Das französische Drama Welcome von Regisseur und Drehbuchautor Philippe Lioret besichtigt mit unbeschönigtem Realismus einen Teil des gegenwärtigen Frankreich, den nicht einmal die Einheimischen kennen. Zumindest schaut der Schwimmlehrer Simon nicht hin, wenn in seiner Heimatstadt Calais junge Araber nicht in einen Laden eingelassen werden oder frierend am Hafen stehen und auf die Mahlzeit warten, die eine Wohlfahrtsorganisation austeilt. Doch als Simon den 17-jährigen Flüchtling Bilal kennen lernt, wird er selbst zur Zielscheibe für Repressionen der Behörden.
Das riesige Hafengelände von Calais am Ärmelkanal ist Zielort Tausender illegaler Einwanderer, die nach England wollen. Doch die Behörden bewachen die Grenze lückenlos. Sie suchen die Lastwägen, in denen sich Flüchtlinge verstecken könnten, mit Herzschlag- und Atemluftdetektoren ab. Bilal und seine Gruppe, die sich in einem Laster versteckt, stülpen sich deswegen Plastiktüten über den Kopf. Doch Bilal gerät in Panik und die Polizei holt alle aus dem Fahrzeug.
Man sieht Bilal fortan am Hafen mit unzähligen anderen obdachlosen Flüchtlingen auf die Essensausgabe einer Hilfsorganisation warten. Und weil Bilal erzählt, dass er im Schwimmbad geduscht hat, stürmen alle das Bad nur um von Simon rausgeworfen zu werden. Der vom Leben enttäuschte ehemalige Sportler, den seine Frau verlassen hat, beginnt sich für seinen ehrgeizigen Schüler Bilal zu interessieren. Zwar möchte er anfangs nur Eindruck bei seiner Frau schinden, als er Bilal und einen Kumpel in seine Wohnung mitnimmt. Doch dann erwacht auch sein rebellischer Geist, weil die Behörden ihn ins Visier nehmen. Entgeistert muss Simon feststellen, dass es illegal ist, die Flüchtlinge in Calais im Auto mitzunehmen, und erst recht, sie bei sich übernachten zu lassen.
Welcome ist in diesem schonungslosen Drama die Aufschrift auf dem Fußabstreifer des Nachbarn von Simon. Der Mann schaltet die Polizei ein, als er Simon mit den beiden Fremden ins Haus kommen sieht. Simon wird von Vincent Lindon als herzlicher Mensch unter einer rauen Schale gespielt, der Laiendarsteller Firat Ayverdi zeigt Bilal als schüchternen, aber von seinem Schwärmen für Mina beflügelten Jugendlichen. Umsonst versucht Simon, ihn von seinem Fluchtplan nach England abzubringen. Sogar die Telefonanrufe von Mina, die an einen anderen Mann verheiratet werden soll und ihm rät, nicht nach London zu kommen, bewirken das Gegenteil: Bilal schwimmt los.
Regisseur Lioret inszeniert das Drama mit staunendem Blick für ein Frankreich, das er zum ersten Mal sieht. Der Alltag der illegalen Einwanderer, die auf dem riesigen Hafengelände herumstehen und nicht nach England dürfen, aber in Calais unerwünscht sind, ist streng abgeschnitten von dem Leben der Einheimischen. Freundschaften wie die zwischen Bilal und Simon sollen gar nicht erst entstehen. Doch die Abschottung vor dem Flüchtlingselend bedeutet auch die Beschneidung der Freiheit und Bürgerrechte für die Einheimischen: Diese Verknüpfung thematisiert das zeitgenössische Kino zurzeit auch in Frankreich.
Fazit: Das realistische Drama beleuchtet die Ausgrenzung illegaler Einwanderer in der französischen Hafenstadt Calais.