The Statement: Die Geschichte eines ehemaligen Nazi-Scharfrichters, der das Ziel von Killern und Polizeiermittlern wird.
Film und Politik zu kombinieren, Stellung zu beziehen und auf unangenehme gesellschaftliche Wahrheiten hinzuweisen, das versteht der Kanadier Norman Jewison in seinen Arbeiten bestens. Sein bevorzugtes Thema ist die Rassendiskriminierung, siehe etwa „In der Hitze der Nacht“, „Sergeant Waters - Eine Soldatengeschichte“ oder zuletzt „Hurricane“. In „The Statement“ geht es nun um einen französischen Nazi-Kollaborateur, den die Vergangenheit, der er sich nicht stellen mag, einholt. Den Kriegsverbrecher spielt Michael Caine, souverän wie immer - und allein seinetwegen lohnt schon der Kinobesuch. Auf dessen klingenden Namen ruhen denn auch die Erfolgaussichten dieses heiklen, souverän umgesetzten Stoffes.
Der berüchtigte Nazi-Handlanger Paul Touvier inspirierte Romanautor Brian Moore („Black Robe“) 1997 zum hochgelobten Roman „The Statement“, den nun Norman Jewison und sein renommierter Drehbuchautor Ronald Harwood („Der Pianist“) mit viel Gespür und - zumindest für kanadische Verhältnisse - großem Budget für die Leinwand adaptiert haben. Nach einem kurzen Rückblick ins Jahr 1944 - sieben Juden werden von Hitlers willfähriger Vichy-Miliz zusammengetrieben und hingerichtet -, setzt die Handlung 1992 in der Provence ein. Hier lebt, zurückgezogen in einem Kloster, Pierre Brossard. Unauffällig, bebrillt, gebeugt und vom Leben gezeichnet, sieht der Mann aus, als könnte er keiner Fliege etwas zu Leide tun. Bis er sich gegen einen gedungenen Killer zur Wehr setzen muss, diesen mit einem gezielten Schuss blitzschnell ausschaltet und sich nonchalant der Leiche entledigt. Keine Frage, der Mann ist ein Profi - im Töten, Überleben und Fliehen.
Routiniert setzt Norman Jewison, seit 1962 höchst erfolgreich im Kinogeschäft tätig und 1999 mit dem Irving G. Thalberg Award ausgezeichnet, seine Geschichte in Gang und stellt die Personen vor - den Kriegsverbrecher Brossard, seine gnadenlose Jägerin, die kompromisslose Richterin Livi (gegen den Strich besetzt: Tilda Swinton) sowie deren kompetenten Helfer, den Militäroberst Roux (unauffällig-solide: Jeremy Northam). Und dann geht sie los, die Hatz auf den hakenschlagenden Mann ohne Eigenschaften, der von höchsten kirchlichen Kreisen unterstützt und von Politgrößen gedeckt wird. Ähnlich wie bei „Der Schakal“ ist der Täter dabei seinen Häschern stets eine Nasenlänge voraus und entkommt immer wieder jeder noch so raffiniert gestellten Falle. Skrupellos geht er vor, gnadenlos, menschenverachtend und sucht anschließend sein Seelenheil beim Gebet und in der Beichte.
Trotz hinreichend vorhandener, gut umgesetzter Action, perfektem Spannungsaufbau und ausgeklügelter Story liegt das Interesse des Filmemachers jedoch eindeutig anderswo. Um die langen Schatten der Vergangenheit geht es dem ewigen Moralisten Jewison, einmal mehr um Schuld und Sühne, um Täter und Mitläufer sowie - höchst brisant - die (mögliche) Mithilfe der Katholischen Kirche am Holocaust. Vergangenheitsbewältigung wird hier betrieben, präsentiert als spannendes Drama, getragen von vorzüglichen Schauspielern. Allen voran muss da der zweifache Oscar-Preisträger Michael Caine, der jüngst als „Der stille Amerikaner“ glänzte, genannt werden. Er trifft den Ton, in (Körper-)Sprache und Mimik, als Bittsteller, als eiskalter Killer und als entfremdeter Ehemann von Charlotte Rampling, der er in zwei grandiosen Szenen geradezu spürbar das Fürchten lehrt. Wunderbare Kurzauftritte absolvieren zudem der jüngst verstorbene Alan Bates, Ciarán Hinds („Lara Croft“) sowie Frank Finlay als Kommissar Vionnet.
Auf technischer Ebene versiert, jedoch eher unauffällig gestaltet, spiegeln die lichtdurchfluteten, flirrenden Bilder Südfrankreichs (Kamera: Kevin Jewison) dennoch die hitzigen, brandgefährlichen Machtspiele derer wider, die in Wahrheit im Hintergrund die Fäden ziehen. Jäger und Gejagte, so lautet ein ehernes Gesetz beim guten Polit-Thriller, sind stets nur die Bauern auf dem Schachbrett. Die Züge führen andere aus - und die Kiebitze fiebern fasziniert mit. geh.