Sick: The Life and Death of Bob Flanagan, Supermasochist: Dokumentation über die letzten zwei Jahre des an Mukoviszidose verstorbenen amerikanischen Performancekünstlers Bob Flanagan.
Der Spezialpreis der Jury auf dem renommierten Sundance Filmfest, der Publikumspreis des Los Angeles Film Festival - das waren nur zwei der Auszeichnungen, mit denen die außergewöhnliche Dokumentation „Sick“ im Jahre 1997 geehrt wurde. Regisseur Kirby Dick verfolgt dabei über zwei Jahre lang Leben - und schließlich auch Sterben - des an Mukoviszidose erkrankten amerikanischen Performancekünstlers Bob Flanagan, der sein Leid(en) zur Kunstform stilisiert und dabei dem Tod mit offenem Visier ins Auge blickt. Sicherlich keine leichte Kinokost, aber ein mutiges, radikales Experiment, dem man möglichst viele (Arthaus-) Zuschauer wünscht.
1952 in New York mit der Erbkrankheit Zystische Fibrose (Mukoviszidose) geboren, beschloss Bob Flanagan schon in frühester Jugend, sich von seinem Schicksal nicht unterkriegen zu lassen: „In meinem steten Kampf ums Überleben und gegen die ewigen Schmerzen habe ich gelernt, Krankheit mit Krankheit zu bekämpfen“. Als Form des Kampfs wählte Flanagan, der zwei seiner vier Geschwister ebenfalls durch Mukoviszidose verlor, sich selbst als Objekt seiner Kunst, zog nach L.A., etablierte sich dort als exzentrischer Poet und reüssierte als bilderstürmerischer Videokünstler. Obwohl seine ersten Gedichte bereits 1977 erschienen, dauerte es bis Ende der 80er Jahre, bis man auf Flanagans Arbeiten, etwa Fuck Journal oder Slave Sonnets, aufmerksam wurde. Eigentlich war es aber erst die Kooperation mit seiner langjährigen Partnerin und Ehefrau, der Domina Sheree Rose, die ihm zu notorischer Berühmtheit verhalf. Um Kontrolle über seine ständigen Schmerzen zu gewinnen und die Qual in Lust zu verwandeln, entwickelte er mit seiner Gattin sadomasochistische Praktiken, die er in Performances und SM-Videos verarbeitete. „Body“, „Nailed“, „Bob Flanagan’s Sick“ oder „In My Room“ heißen die - gelinde gesagt - verstörenden (Kurz-) Filme, die bei dem irischen Katholiken Bob eine geradezu kathartische Wirkung erzeugten.
Regisseur Kirby Dick begleitete Flanagan für „Sick: The Life and Death of Bob Flanagan, Supermasochist“ während der letzten beiden Jahre seines Lebens - der „King of Pain“ starb 1996 - mit der Kamera, drehte über 150 Stunden Material und kompilierte dies mit dem von Rose zur Verfügung gestellten Performance-Videos zu einem eindringlichen Porträt über einen wahrhaft ungewöhnlichen Menschen. Dabei lernt man den Titelhelden als klugen, ehrlichen, selbstkritischen und überaus humorvollen Menschen kennen, der einfach alles ausprobiert, „solange es nur weh tut“. Allein hierbei zuzusehen, fordert viel Mut, so beispielsweise, wenn Flanagan seinen Penis an ein Brett nagelt. Aber ganz allmählich, während man sich an die schmerzhaften Bilder gewöhnt, kommt in dieser wortwörtlich fesselnden Dokumentation ein anderer Film zum Vorschein, ein wunderbarer Liebesfilm über zwei Außenseiter, die sich gesucht und gefunden haben. Plötzlich ist man als Zuseher krank, krank im Kopf über die eigenen Vorurteile und das Unvermögen, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Und wenn Flanagan schließlich tot daliegt, bebildert durch eine Serie von Fotografien, hat man etwas über das Leben gelernt und eine superbe Dokumentation gesehen. geh.