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Kritik zum Horror-Remake von „Speak No Evil“: So unangenehm war kaum ein Kinobesuch

Kritik zum Horror-Remake von „Speak No Evil“: So unangenehm war kaum ein Kinobesuch
© Universal Pictures

Ebenso fesselnd wie verstörend: Wie die Familie im Film wollte ich der Situation am liebsten entfliehen, konnte mich dem Psychospiel auf der Leinwand jedoch nicht entziehen.

Der dänische Psycho-Thriller „Gaesterne“, auch bekannt unter dem Namen „Speak No Evil“, sorgte mit seiner perfiden und verstörenden Inszenierung für Aufsehen. Knapp zwei Jahre später läuft, ebenfalls unter dem Titel „Speak No Evil“, das Hollywood-Remake des gefeierten und gefürchteten dänischen Horrorhits ab sofort in den deutschen Kinos. Ähnlich wie im Original wird in der Neuverfilmung von Blumhouse der Urlaub zum Horrortrip, als die malerische Idylle vom seltsamen Verhalten des Gastgebers überschattet wird. Die in den USA lebende Familie Dalton mit Mutter Louise (Mackenzie Davis), Vater Ben (Scoot McNairy) und Tochter Agnes (Alix West Lefler) lernt im Italienurlaub das aufregende Paar Paddy (James McAvoy) und Ciara (Aisling Franciosi) sowie ihren stummen Sohn Ant (Dan Hough) kennen und folgt der Einladung, sie in ihrem britischen Landhaus zu besuchen. Mit der Zeit erkennen die Daltons jedoch, dass etwas nicht stimmt und der Urlaub wird zum verstörenden Albtraum.

In „Speak No Evil“ zeigt sich James McAvoy in einer der Hauptrollen von seiner schauspielerisch psychopathischsten Seite und ist sowohl für das Publikum als auch die bei ihm hausierende Familie gleichermaßen faszinierend wie furchteinflößend. Das Remake ist vielleicht weniger explizit grausam gestaltet als „Gaesterne“, doch die Neuadaption „Speak No Evil“ ist ebenso unangenehm, beängstigend und beklemmend und vielleicht sogar fesselnder – solange man das Original, die Geschichte und deren finstere Wendung noch nicht kennt.

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Am besten auf sich wirken lassen kann man „Speak No Evil“ ohne Vorwissen. Schon der Trailer nimmt viel vorweg und mindestens eine Szene hätte man wohl für mehr Spannung rausschneiden (Fans der Vorlage werden das Wortspiel erkennen) sollen. Falls ihr das dänische Original ohnehin kennt oder euch vorab lieber einen ersten Eindruck verschaffen möchtet, könnt ihr direkt hier den Trailer ansehen:

So unangenehm und fesselnd war lange kein Kinobesuch mehr

Eigentlich mehr Psycho-Thriller als Horrorfilm ist „Speak No Evil“ nicht gruselig oder übermäßig blutig, aber trotzdem brutal, beängstigend und beklemmend genug, um furchteinflößend zu sein. Die perfide Handlung und trotz langsamem Aufbau packende Erzählweise machen den Film wirkungsvoll und unangenehm an genau den richtigen Stellen. Die fast schon kammerspielähnliche Inszenierung ist so beengend, dass es kein Entkommen gibt, man leidet, schämt und empört sich hautnah gemeinsam mit den Protagonist*innen. Dabei zuzusehen, war so intensiv und unangenehm, dass ich am liebsten der Situation entfliehen wollte, gleichzeitig konnte ich mich dem Geschehen auf der Leinwand nicht entziehen. Und das, obwohl ich durch den Trailer schon ziemlich genau wusste, was mich erwartet und der Film (bis auf das deutlich vom Original abweichende Ende) wenig Überraschungen bereit hält. Ähnlich wie die Daltons war ich gleichermaßen fasziniert und verstört von Paddy und seiner Familie.

James McAvoy spielt wahnsinnig gut in bester Rolle seit „Split“

Das liegt vor allem sicherlich an James McAvoy, der den Balance-Akt zwischen hemmungslosem Psycho-Modus und charismatischem Draufgänger perfekt meistert. Wer McAvoy als wahnsinniges Biest und nuancierten Psycho in „Split“ mochte, wird sicherlich auch seine ausdrucksstarke Perfomance in „Speak No Evil“ schätzen. Ein Blick oder zähnefletschendes Lächeln von Paddy reicht und man bekommt es mit der Angst zu tun. Obwohl James McAvoy klar hervorsticht und größtenteils die Show stiehlt, können sich auch die schauspielerischen Leistungen der anderen Hauptdarsteller*innen sehen lassen. Besonders erwähnenswert ist für mich an dieser Stelle Jungdarsteller Dan Hough als Ant, der ausdrucksstark spielt, obwohl er (zwangsläufig) den ganzen Film über kein Wort sagt.

In unserem Interview sprachen wir mit James McAvoy und Scoot McNairy unter anderem über merkwürdige Urlaubserlebnisse und die Inspiration zum Film und Unterschiede zum Original:

Gute Miene zum bösen Spiel

Trotz des beängstigenden und schrecklichen Szenarios hat „Speak No Evil“ überraschend viel, wenn auch eher bizarren, bitterbösen und tiefschwarzen Humor zu bieten. Durch peinliche und unangenehme Situationen, absurdes Verhalten sowie plötzlich einsetzende Brutalität und teils irrwitzige musikalische Untermalung ist der Film an vielen Stellen auf unangenehme Weise witzig.

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Gleichzeitig löst „Speak No Evil“ eine Art kognitive Dissonanz beim Zuschauen aus: Einerseits möchte man die Charaktere anschreien, aus der Situation zu entfliehen und fragt sich, warum sie all das einfach so hinnehmen, andererseits versteht man irgendwie, warum sie wie gefesselt sind und es nicht über sich bringen, zu gehen. Passend zum Titel spielt das Schauerszenario des Films, ähnlich wie im Original, durch einen bösen Gesellschaftskommentar auf die manchmal fast zwanghafte Höflichkeit von Menschen an. Dabei wird die Botschaft des Films jedoch weniger drastisch durchgezogen als im Original, wo sich die Charaktere tatsächlich bis zum Schluss stumm ihrem Schicksal fügen.

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In Hollywood braucht es dann eben doch etwas mehr Gegenwehr, was vielleicht nicht der Pointe zugutekommt, dafür etwas weniger extrem und makaber wirkt. Wohl in puncto expliziter Grausamkeit etwas harmloser, deutet das Remake an vielen Stellen die Schrecklichkeit nur an, sorgt dafür jedoch durch kleine Merkwürdigkeiten und große Ausraster für Unbehagen und durch eine eindringliche Erzählweise für Kopfkino. Für ein typisches Hollywood-Happy-End ist „Speak No Evil“ zwar eindeutig zu grausam und am Ende doch zu blutig, aber sicherlich besser verträglich als das dänische Original und für mich auch ohne Verstümmelungen verstörend und fesselnd genug.

Als Gesamtpaket hat mir das Remake von „Speak No Evil“ sogar besser gefallen als die Vorlage, was vielleicht daran liegen mag, dass ich wenig Wert auf explizite Grausamkeit lege und an vielen Stellen lieber auf die Vorstellungskraft (die ohnehin schon schlimm genug sein kann) setze. Das Remake mag weniger schockierend sein, gestaltete sich für mich insgesamt aber mitreißender, obwohl durch Vorwissen der überraschende Twist ausblieb.

Wer, wie ich, die Vorlage (bei Prime Video leihen oder kaufen) erst nach dem Remake von „Speak No Evil“ sehen möchte, sei an dieser Stelle gewarnt, dass die Originaldarstellung trotz (ebenfalls) FSK 16 definitiv nichts für schwache Nerven ist. Falls ihr den dänischen Film hingegen schon kennt und schätzt, werdet ihr im Remake, bis auf ein etwas optimistischeres Ende, hingegen vermutlich nicht viel Neues finden. Wer vom oben Geschilderten nicht abgeneigt beziehungsweise abgeschreckt ist, kann sich in „Speak No Evil“ auf ein intensives Kinoerlebnis freuen.

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