandra“ auf Netflix nutzen, könnt ihr auf der Plattform selbst überprüfen. Wie gut ihr euch mit Netflix auskennt, erfahrt ihr in diesem Quiz: