Ja tatsächlich: Solo Sunny, Konrad Wolfs Erfolgsfilm des Defa-Kinos von 1980 aus der Feder von Wolfgang Kohlhaase, basiert auf einer realen Person: Sannije Torka war unangepasst, widerspenstig, eine Künstlerin, die ihr ganz eigenes Leben leben wollte in der DDR. Sie, das Rollenvorbild der Sunny, wird porträtiert in diesem Dokumentarfilm von Alexandra Czok; aber nicht etwa umfassend und facettenreich, sondern ganz subjektiv: indem einfach Sannije ihre Lebensgeschichte erzählen darf.
Die mäandert wahrhaft kurvenreich durch die Zeiten: strenges Kinderheim, dann irgendwann Schlagersängerin; dann nach der Wende arbeitslos, dann Ladendiebin, jetzt inhaftiert. Ein faszinierendes Leben, von dem man aber das Gefühl hat, dass der Film es nur unzureichend aufbereitet. Die Fiktionalisierung von Sannije durch den Film Solo Sunny etwa wird nur kurz erwähnt, es gibt ein paar Filmausschnitte, die aber kaum auf Parallelen hinweisen. Wie hat Kohlhaase ihr Leben für den Film umgeschrieben? Wie weit gehen die biographischen Momente? Hat sich Renate Krössner, die für ihre Sunny-Rolle den Silbernen Berlinale-Bären gewonnen hat, von der wahren Sannije beeinflussen lassen? Auf solche Fragen geht der Film nicht ein obwohl der Filmtitel eigentlich anderes verspricht. Was andererseits den Vorteil hat, dass man Solo Sunny nicht kennen muss
Auch andere hochinteressante Aspekte in Sannijes Leben hätten als dramaturgischer Aufhänger dienen können: Ihre größte Schuld etwa, dass sie nämlich mit 20 Jahren ihren Sohn weggegeben hat, weil sie sich zu unreif für die Mutterschaft gefühlt hat: das wird in drei Sätzen abgehandelt, Sannije zeigt zwei Fotos von Mike als Baby, und weiter gehts. Nach versuchter Republikflucht wurde sie verhaftet und als IM angeworben: Jahrelang, bis 1985, stand sie im Dienst der Stasi nein, sie habe die Leute ja gemocht, da habe sie keinen verraten. Und die, die sie nicht gemocht hat?
Nach der Wende, Anfang der 90er, war sie arbeitslos. Und begann, als Ladendiebin zu arbeiten, das sah sie als ihren Job an, dem sie akribisch nachging schon zu DDR-Zeiten war sie wohl kleptomanisch veranlagt. Wie ernst sie aber diese Arbeit nahm, erläutert erst das Presseheft, nicht der Film: dass sie Ladendiebstahl richtiggehend studierte, in der Staatsbibliothek alle einschlägige Literatur las
Dafür bekam sie dann zwei Jahre Haft aufgebrummt.
So ist dieses Porträt einer Widerspenstigen, die sich nicht hat zähmen lassen, ein Film der verpassten Chancen. Über weite Strecken ist es schlicht eine Frauenknacki-Dokumentation mit kommentarlos betrachtenden Bildern aus dem Knastalltag. Hier im Gefängnis gefalle es ihr gut, sagt Sannije, sie habe eine frühzeitige Entlassung abgelehnt, weil sie sich für die anschließende Bewährungszeit ihrer eigenen Person nicht sicher genug sei. Und als Freigängerin habe sie mehr Freiheiten als in der DDR. Doch auch ein solches Bekenntnis ist fast ohne wirklichen Erkenntniswert: denn auch über diese ganz eigentümliche Lebenseinstellung erfährt man nichts weiteres.
Sannije erzählt von sich selbst, ganz subjektiv, und Czok will damit wohl eine besondere Nähe zu ihrer Protagonistin herstellen. Doch der Preis für diese Inszenierungsstrategie ist eine gefühlte Unvollständigkeit, das Gefühl, lange nicht genug zu erfahren über diese launische, hysterische, depressive, lebenslustige, faszinierende, freiheitsliebende Person. Ein Blick aus größerem Abstand hätte ein umfassenderes Bild ergeben.
Fazit: Dokumentarfilm über eine vielschichtige, vielseitige, faszinierende Frau der aber die falschen Schwerpunkte setzt und dessen Subjektivität zu Eindimensionalität wird.