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Fakten und Hintergründe zum Film "Shutter Island"

Fakten und Hintergründe zum Film "Shutter Island"

Mehr zum Film? Wir haben die wichtigsten Hintergründe und Fakten für Dich gesammelt: detaillierte Inhaltsangaben, Wissenswertes über die Entstehung des Films, ausführliche Produktionsnotizen. Klick rein!

Über die Produktion

Kurz nach Fertigstellung seines Romans „Mystic River“, aus dem schließlich Clint Eastwoods gleichnamiges Oscar®-gekröntes Drama hervorgehen sollte, schlug Dennis Lehane einen völlig anderen erzählerischen Kurs ein. Er ließ die düster-realistischen Arbeiterschauplätze in Boston, für die er bekannt war, hinter sich und entwickelte einen außerordentlich atmosphärischen, von purem Terror erfüllten psychologischen Schocker. Einen Schocker, angesiedelt in den Fünfzigerjahren, auf dem Höhepunkt der Paranoia des Kalten Kriegs und in dem Übergangsbereich, an dem die Grenzen zwischen Zurechnungsfähigkeit und Wahnsinn, zwischen Wahrheit und Wahnvorstellung völlig verschwimmen.

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Das Ergebnis war „Shutter Island“ - ein Roman, der die mysteriösen Elemente des Schauerromans mit Facetten von Verschwörungsthrillern und Horror vermischte, der im Stil von Edgar Allan Poe die Spannungsschraube immer stärker anzog. Diese Mischung fesselte, verstörte und überraschte Lehanes Leserschaft. Die Handlung des Buchs war auf vier quälend intensive Tage komprimiert. Schauplatz war das auf einer Insel gelegene Ashecliffe Hospital für psychisch gestörte Straftäter, das von einem tobenden Hurrikan der Stärke 5 heimgesucht wurde. Die polizeiliche Ermittlung, um die sich das Buch drehte, war höchst ungewöhnlich. Denn sie fand völlig abgeschottet von der Außenwelt statt und führte dazu, dass es für die zwei einsamen Ermittler immer enger wurde, bis sich U.S. Marshal Teddy Daniels schließlich gezwungen sah, in einen Bereich vorzudringen, in dem der menschliche Verstand auf gefährliche Weise Amok lief, in dem es entsetzliche Geheimnisse und schreckliche Erinnerungen gab und die Wahrheit tief vergraben war.

Aufhänger des Buchs war das rätselhafte, unvorstellbare und unerklärliche Verschwinden einer Mörderin aus der von höchsten Sicherheitsvorkehrungen geschützten psychiatrischen Anstalt. Doch im Kern seines Labyrinths aus unheimlichen und überraschenden Wendungen sprach das Buch eine Vielzahl von Themen an, darunter das anhaltende Trauma des 2. Weltkriegs, das Potenzial des 20. Jahrhunderts für große Verschwörungstheorien, die Debatte über invasive psychiatrische Behandlungsmethoden, vor allem aber die außergewöhnliche Macht der Psyche, die sich trotz vieler wissenschaftlicher und juristischer Bemühungen letztlich doch jeder Kontrolle entzog.

Janet Maslin nannte das Buch, das einer der Bestseller des Jahres 2003 werden sollte, in einem Artikel für die New York Times „erstaunlich originell“ und „auf Anhieb filmisch“. Bradley J. Fischer, einer der Geschäftspartner der Produktionsgesellschaft Phoenix Pictures, produzierte gerade ZODIAC - DIE SPUR DES KILLERS („Zodiac“, 2007), David Finchers Thriller über einen realen Serienmörder, als er das Buch in einem Laden am Flughafen entdeckte. Beim Lesen fühlte er sich von der angsterfüllten Atmosphäre und den verflochtenen zeitgenössischen Themen so in die Welt des Romans versetzt, dass er ihn sofort für die Leinwand adaptieren wollte.

„Ich war bereits ein großer Fan von Dennis Lehane“, erinnert sich Fischer, „doch mit diesem Roman hatte ich nicht gerechnet. Es ist ein Thriller und eine Mischung aus Kriminal- und Schauerroman, dabei aber auch vieles andere mehr, denn das Buch besitzt große Tiefe, befasst sich mit ernsten moralischen Fragen. Zur dicht verknüpften atmosphärischen Handlung gehören einige überraschende Wendungen, die den Leser aus der Bahn werfen. Das ist ziemlich atemberaubend.“

Sobald er die Rechte erworben hatte, machte sich Fischer zusammen mit Mike Medavoy, Chef von Phoenix Pictures, an die Arbeit, unterstützt von Medavoys Geschäftspartner Arnold W. Messer, der als Produzent zum Team stieß. Als erstes wandte sich Fischer an Laeta Kalogridis, die als Drehbuchautorin für ihre Vorliebe für Spannung, Abenteuer und tiefgehende Charakterporträts bekannt war. Da das Produzententeam von Phoenix Pictures mit Kalogridis bereits bei PATHFINDER -FÄHRTE DES KRIEGERS („Pathfinder“, 2007), einem in der Wikingerzeit angesiedelten Actionthriller, zusammengearbeitet hatten, wusste man, dass sie kreativ alles mitbrachte, um die Anforderungen dieses Stoffes zu erfüllen. „Wir hatten das Gefühl, Laeta würde Dennis Lehanes brillante Dialoge auf wirklich filmische Art zum Leben erwecken können“, erklärt Fischer.

Kalogridis, die mit Chris Brigham, Dennis Lehane, Gianni Nunnari und Louis Phillips auch zu den ausführenden Produzenten von SHUTTER ISLAND gehört, war von der Herausforderung begeistert, mit der üppig verwobenen Erzählstruktur von Lehanes Story arbeiten zu können. Einer Story, die sich durch Rückblicke, Halluzinationen und Fantasievorstellungen windet, die mit zeitlicher Chronologie genauso spielt wie mit der trügerischen Natur augenblicklicher Realität. Kalogridis wandte sich mit vollem Einsatz dem Projekt zu, erforschte das große Spektrum der von Lehane angesprochenen beunruhigenden Themen. Diese umfassten die von schrecklichen Vorgängen erfüllte Vergangenheit der Nervenheilanstalten, die düster-finstere Wissenschaft, die hinter präfontalen Lobotomien stand, aber auch den Terror in den Konzentrationslagern der Nazis und die Experimente zur Bewusstseinskontrolle, die in der Zeit des Kalten Kriegs durchgeführt wurden.

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„Laeta war von der Story genauso verblüfft wie ich selbst“, erzählt Fischer. „Sie erkannte, dass die verschiedenen Fäden und Schichten der Handlung ins Gleichgewicht gebracht werden mussten. Einfach war das nicht, aber sie suchte mit Sorgfalt nach Möglichkeiten, die Charaktere andere Wege einschlagen lassen und Rückblicke integrieren zu können. Bald lag schließlich ein Drehbuch vor, mit dem Mike Medavoy und ich sehr zufrieden sein konnten.“

Mehr noch als Lehanes Roman, der nach Aussage des Autors zum Teil von seiner Liebe für B-Pictures inspiriert wurde, brachte Kalogridis‘ Drehbuch einige Hollywoodklassiker in Erinnerung, darunter Otto Premingers mit wechselnden Identitäten spielendes Noir-Kriminalmysterium LAURA („Laura“, 1944) und SCHOCK - KORRIDOR („Shock Corridor“, 1963), Sam Fullers Enthüllungsdrama über Nervenheilanstalten. Für dieses Drehbuch, das stand außer Frage, benötigte man einen Regisseur, der großes filmhistorisches Wissen und eine ausgeprägte Liebe für psychologisches Zusammenspiel mitbrachte.

Von Beginn an dachte Fischer an Oscar®-Preisträger Martin Scorsese. Auf gut Glück kontaktierten die Verantwortlichen von Phoenix Pictures den erfolgreichen, fast ständig mit neuen Projekten beschäftigten Regisseur, gingen davon aus, dass wenig Aussicht auf Erfolg bestand, hatte Scorsese doch gerade erst den Regie-Oscar® für seinen elektrisierenden Kriminalthriller DEPARTED - UNTER FEINDEN („The Departed“, 2006) gewonnen.

Doch ihr Timing hätte nicht besser sein können. Scorsese hatte nicht nur Zeit, sondern interessierte sich auch leidenschaftlich für den Stil und die Themen von SHUTTER ISLAND. Als ihm das Drehbuch zugesandt wurde, befand er sich mitten in seiner Arbeit als Sprecher für das TV-Projekt „Val Lewton: The Man in the Shadows“. Dabei handelte es sich um eine Dokumentation über die unverwechselbare Kreativkraft hinter enorm einflussreichen und magisch unheilvollen Horrorfilmen wie KATZENMENSCHEN („Cat People“, 1942) oder ICH FOLGTE EINEM ZOMBIE („I Walked with a Zombie“, 1943), die in den Vierzigerjahren im Auftrag von RKO Pictures entstanden. Scorsese war in der richtigen Stimmung, komplexem existentialistischem Horror ein modernes Gesicht geben zu wollen. „Marty war von der Vorstellung angezogen, eine klassische, in Schatten und Geheimnisse eingehüllte Horror- und Schauergeschichte in Angriff nehmen zu können“, erklärt Fischer. „Er sprang sofort auf diese Idee an, war von Beginn an mit großer Begeisterung bei der Sache. Als ich von Martys Agenten die telefonische Zusage bekam, dass er bei SHUTTER ISLAND die Regie übernehmen wollte, erzählte er mir, dass Marty sich dabei an diesen alten deutschen Film erinnert fühlt, wie hieß er noch gleich…er hieß…‘. Während er sich den Titel ins Gedächtnis zu rufen versuchte, schweifte mein Blick über mein Büro und fiel zufällig auf ein gerahmtes Poster von genau diesem Film, den ich selbst zu meinen Lieblingsfilmen zählte, ein Stummfilmklassiker aus der expressionistischen Ära des deutschen Films. ‚Er sagte, er fühlte sich erinnert an DAS CABINET DES DR. CALIGARI (1920)“, schlug ich vor. ‚Ja‘, rief die Stimme des Agenten am Telefon. „Genau so hieß er.“

„Ich war überwältigt, dass das Drehbuch bei Marty die gleichen Assoziationen an einen alten Horrorfilm aus der Weimarer Republik geweckt hatte wie bei mir“, fährt Fischer fort. „Doch überrascht war ich davon eigentlich nicht. Für mich gab es immer Ähnlichkeiten zwischen DAS CABINET DES DR. CALIGARI und SHUTTER ISLAND. Marty bewundert diesen Film, auf den er, wie auf viele andere Filme auch, bei den Dreharbeiten verweisen würde. Von diesem Moment an ging alles sehr schnell. Was Marty in der Geschichte sah, welche verschiedenen Ebenen er in diesem Stoff entdeckte – all das bereicherte das Projekt auf eine Art, wie das keiner von uns voraussehen hätte können.“

Scorsese gibt zu, bereits beim ersten Lesen des Drehbuchs von SHUTTER ISLAND gefesselt gewesen zu sein: „Ich wusste absolut nichts über die Story, begann ungefähr um halb zehn Uhr abends das Skript zu lesen. Ich wusste, dass ich am nächsten Morgen früh aufstehen musste, konnte das Drehbuch aber nicht aus der Hand legen, war immer wieder überrascht von den unterschiedlichen Ebenen der Geschichte.“

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Scorsese fühlte sich der Mischung klassischer Thrillergenres, von den Schatten des Noir-Films bis hin zu purem Horror, sofort verbunden. „Solche Filme sehe ich und solche Geschichten lese ich selbst gerne“, gibt Scorsese zu. „Im Laufe der Jahre habe ich mich von bestimmten Filmen ferngehalten, die diesen Stil imitieren, aber diese hier, das sind die Filme, auf die ich immer wieder zurückgreife, die ich mir immer wieder ansehe. So eine Geschichte hat mich schon immer angezogen. Ich finde es interessant, wie sie sich ständig und sich mit ihr die Realität der Ereignisse verändert, und wie es bis zur letzten Szene darum geht, wie die Wahrheit wahrgenommen wird. Wie die Geschichte erzählt wird, ist ein Aspekt, der Schauplatz ein anderer. Für mich aber geht es vor allem darum, was mit Teddy geschieht, und das berührte mich sehr. Das war die emotionale Verbindung.“

Scorseses Strategie für den Film war, die Noir-ähnlichen Oberflächenstrukturen von Kalogridis‘ Drehbuch zu benutzen, um die tiefergehende Mikrodynamik und die psychologischen Machenschaften der Charaktere herauszuarbeiten. Er wollte üppige filmische Bilder mit verborgenen Emotionen verschmelzen, um den Zuschauer zusammen mit Teddy Daniels auf einen aufregend schmalen Grat zu locken. Von Produktionsbeginn an inspirierte Scorsese seine Darsteller und seine Crew mit nächtlichen Vorführungen von legendären und unbekannten Filmen, die die Themen und Stile berühren, die sich durch SHUTTER ISLAND ziehen.

Zu den ausgewählten Filmen Scorseses zählten unter anderem Otto Premingers LAURA („Laura“, 1944), Jacques Tourneurs düsteres Noir-Doppelspiel GOLDENES GIFT („Out of the Past“, 1947), Edward Dmytryks IM KREUZFEUER („Crossfire“, 1947), ein Thriller über den Mord an einem jüdischen Soldaten nach dem Ende des 2.Weltkriegs, außerdem Nicholas Rays Polizeidrama ON DANGEROUS GROUND („On dangerous ground“, 1952) und Karl Maldens Regiedebüt WENN MÄNNER ZERBRECHEN („Time Limit“, 1957), ein psychologisch intensives Gerichtsdrama über einen amerikanischen Soldaten, der sich vor dem Kriegsgericht verantworten muss.

Weitere Inspirationen waren DER PROZESS („Le procès“, 1963), Orson Welles‘ Adaption von Franz Kafkas surrealer Geschichte über einen Mann, der unerklärlicherweise für ein nie benanntes Verbrechen inhaftiert wird, John Hustons Kriegsdokumentationen DIE SCHLACHT UM SAN PIETRO („San Pietro“, 1945) und ES WERDE LICHT („Let There Be Light“, 1946), letztere eine Reportage über aus dem Krieg heimgekehrte Soldaten, die an „Granatenschock“, wie man es damals nannte, litten. Schließlich führte Scorsese auch einflussreiche Horrorfilme vor, darunter Robert Wises BIS DAS BLUT GEFRIERT („The Haunting“, 1963), Jack Claytons SCHLOSS DES SCHRECKENS („The Innocents“, 1961) und mehrere der von Val Lewton produzierten Filme, die Scorseses Wertschätzung für das Genre des Horrorthrillers so maßgeblich prägten, darunter auch Mark Robsons undurchsichtigen THE SEVENTH VICTIM (1943) über eine Frau, die bei einem Satanskult ihre vermisste Schwester sucht.

Zu den ausgewählten Werken zählte auch ein Dokumentarfilm, den Scorsese für unerlässlich hielt. Frederick Wisemans TITICUT FOLLIES („Titicut Follies“, 1967), ein Film über die Behandlung von Patienten in einer psychiatrischen Anstalt für psychisch gestörte Straftäter. Durch diesen Film, dessen Aufführung damals gerichtlich verboten worden war, erhielten Darsteller und Teammitglieder Einblick, wie Nervenheilanstalten in den Fünfziger- und Sechzigerjahren wirklich ausgesehen hatten, bevor Reformen zu einer Verbesserung der Bedingungen führten und Patientenrechte zur höchsten Priorität machten. Das bei Bridgewater gelegene Massachusetts Correctional Institute for the Criminally Insane ist Schauplatz des Films, der schonungslos eine therapeutische Einrichtung porträtiert, in der sich Patienten splitternackt ausziehen mussten, mit Ketten an die Wände ihrer Zellen gefesselt und jeglicher menschlicher Würde beraubt wurden. Die Auswirkungen dieses Films waren gewaltig. Schon kurz nach seiner Veröffentlichung war der Aufschrei der Öffentlichkeit so groß, dass gegen die Anstalt eine Sammelklage vorgebracht wurde. Diese zog eine Entwicklung nach sich, dass nun im ganzen Land ähnliche Anstalten auf Dauer anders geführt wurden.

„TITICUT FOLLIES ermöglichte es Cast und Crew, aus erster Hand genau die Welt sehen zu können, die der Film porträtieren wollte“, erzählt Fischer. „Für uns alle war das eine sehr eindringliche Erfahrung.“

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Produktion: Die Charakteren

Im Zentrum der Spannung und der wachsenden Furcht von SHUTTER ISLAND steht die erschütternde Erfahrung, die Teddy Daniels macht. Der abgebrühte Kriegsveteran und clevere U.S. Marshal soll in der Inselklinik das Verschwinden einer Mörderin untersuchen, gleitet dabei aber immer tiefer in einen Abgrund verwirrender Rätsel, unerbittlicher Angst und im Kopf herumspukender Erinnerungen hinein. Als er bei seinen Ermittlungen auf immer neue Hindernisse stößt, hat Teddy guten Grund zu glauben, dass er manipuliert, beobachtet, vielleicht unter Drogen gesetzt und an die düsteren, unklaren Grenzen seines Verstands getrieben wird. Vielleicht warnt man ihn davor, der Wahrheit von Shutter Island näher zu kommen, vielleicht wird er in ein schreckliches Experiment hineingezogen. Sicher ist nur, dass versteckte Ziele verfolgt werden, die Teddy an diesen undurchdringlichen Ort binden.

Für die Rolle dieser stark angespannten Figur, die schließlich in nur wenigen Tagen enträtselt wird, hatten die Filmemacher von Beginn an einen Schauspieler im Auge: Leonardo DiCaprio, der bereits dreimal für den Oscar® vorgeschlagen, auf der Leinwand erwachsen und einer der herausragendsten Darsteller der Gegenwart wurde. „Als wir mit Marty in Kontakt traten“, erinnert sich Produzent Fischer, „dachten wir auch bereits an Leo. Zum einen, weil er für diese Rolle einfach der Richtige war, zum anderen, weil er mit Scorsese bereits so erfolgreich zusammengearbeitet hatte.“

Scorsese unterstützte diese Darstellerwahl mit ganzem Herzen: „Nachdem ich Leo bei GANGS OF NEW YORK („Gangs of New York“, 2002), AVIATOR („The Aviator“, 2004) und DEPARTED - UNTER FEINDEN („The Departed“, 2006) inszeniert hatte, kam mir sofort der Gedanke, dass er auch diese Rolle spielen sollte. Wir haben unsere Zusammenarbeit gemeinsam entwickelt, und als Künstler besitzt er mein ganzes Vertrauen, dass er die vielen psychologischen und emotionalen Zustände, die Teddy erreichen muss, sichtbar macht und dass er sich dabei durchgehend verändert. Habe ich ihn schon einmal so etwas spielen sehen? Nicht auf diesem Level, glaube ich. Je älter er wird, desto tiefgründiger werden seine Darstellungen.“

Nach dem Lesen des Drehbuchs war auch DiCaprio von der Rolle überzeugt. „Vieles an dieser Figur gefiel mir“, erklärt der Superstar. „Teddy kommt nach Shutter Island, fest entschlossen, ein Rätsel zu lösen und aufzudecken, was dort wirklich vor sich geht. Aber er bringt eigene Geheimnisse und Absichten, die in seinem Innersten versteckt sind, auf die Insel mit. Zu seiner Reise gehört weit mehr, als es zunächst den Anschein hat. Einer der großartigen Aspekte dieser Geschichte ist, dass sie beständig irritiert. Sie funktionioniert auf so vielen verschiedenen Ebenen, wirkt wie eine riesige Schichttorte.“

„Ich habe mich in den komplexen Charakter von Teddy verliebt“, fährt DiCaprio fort, „in seine Suche nach Wahrheit, die etwas in ihm auslöst und auch bei mir etwas in Gang brachte. Am Ende war ich tief berührt.“ Auch eine weitere Zusammenarbeit mit Scorsese reizte DiCaprio: „Was meiner Ansicht nach die Leute an Scorsese nicht verstehen, ist sein großes Vertrauen in die von ihm engagierten Darsteller und wie sehr er sich darauf verlässt, dass sie vorbereitet am Set erscheinen. Er ist ein meisterlicher Filmemacher, weiß, wie er die menschliche Psyche lenken und Aspekte der menschlichen Befindlichkeit abbilden kann. Aber er lässt wirklich die Darsteller bestimmen, was auf der Leinwand zu sehen sein wird.“

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Nachdem er die Rolle angenommen hatte, ließ sich DiCaprio von ihr inspirieren, eigene Recherchen zu beginnen. Er vertiefte sich in das spezielle Training, das die U.S. Marshals der fünfziger Jahre auf sich nehmen mussten, erforschte die Erfahrungen von Veteranen des 2.Weltkriegs, informierte sich über psychiatrische Techniken, die in dieser Zeit in Nervenheilanstalten zur Anwendung kamen. Außerdem las er mehrmals Dennis Lehanes Roman. „Wenn man einen Autor wie Dennis Lehane hat, der so facettenreiche Charaktere kreiert, dann bekommt man eine Menge Munition und Bezugspunkte geliefert“, erklärt DiCaprio.

Schwerpunkt seiner Vorbereitung waren aber einige lange, den Dingen auf den Grund gehende Gespräche mit Scorsese: „Marty liebt es, alles sehr ausführlich zu diskutieren“, merkt DiCaprio an. „Das hilft einem Schauspieler, seine Figur noch besser zu verstehen und glaubwürdiger auf der Leinwand zu werden. Wir haben die Szenen fast wie forensische Ermittler diskutiert, sind jedes Detail mit einem feinzahnigen Kamm durchgegangen. Das gehört zu den interessantesten, anspruchsvollsten, angsteinflößendsten und vergnüglichsten Aspekten der Zusammenarbeit mit ihm, denn wenn man auf dem Set erscheint, ist man wirklich mit vollem Engagement bei der Sache.“

Gerade für die Entwicklung seiner Figur waren diese Gespräche besonders wichtig: „Bei Teddy gab es bestimmte feine Grenzen, die wir nicht überschreiten konnten. Das war eine echte Herausforderung“, fährt DiCaprio fort. „Ich war wirklich auf Scorseses Führung angewiesen, wie weit ich mit dieser Figur gehen konnte. Es gibt viele spezielle Feinheiten, die man vielleicht bemerkt, wenn man den Film ein zweites Mal sieht.“ Die Besetzung war für DiCaprio eine weitere Inspiration: „Es gibt einige bemerkenswerte Darstellungen, die so detailliert in der Zeichnung der Charaktere sind, dass diese wirklich lebendig werden. Die Besetzung ist erstaunlich, man glaubt, dass diese Menschen auf Shutter Island alle real und wirklich greifbar sind.“

Besonders begeistert war DiCaprio von der Aussicht, mit Mark Ruffalo vor der Kamera stehen zu können. Er verkörpert Chuck Aule, Teddys neuen Partner, der ebenfalls in die rätselhaften Ereignisse und Verschwörungen auf der Felseninsel hineingezogen wird. „Mit Mark wollte ich schon sehr lange gemeinsam einen Film drehen. Er hat so viele fantastische, ultrarealistische Darstellungen abgeliefert. Chuck, seine Figur, hat eine interessante Beziehung mit Teddy. Sie bauen langsam gemeinsames Vertrauen auf, sind aber argwöhnisch, was die gegenseitigen Absichten betrifft. Mark hat etwas eingebracht, was dieser Film unbedingt brauchte, was meine Figur auf tiefgehende Weise erdete.“

Mit Rollen in Filmen wie Kenneth Lonergans YOU CAN COUNT ON ME („You Can Count on Me“, 2000), Michel Gondrys VERGISS MEIN NICHT! („Eternal Sunshine of the Spotless Mind“, 2004) und Michael Manns COLLATERAL („Collateral“, 2004) hat sich Ruffalo als einer der vielseitigsten und faszinierendsten Darsteller profilieren können. „Seit ich Mark in YOU CAN COUNT ON ME, den ich als ausführender Produzent betreute, gesehen habe, wollte ich mit ihm zusammenarbeiten“, erklärt Scorsese. „Mit Mark hat man eine starke emotionale Verbindung. Er ist auf jeder Ebene glaubwürdig, während er eine Figur mit vielen Facetten verkörpert.“

Die Zusammenarbeit mit Scorsese und DiCaprio reizte auch Ruffalo, doch es war die unvorhersehbare Durchschlagskraft des Drehbuchs, die ihn wirklich packte. „Zunächst hält man das Ganze nur für eine interessante Kriminalgeschichte mit Noir-Zügen, aber im Laufe der Handlung tauchen diese überraschenden Ereignisse und Schichten auf, gibt es abrupte Wendungen wie auf einer Achterbahnfahrt, zeigt das Drehbuch so viele andere Aspekte, die man nicht erwartet hatte. Alles wird merkwürdiger und mysteriöser, das Drehbuch wirft einen hinein in eine andere Welt. Je mehr ich davon gelesen hatte, desto mehr spürte ich, dass Chuck, der mehr verbirgt, als es anfangs den Eindruck macht, eine außergewöhnliche Herausforderung darstellen würde.“

Diese Herausforderung war eine Belastung für Ruffalo, als er sich für die Dreharbeiten vorzubereiten begann. „Mit dieser Rolle war ein Problem verbunden, das ich lösen musste“, erklärt Ruffalo. „Es ging darum, wie sorgfältig ich diesen Charakter anzulegen hatte. „Es scheint so, als wäre es Chucks Auftrag, Teddy zu beschützen, aber tief in seinem Innersten treibt er ihn auch zu einer Abrechnung. Das war ein interessanter Drahtseilakt bei dieser Figur.“ Mitentscheidend für Ruffalo war, dass seine Darstellung einer zweiten Sichtung des Films standhalten musste, sogar nachdem das Gerüst von Geheimnissen der Story komplett freigelegt worden war. „Meiner Ansicht nach erkennt man bei der zweiten Sichtung des Films kleine Hinweise darauf, was sich wirklich abspielt, ohne dass explizit darauf aufmerksam gemacht wird. Der Schlüssel für alles liegt darin, wie ich zuhöre, auf bestimmte Dinge reagiere und wie ich Leo ansehe.“

Mit der Zusammenarbeit mit DiCaprio erfüllte sich für Ruffalo ein großer Wunsch: „Ich bin schon sehr lange ein Fan von ihm, habe zugesehen, wie er zu diesem großen Darsteller heranreifte. Ich ging ohne bestimmte Erwartungen in den Film, fand aber heraus, dass er einer der am härtesten arbeitenden und engagiertesten Schauspieler ist. Er arbeitet ohne Pause, übt ständig seinen Text und spricht über die Figuren. Er gibt sich mit nichts zufrieden, ist aber gleichzeitig sehr großzügig zu den anderen Darstellern. Ich war von ihm wirklich beeindruckt.“

Eine weitere Inspiration war für Ruffalo der Enthusiasmus von Regisseur Martin Scorsese. „Dieser Film war wie ein Spielplatz, auf dem Scorsese seine virtuosen Fähigkeiten als Filmemacher ausspielen konnte. Im Film finden sich viele Traumsequenzen und Rückblicke, man sieht die visuelle Eleganz der abgebildeten Ära, veränderte Bewusstseinszustände, Elemente des Film Noir und des Übernatürlichen, darüber hinaus natürlich auch ein großartiges Charakterdrama. Er kann hier alles machen, was er schon immer am Medium Film geliebt hat.“ Doch damit nicht genug. „Einer der wunderbaren Aspekte in der Zusammenarbeit mit Marty ist, dass er Schauspieler wirklich liebt“, fährt Ruffalo fort. „Er liebt es, Arbeitsbedingungen herzustellen, die einem Darsteller großen Spielraum geben, damit man viele unterschiedliche Wege einschlagen kann. Dieser Film war ein Prozess, der echte Mitarbeit ermöglichte. Wir saßen alle zusammen und sprachen über die Charaktere, über Mythologie, Geschichte und vor allem über Filme. Wir griffen auf die Klassiker zurück, um unsere Figuren besser verstehen zu können und ein Gefühl für den Stil des Film Noir zu bekommen. In jedem einzelnen Bild passiert so vieles auf jeder Ebene, und das sorgt meiner Ansicht nach für ein wirklich befriedigendes filmisches Erlebnis.“

Diese Erfahrungen durfte auch Oscar®-Preisträger Ben Kingsley teilen. Er verkörpert den brillanten Dr. Cawley, der jeden Schritt von Teddy und Chuck psychoanalytisch hinterfragt, obwohl er selbst die beiden um Hilfe gebeten hatte, seine gefährliche vermisste Patientin aufzuspüren. Scorsese hatte schon lange gehofft, Kingsley einmal inszenieren zu können, und war begeistert, dass ihm die Rolle so lag. „Wegen seiner Intensität, seiner Konzentrationsfähigkeit und seiner Leidenschaft war Ben für mich eine perfekte Wahl. Wichtig ist an der Figur von Dr. Cawley das große Engagement und die Fähigkeit, Menschlichkeit selbst in den gewalttätigsten Patienten zu finden.“

Kingsley fühlte sich von der Geschichte angezogen, ganz besonders von dem verborgenen geheimen Auftrag, den seine Figur darin zu erfüllen hatte. „Bei dieser Story verhält es sich wie bei einer archäologischen Grabung, bei der man immer wieder neue Schichten entdeckt“, erzählt Kingsley. „Das gefällt mir, wie natürlich aber auch Dr. Cawley, denn hinter dieser Figur verbirgt sich Außergewöhnliches, das schließlich in den Vordergrund tritt. Er sieht seinen Beruf aus einer interessanten Perspektive - in einer Zeit, in der es zu Konflikten kam zwischen den alten Therapiemethoden, den neuen Drogen und neuen chirurgischen Eingriffen wie etwa Lobotomien.“

Kingsley brachte eigene Vorstellungen über die Figur des Dr. Cawley mit: „Ich liebe es, Charaktere als Ganzes zu begreifen, das stammt noch aus der Zeit, als ich Shakespeare spielte. Deshalb wählte ich seinen grünen Anzug und seine Pfeife aus, auch seine Schuhe, wunderbare Oxford-Halbschuhe, die eine Verbindung zur Erde herstellen. Für mich ist er ein Mann, der mit beiden Beinen im Leben steht, aber mit dem Kopf in die höchsten Sphären der Wissenschaft taucht.“

Besonders genoss Kingsley das Zusammenspiel mit den anderen außergewöhnlichen Darstellern. „Leo befindet sich in einem Lebensstadium, in dem er den „Hamlet“ spielen könnte, und diese Rolle eröffnete ihm die fantastische Chance, seine ganze Bandbreite zu zeigen. Mark Ruffalo strahlt pure Zuneigung und Loyalität aus. Michelle Williams ist bewegend und wunderschön in ihrer Verletzlichkeit. Emily Mortimer ist einfach exquisit, wie ein Vogel, der mit seinen Flügeln gegen eine Fensterscheibe schlägt. Patricia Clarkson besitzt diese Ruhe und Intelligenz, während Max von Sydow mit seiner gewaltigen Autorität einfach überwältigend ist. Marty hat alle Darsteller wie ein Maler arrangiert, eine Charakterfarbe neben eine andere platziert und damit große Wirkung erzielt. Es war einfach ein aufregendes Projekt, an dem man gerne beteiligt war.“

Die Schlüsselrolle von Teddys Frau Dolores übernahm Michelle Williams, die für BROKEBACK MOUNTAIN („Brokeback Mountain“, 2005) für einen Oscar® nominiert worden war. Williams stürzte sich ohne Zögern auf diese ungewöhnliche Figur. „Es ist eine wirklich anspruchsvolle Rolle, und das gefällt mir immer.“ Dass diese Rolle ihr mehr unter die Haut ging, als sie es erwartet hatte, gibt Williams unumwunden zu: „Als Dolores musste ich einiges ertragen. Es war wie in einem Alptraum, aus dem es kein Erwachen gab. Alles verändert sich ständig, wird zunehmend düsterer, wenn man sich von der Strömung treiben lässt.“

Um Dolores psychologisch besser verstehen zu können, studierte Williams viele psychiatrische Abhandlungen über abnorme Störungen. Außerdem sah sie sich Dokumentationen an und unterhielt sich mit einer Reihe von Ärzten. „Ich führte auch ausgedehnte Gespräche mit Marty“, erinnert sich Williams, „denn es gehört zu den wichtigsten Dingen, dieses Vertrauen aufzubauen, damit man zusammen in diese Bereiche vordringen kann.“

Fasziniert war die Darstellerin auch vom zeitlichen Rahmen des Films: „In den Fünfzigerjahren gab es eine Phase, in der man das Gefühl hatte, nicht zu wissen, was als Nächstes auf einen zukommen würde. Dolores war fest im Griff einer paranoiden Angst vor dem nächsten Krieg, fühlte sich beobachtet und nicht sicher. Ich musste Mitgefühl für das entwickeln, was sie dabei durchmachte.“

Was Williams schließlich vor der Kamera durchmachte, war oft eine nasse Angelegenheit - Resultat von Überschwemmungen, die sie im Traum überfluteten. „Meine zwei Drehmonate verbrachte ich triefnass“, erinnert sich Williams mit einem Lachen. „Ich hatte sogar Apparaturen an mir, die Wasser durch meine Haare und meine Kleidung führten. Aber das alles gehört eben dazu, wie Marty diese Geschichte erzählt. Und daran teilhaben zu können, war sehr aufregend.“ Williams‘ Einsatz fand in Leonardo DiCaprio einen Bewunderer: „Michelle verwurzelte den ganzen Film emotional, spielte so leidenschaftlich und intensiv, dass die Beziehung dieses Paares in ihrem Kern wirklich deutlich wurde.“

Dolores ist aber nicht die einzige Frau, die Teddy Daniels während seiner Reise zum Ashecliffe Hospital wie ein Spuk nicht mehr aus dem Kopf geht. Die zweite ist die gefährliche, psychisch gestörte Mörderin Rachel Solando, die mit ihrer unerklärlichen Flucht Teddy Daniels überhaupt erst auf die Insel holt. Rachel taucht in zwei Inkarnationen auf, die eine gespielt von Patricia Clarkson, Oscar®-nominiert für ihre Rolle in PIECES OF APRIL - EIN TAG MIT APRIL BURNS („Pieces of April“, 2003), die andere verkörpert von Emily Mortimer, einem nicht erst seit MATCH POINT („Match Point“, 2005) aufstrebenden Star.

„Ihre Szene mit Leo in der Höhle gehört zu meinen liebsten im ganzen Film“, schwärmt Martin Scorsese. „Sie ist wie das Orakel von Delphi. Wenn sich die beiden begegnen, hat das etwas Rituelles, fast wie ein uralter Mythos. Trotzdem spielt Patricia diese Figur ehrlich und direkt, ohne jegliche Tricks. Sie hat einfach eine so große darstellerische Bandbreite.“

Clarkson war fasziniert von der Rolle, die ihre Figur im erzählerischen Gesamtkonzept der Geschichte spielt. „Mit ihr ist eine weitere überraschende Wendung im Film verbunden, der auf verschiedenen Ebenen arbeitet. Wenn man auf meine Figur trifft, glaubt man, dass man durch sie vielleicht die Wahrheit und etwas Trost erfahren und zum Endpunkt der Reise gelangen kann. Dann aber entdeckt man, dass es noch viele überraschende Wendungen geben wird. Das eben ist das Schöne an dieser Geschichte – sowohl im Roman als auch in der Drehbuchadaption.“

Ein weiteres Highlight für Clarkson war die Zusammenarbeit mit Leonardo DiCaprio: „Seine Figur verändert sich völlig, aber auf eine sehr subtile, elegante und wunderbare Art. Ich habe liebend gern mit ihm gedreht, denn er gibt bei jeder Einstellung 2.000 Prozent.“

Auch Emily Mortimer fand ihre Figur unwiderstehlich. „Rachel ist eine fantastische, einschüchternde Rolle, denn man sieht sie im Film nie bei klarem Verstand. Ich fand es auch aufregend, diese gewagte düster-schaurige Welt der fünfziger Jahre, die Marty heraufbeschworen hat, zu betreten und zu dem Stil zurückzukehren, in dem damals Filme gedreht wurden. Was ich an diesem Film am meisten liebe, ist die von ihm aufgeworfene Frage, die wir uns alle manchmal stellen. Bin ich oder ist die Welt um mich herum verrückt? Das Gefühl dafür, was real ist und was nicht, wird erschüttert. Das hat Marty perfekt herausgearbeitet.“

Gleichermaßen fasziniert war Scorsese auch von Mortimers Darstellung: „Wie sie Rachel spielt, ist sehr berührend. Ich habe ihr geglaubt, und die Veränderung ihrer Rolle erzeugt wirklich eisige Schauer.“ Die größte Herausforderung für Mortimer bestand vielleicht darin, sich einfach einzugestehen, dass sie Teil eines solch glanzvollen Ensembles war: „Ich war so stolz darauf, dieser Besetzung angehören zu können, aber damit war auch eine große Schwierigkeit verbunden. Denn ich musste vor Kollegen wie Leonardo DiCaprio, Sir Ben Kingsley und Mark Ruffalo die Verrückte geben. Aber jeder ermutigte und unterstützte mich sehr. Leo ist ein besonders großzügiger Schauspieler“, fährt Emily Mortimer fort. „Zwischen unseren Figuren gibt es eine interessante Dynamik, durch diesen dauerhaften Kontrast zwischen dem, was man auf der Leinwand sieht und dem, was in den Winkeln des Verstandes wirklich vor sich geht.“ Auch DiCaprio gefiel diese Dynamik: „Emily spielte unglaublich, ihre Figur versteht es wirklich, Teddys Knöpfe zu drücken.“

Eine weitere Nebenfigur von großer Wirkung ist George Noyce, einer der Patienten von Shutter Island und ein mysteriöses Gesicht aus Teddys Vergangenheit. Diese Rolle übernahm Jackie Earle Haley, auch er ein Schauspieler, an den Scorsese schon lange herantreten wollte: „Ich fand ihn außerordentlich in LITTLE CHILDREN („Little Children“, 2006), die Zusammenarbeit mit ihm war wirklich interessant. Seine Dialoge mit Teddy hat er faszinierend umgesetzt. Er rüttelt Teddy wach, und das gehört zu den Highlights des ganzen Films.“

„Georges Szene mit Teddy ist so cool und wichtig“, schwärmt Haley, der lange Make-up-Sitzungen für den übel zugerichteten Noyce auf sich nehmen musste. „Ich kann gar nicht sagen, wie aufregend es war, mit Leo so eng zusammenzuarbeiten, während Marty seine Anweisungen gab. Für mich erfüllte sich hier ein Traum. Zwischen den einzelnen Takes kam Marty zu uns, nahm Veränderungen vor, feilte an unseren Darstellungen – und immer bedeutete das eine Verbesserung.“

Das Ensemble von routinierten und meisterlichen Schauspielern komplettiert der legendäre Charakterdarsteller Max von Sydow, zuletzt im Drama SCHMETTERLING UND TAUCHERGLOCKE („Le scaphandre et le papillon“, 2007) zu sehen. Er verkörpert Dr. Naehring, eine der stärker verdächtigen und bedrohlicheren Figuren von Ashecliffe. „Max von Sydow ist ein Titan des Kinos“, schwärmt Scorsese. „Ich glaube, ich habe ihn in Bergmans DAS SIEBENTE SIEGEL („Det sjunde inseglet“, 1957) das erste Mal gesehen. Seine in den letzten 50 Jahren erarbeitete Bandbreite und Erfahrung, sind mittlerweile selbst ein Teil der Filmgeschichte. Es ist faszinierend zu beobachten, wie sehr er alles unter Kontrolle hat. Er besitzt die Intelligenz und das Selbstbewusstsein, um das Wesen dieses Mannes darstellen zu können, der ein Ex-Nazi ist. Er repräsentiert auch die andere Seite des Psychiaterberufs. Dr. Naehring ist kein Bösewicht, sondern jemand, der wirklich an das glaubt, was er tut.

Produktion: HIntergrund der Geschichte

Die Geschichte von SHUTTER ISLAND spielt in einer schockierenden, makaberen Welt, die bisher kaum auf der Leinwand zu sehen war: in der Welt der psychiatrischen Einrichtungen der fünfziger Jahre, in einer Zeit, in der man kurz davor stand, die Behandlungsmethoden für Menschen mit extremsten und gefährlichsten psychischen Störungen zu revolutionieren. Es war eine Zeit, in der die dunklen Tage von „lagerähnlichen“ Anstalten gezählt waren, abgelöst von einer neuen Ära mit Gehirnoperationen von großer Durchschlagskraft und neurologischen Drogen. Eine Zeit, in der einige Patienten noch in einem kafkaesken System gefangen waren, während bei anderen bereits innovative experimentelle Verfahren angewendet wurden, aus denen viele unserer heutigen Theorien über psychisch kranke Straftäter hervorgingen. Inmitten des verwickelten Mysteriums von SHUTTER ISLAND ermöglicht Martin Scorsese Einblicke, die in diese dunkle, faszinierende, lange versteckt gehaltene Welt hineinführen.

Nervenheilanstalten gibt es bereits seit dem Mittelalter, aber sogar davor zerbrachen sich Kulturen und Gesellschaften den Kopf, wie mit denen umzugehen war, die in ihrem Kopf zu gestört waren, um in der Welt außerhalb davon sicher leben zu können. Es wurde sogar von einigen behauptet, dass der Begriff „Narrenschiff“ auf Schiffe hinwies, die als Frühformen psychiatrischer Anstalten mit geistig gestörten Menschen vor den Küsten kreuzten.

Europäische Nervenheilanstalten des 16. und 17. Jahrhunderts waren die Vorläufer für ähnliche Institutionen in den USA. Im Prinzip waren das Gefängnisse und keine Orte, in denen behandelt wurde. Dreckige Löcher, in denen die Patienten in Ketten gelegt, wie Tiere misshandelt, in völlige Unterwerfung geprügelt und unter grausamen Bedingungen „weggesperrt“ wurden – oft bis zum Tod. Das berüchtigtste Beispiel dafür war vielleicht die besonders grauenvolle Anstalt im Bethlehem Hospital von London, verkürzt bald unter dem Namen Bedlam Hospital bekannt, aus dem wiederum das Wort bedlam (Tollhaus) entstand. Das Bedlam Hospital öffnete seine Türen für Besucher, die für einen Penny nun die angeketteten Gefangenen beobachten, stoßen und zu bizarren Reaktionen treiben konnten. Weil die Insassen von der Gesellschaft als dienstbare Instrumente des Teufels angesehen wurden, hatte man wenig Mitgefühl für ihren schrecklichen Zustand. (Im Gegensatz dazu, und das ist faszinierend, gab es im mittelalterlichen Persien bereits relativ aufgeklärt arbeitende Anstalten. Hier begann man, beruhigende Bäder, Musiktherapie und frühe Formen von Gesprächstherapie anzuwenden, um zu versuchen, Patienten ins Alltagsleben zurückzuführen). BEDLAM hieß schließlich auch ein Film, den Val Lewton 1946 produzierte und der von einem Poster beworben wurde, das proklamierte: „Sensationelle Geheimnisse des berüchtigten Irrenhauses ENTHÜLLT.“

1792 wagte es eine Anstalt in Paris erstmals, Patienten von ihren Ketten zu befreien und die fensterlose, einem Verlies ähnelnde Einrichtung zu einer sonnenbestrahlten Zuflucht zu verwandeln. Die Verantwortlichen wurden in ihrem Handeln bestärkt, als sich einige Patienten tatsächlich erholten, was man zuvor für unmöglich gehalten hatte. Das war der Beginn der langsam heraufdämmernden Ära der „Neuen Behandlungsmethoden“, in der man sich mit größerem Nachdruck um Heilung bemühte, wenngleich manchmal mit extremen und brutalen Methoden. Was unglücklicherweise anfangs aus dieser Ära hervorging, war ein entsetzliches Vermächtnis experimenteller Behandlungsmethoden. Das Spektrum umfasste das Herumschleudern von Patienten in speziellen Stühlen und mit hoher Umdrehungszahl, um „ihre Nerven zu beruhigen“, aber auch tatsächliches Foltern, um „sie wieder zu Verstand zu bringen“. Damit wurde der üble Ruf dieser Anstalten als Orte puren Horrors, aus denen nur wenige wieder ins normale Leben zurückkehrten, weiter besiegelt.

Im Laufe der nächsten 150 Jahre blieben die Anstalten der westlichen Welt Orte, die von Furcht und Ekel erfüllt waren. Die erste Einrichtung in den kurz vor der Unabhängigkeit stehenden Vereinigten Staaten von Amerika gründete Benjamin Rush 1769 in Williamsburg, Virginia. Sie blieb für die folgenden 50 Jahre die einzige Einrichtung dieser Art im Land. In dieser Zeit landeten die meisten psychisch Kranken in Armenhäusern oder Gefängnissen. Doch mit einem 1827 erlassenen Gesetz, dem „Act Concerning Lunatics“, wurde die Zwangsunterbringung geistesgestörter Menschen in Gefängnissen verboten, entstanden im ganzen Land einige Anstalten. Obwohl es einige fortschrittliche Ausnahmen gab, vor allem die Anstalten der Quäker in Philadelphia, Boston und New York, handelte es sich immer noch um Einrichtungen, die nach heutigem Standard wenig einladend waren. Patienten wurden in Zwangsjacken gesteckt, um ihnen beizubringen, wie ihre Verhaltensauffälligkeiten zu zügeln waren. Sogar Aderlässe und Darmspülungen wurden durchgeführt – all das gehörte zu den üblichen Behandlungsmethoden.

Damals entstand auch eine neue Untergruppe bei psychisch Kranken. Man unterschied nun Menschen, die von Geisteskrankheit zu schrecklichen Verbrechen getrieben wurden. 1859 wurde in New York die erste Einrichtung für solche Patienten gegründet: das State Lunatic Asylum for Criminal Convicts. Am Ende des 1.Weltkriegs, als Folge von Freuds revolutionären Theorien und der Kriegstraumata, an denen Tausende Soldaten litten, begann man, Verbesserungen an diesen Einrichtungen vorzunehmen. Die Behandlungsmethoden selbst aber blieben auf schockierende Weise brutal. Dr. Henry A. Cotton beispielsweise, Leiter des New Jersey State Lunatic Asylum, führte in den Zwanzigerjahren erstmals eine Reihe von vermeintlich therapeutischen Operationen durch. Er entfernte Zähne, Mandeln, Gedärme und Sexualorgane, von denen man glaubte, hier gäbe es Entzündungen, die Geisteskrankheiten auslösten. In den Dreißigerjahren begann Dr. Egas Moniz, ein portugiesischer Neurologe, mit einer neuen Behandlungsmethode zu experimentieren, die als präfontale Lobotomie zum Begriff wurde. Hierbei handelte es sich um einen radikalen chirurgischen Eingriff, der in dem Teil des Gehirns, in dem man das Gefühlszentrum vermutete, Nervenfasern durchtrennte. Tatsächlich beruhigte diese Behandlung Patienten mit schizophrenen Störungen und hartnäckigen Psychosen, doch die Persönlichkeit der Patienten nahm dabei schweren Schaden. Für die Entdeckung dieser Behandlungsmethode erhielt Moniz schließlich den Nobelpreis.

In den Vierzigerjahren hatte die Lobotomie ein neues Zeitalter in der Psychiatrie eingeleitet, in der nun größere Aufmerksamkeit auf die Physiologie des Gehirns und Methoden, diese zu verändern, gerichtet wurde. 40.000 Amerikaner, eine erstaunlich hohe Zahl, unterzogen sich diesem lebensverändernden Eingriff. Einige von ihnen litten an Kurzzeitdepressionen, waren geistig zurückgeblieben oder hatten schlicht ein rebellisches Wesen. Auch andere extreme Behandlungsmethoden kamen in Mode. So etwa Komata, die von Insulininjektionen ausgelöst wurden, und die Elektrokonvulsive Therapie, die auch als Elektroschocktherapie bekannt ist. Glücklicherweise wurden bis zum Ende des Jahrzehnts neue wirkungsvolle Neuroleptika entwickelt, darunter Antidepressiva und Antipsychotika. Sie versprachen menschenwürdigere, trotzdem kontroverse Behandlungsmethoden zur Kontrolle des aus der Balance geratenen Verstands.

Nach dem 2.Weltkrieg wurden erstmals spezielle Einrichtungen gegründet, um Patienten zu behandeln, die an Kriegstraumata litten. Auch diese führten zu komplexeren und verfeinerten Behandlungsmethoden. Währenddessen erwarben sich osteuropäische Nervenheilanstalten in der Ära des gerade aufgezogenen Eisernen Vorhangs einen noch düsteren Ruf. Sie galten als Orte, an denen Dissidenten und politische Gefangene brutalst bestraft wurden, an denen Experimente zur Bewusstseinskontrolle viele, die ursprünglich geistig gesund, aber politisch ungehorsam waren, in den Wahnsinn trieben.

Genau in dieser Zeit ist die Geschichte von SHUTTER ISLAND angesiedelt – am Höhepunkt der psychiatrischen Experimente der Fünfzigerjahre und kurz vor den Reformen der Sechzigerjahre, die zur Schließung vieler staatlicher Nervenheilanstalten führen würden. Um sicherzustellen, dass der Film die psychiatrischen Leitgedanken und Behandlungsmethoden dieser Ära auch authentisch zeigen würde, verpflichtete Scorsese einen speziellen Berater: Dr. James Gilligan. Er hatte in den Siebzigerjahren in Massachusetts das Bridgewater State Hospital, eine Anstalt für psychisch gestörte Straftäter, geleitet. Das Bundesgericht hatte damals den Bundesstaat Massachusetts veranlasst, es Mitgliedern der Fakultät der Harvard Medical School unter der Leitung von Dr. Gilligan zu ermöglichen, Behandlungsprogramme für Bridgewater zu entwickeln. Damit sollte dort die Versorgung psychisch kranker Patienten verbessert werden. Seitdem gehörte Dr. Gilligan zu den treibenden Kräften in der Reformierung von Einrichtungen für psychisch Kranke wie auch von Strafanstalten – und das nicht nur in Amerika, sondern weltweit.

„Wir konnten uns glücklich schätzen, Dr. Gilligan als technischen Berater im Team zu haben“, erklärt Martin Scorsese. „Sein Buch über Gewalt ist ein Klassiker, und er war vor Ort, als sich in den Sechzigerjahren die Zustände in den Nervenheilanstalten änderten. Er ist nicht nur ein ausgewiesener Experte auf diesem Gebiet, sondern versteht auch, wie eine Geschichte erzählt werden muss, wie Kunst im Lauf der Zeit die menschliche Natur reflektiert hat.“

Gilligan nahm seinen Posten in Bridgewater zu einer Zeit an, als Frederick Wisemans Dokumentarfilm TITICUT FOLLIES, eine politisch explosive Enthüllung der verabscheuungswürdigen Zustände in Bridgewater, für einen Aufschrei in der Öffentlichkeit gesorgt hatte. Er übernahm die Leitung der Anstalt genau in der Zeit, in der der Wandel zu einer menschenwürdigeren Einrichtung, die Patienten wirklich Hoffnung gab, vollzogen wurde. Gilligan erinnert sich an die Greuel, die er selbst dort noch gesehen hatte: „Die Zellen ähnelten mittelalterlichen Verliesen. Patienten waren an die Wände gekettet, wurden zurückgelassen in ihren eigenen Exkrementen. Tiere im Zoo lebten menschenwürdiger als sie. Bridgewater war Schauplatz von vielen der gleichen Veränderungen, Experimente und Konflikte, die auch im Film zu sehen sind.“

Weil er selbst eine tragende Rolle dabei gespielt hatte, die Praxis in der Betreuung von psychisch Kranken im Bundesstaat Massachusetts zu verändern, war Gilligan von der Thematik von SHUTTER ISLAND besonders begeistert - wie auch von Scorseses Entschlossenheit, der fiktiven Anstalt des Films Authentizität zu verleihen. „Marty machte deutlich, dass er innerhalb der fiktiven Welt der Geschichte absoluten Realismus in der filmischen Präsentation der Anstalt wollte. In gemeinsamer Arbeit stellten wir sicher“, fährt Gilligan fort, „dass die Geschichte diese fast kriegerische Auseinandersetzung in der Zunft der Psychiater Mitte des 20. Jahrhunderts widerspiegelte. Ein Krieg zwischen den Klinikern, die solche Patienten mit neuen Methoden der Psychotherapie, Pädagogik und Medizin behandeln wollten und Kollegen, die gewalttätige psychisch Kranke für unheilbar hielten und es befürworteten, deren Verhalten zu kontrollieren. Und zwar mit Eingriffen, die in irreversiblen Gehirnschäden resultierten, darunter willkürliche Elektroschock-Anwendungen und krude gehirnchirurgische Verfahren, wie etwa Lobotomien.

Nicht nur die verschachtelte Erzählstruktur, glaubt Gilligan, lässt den Zuschauer eine unwiderstehliche psychologische Reise antreten, sondern auch der Schauplatz des Films. „Filme sind ein mächtiges künstlerisches Medium, um unbewusste Geisteszustände, um Träume und Halluzinationen, abzubilden. Die Geschichte von SHUTTER ISLAND mag nicht wirklich reflektieren, wie Psychiater heute Patienten behandeln würden, die psychotisch, gewalttätig, selbstmordgefährdet und tief traumatisiert sind. Aber sie bringt metaphorisch zum Ausdruck, was sich im Kopf und in der Psyche dieser Figuren abspielt.“

Gilligan, der gegenwärtig an der New York University unterrichtet, war bei den Proben vor Ort, arbeitete mit DiCaprio, Ruffalo, Kingsley und den anderen Darstellern aus der Kernbesetzung zusammen, wie auch mit den Statisten, die psychisch kranke Patienten spielten. „Mein Job bestand darin, den Schauspielern zu erklären, wie solche Patienten fühlen, wie sie mit anderen agieren, wie sie aussehen und sich verhalten, wie sie emotional reagieren und sich das in ihrem Gesichtsausdruck niederschlägt. Außerdem machte ich deutlich, wie weit ihr körperlicher und geistiger Verfall gehen könnte. Jeder zeigte großes Interesse an meinen Ausführungen, und jeder Schauspieler ergänzte sie mit eigenen Recherchen.“

„Besonders beeindruckte mich, wie engagiert Leonardo DiCaprio seine Recherchen betrieb“, setzt Gilligan seine Erläuterungen fort. „Er hat sich wirklich durch die Archive gewühlt und einige psychiatrische Lehrfilme aus den Vierzigerjahren gefunden. Das waren bemerkenswerte Quellen, die auf seine Darstellung Einfluss nahmen.“ Alle Darsteller wollten an Gilligans Einblicken in die Materie unbedingt teilhaben. „Er war wirklich cool“, zeigt sich Jackie Earle Haley begeistert. „Ich erinnere mich, dass ich ihm spontan eine Menge Fragen über seine Arbeitserfahrungen an Orten wie Shutter Island gestellt habe. Ich wollte in der Gestaltung meiner Figur nicht zu weit gehen, aber er sagte nur: ‚Mann, Du würdest nicht glauben, was ich gesehen habe. Und hier sehe ich vieles, was absolut diesen Erfahrungen entspricht.‘ Alles führt zurück zu dem Ausspruch, dass die Wahrheit seltsamer ist als die Fiktion.“

Laut Brad Fischer half Gilligan auch dabei, die Spannung des Films zu intensivieren. „Seine Mitarbeit trägt wie alles andere dazu bei, eine Stimmung, eine Atmosphäre und eine Anspannung aufzubauen, wissen zu wollen, was wirklich an diesem Ort, der die schlimmsten psychisch kranken Straftäter beherbergt, vor sich geht. Der Zuschauer spürt wie Teddy diesen inneren Drang, die Vorgänge begreifen zu wollen und herauszufinden, wer die Wahrheit sagt.

Produktion: Das Design

Sobald die U.S. Marshals Teddy Daniels und Chuck Aule auf Shutter Island eintreffen, drängt sich ihnen eine unübersehbar schaurige Atmosphäre auf, die den Terror und die Angst, die sie in ihrem Innersten spüren, spiegelt. Als katastrophale Wetterbedingungen, heulende Winde und strömender Regen ihre Ermittlungen noch dringlicher machen, werden sie mit einem Ort konfrontiert, der mit imposanten Backsteingebäuden, langgestreckten Korridoren, klaustrophobischen Zellen und einer felsigen, von Wasser durchtränkten Umgebung für Desorientierung sorgt.

Um mit realen Schauplätzen diese absolut impressionistische Welt erzeugen zu können, musste die Ausstattungscrew für Martin Scorsese außergewöhnlich detaillierte Designarbeit leisten. Für diese Aufgabe engagierte der Regisseur viele, ihm loyal verbundene Kreativkräfte, mit denen er schon lange zusammenarbeitete. Darunter auch das preisgekrönte Quartett aus Kameramann Robert Richardson, Produktionsdesigner Dante Ferretti, Kostümdesignerin Sandy Powell und Cutterin Thelma Schoonmaker.

Robert Richardson, regelmäßiger Mitarbeiter Scorseses und Oscar®-Preisträger für AVIATOR („The Aviator“, 2004) und Oliver Stones JFK - John F. Kennedy – Tatort Dallas („JFK“, 1991), fiel die Aufgabe zu, das ganze Spektrum an visuellen Stimmungen, das man für den Film brauchte, zu evozieren: von geheimnisvoll und verwirrend bis hin zu wütend und panisch – und das physisch wie auch psychologisch. Richardson setzte die Kamera kreativ, geschmeidig und expressionistisch ein. Damit wollte er ein Gefühl erzeugen, als würde man sich durch einen spiralförmigen Nebel aus unbeantworteten Fragen und nachhaltiger Verunsicherung bewegen. Inspiration für ihn und Scorsese lieferte dabei eine ganze Sammlung von Filmklassikern. Dazu gehörten nicht nur die bereits erwähnten Filme, sondern auch Roman Polanskis bahnbrechende Horrorstudien EKEL („Repulsion“, 1964), WENN KATELBACH KOMMT („Cul-de-sac“, 1966) und ROSEMARIES BABY („Rosemary’s Baby“, 1968), wichtige Studienobjekte für Kamerabewegungen und Lichtsetzung.

„Ich wollte einen Weg finden“, erklärt Scorsese, „bestimmte Geisteszustände mit der Lichtsetzung, mit der Stimmung des Films und mit der Insel selbst spiegeln zu können. Der Look eines Films ist immer wichtig, aber wenn man es dabei mit dem Leben auf der Straße zu tun hat, wie etwa im Fall von DEPARTED - UNTER FEINDEN („The Departed“, 2006), findet man leichter eine visuelle Lösung. Bei SHUTTER ISLAND dagegen musste ein Geisteszustand in jedem Bild vermittelt werden. Wir mussten einen Ort erschaffen, der mehr war als nur ein Schauplatz, und darüber diskutierte ich ständig mit Bob Richardson und Dante Ferretti. „Man erzeugt visuell ein Gefühl, dass man nicht versteht, was um einen herum passiert, wer wirklich das Sagen, wer die Kontrolle hat.“

„Bob Richardson ist einzigartig“, fügt Bradley Fischer hinzu. „Schon in den ersten Bildern erkannte ich, wie variabel Lichtsetzung und Atmosphäre waren, wie man sich an eine andere Zeit, an einen anderen Ort versetzt fühlte. Ich dachte sofort, „Wow, man kann wirklich erkennen, dass Bob Richardson hinter der Kamera steht. Er gehört zu den vielen brillanten Köpfen, die Martys Ruf folgten.“

Richardsons Arbeit erwies sich als zusätzliche Inspirationsquelle für die Schauspieler. Leonardo DiCaprio verdeutlicht das: „Fast erinnert der Look an Gemälde von M.C. Escher, wo alles ein bisschen fremdartig wirkt und man nie ganz sicher ist, was man tatsächlich sieht. Das Gefühl ist allgegenwärtig, dass man an einem Ort eingesperrt ist, aus dem es kein Entkommen gibt.“

Nach langen Gesprächen über Referenzfilme, über die Struktur des Films und seine Charaktere, begab sich Scorsese mit Ferretti und Richardson auf Scoutingtour, um einen geeigneten Schauplatz für Shutter Island zu finden. Wichtig waren dabei nicht nur die richtigen logistischen Voraussetzungen, sondern auch die richtige Atmosphäre. Mehrere Locations an der Ostküste wurden in Erwägung gezogen, aber schließlich zog es die Filmemacher an die ländlichen, felsigen Küsten von Peddocks Island. Diese weniger als 160 Kilometer vor Boston liegende Insel war vor der Ankunft europäischer Siedler von Indianern bewohnt und wurde seit Mitte des 16.Jahrhunderts von Farmern landwirtschaftlich genutzt.

Ähnlich wichtig war auch die Suche nach einer Klinik oder Anstalt, mit der man das Ashecliffe Hospital für psychisch kranke Straftäter, diesen beeindruckenden, beunruhigenden Gebäudekomplex, auf die Leinwand bringen konnte. Diese Suche führte die Filmemacher auf einen faszinierenden Trip durch die Geschichte der Nervenheilanstalten. Es stellte sich heraus, dass unsere Vorstellungen davon, wie eine psychiatrische Anstalt aussieht - Backsteingotik, flügelartige Turmspitzen und ausufernde Rasenflächen - dass all das auf die ambitionierten Entwürfe von Thomas Story Kirkbride zurückging, auf einen Arzt, der im 19.Jahrhundert an der amerikanischen Ostküste lebte und arbeitete. Auf der Grundlage seiner später als „Kirkbride Plan“ bekannten Entwürfe half dieser Arzt beim Aufbau einiger psychiatrischer Anstalten in den USA.

Kirkbride hatte die Idee, Kathedralen-ähnliche Zufluchtsorte für Menschen mit psychischen Störungen zu entwerfen, um ihnen eine friedvolle, elegante, moralisch geordnete Welt zu geben, an der sie sich vorbildhaft ausrichten und orientieren konnten. Unglücklicherweise fehlte es vielen dieser Anstalten am Ende an Geld, waren sie meist auch überbelegt. In der Folge kam es zu Vernachlässigung und Verfall, wurde die riesigen Hallen zu unheimlichen Orten.

Einige Anstalten wurden nach dem Kirkbride Plan in Massachusetts errichtet, doch sie sind heute in Eigentumswohnungen umgewandelt oder absolut baufällig. Trotzdem fanden die Filmemacher eine Anstalt, die geeignet schien: das Medfield State Hospital in Medfield, Massachusetts, das seit den Sechzigerjahren geschlossen und nie renoviert worden war. Obwohl diese Klinik nicht von Kirkbride entworfen wurde, findet man dort eine ähnliche Ansammlung von zweistöckigen Backsteinbauten, umgeben von großzügig angelegten Grünanlagen. Es war der klassische Anstalts-Look, der als Grundgerüst für die Entwürfe von Ferretti tauglich war.

Diese Gebäude aber auch bewohnbar zu machen, war erst nach intensiver Vorarbeit möglich. Ferretti benutzte Kirkbrides Entwürfe als Richtschnur für seine Kreation, die auf beunruhigende Weise wie der Inbegriff einer psychiatrischen Anstalt der Fünfzigerjahre aussah. Lange vor Beginn der Dreharbeiten in Medfield präsentierte Ferretti Scorsese und Richardson ein komplettes dreidimensionales Modell vom Ashecliffe-Gelände. Dadurch wurde es beiden ermöglicht, Szenen vorab präzise zu arrangieren, Schauspieler für jede Kamerabewegung zu positionieren. Noch evokativer aber als das Modell war der reale Schauplatz.

„Meine Aufgabe war absolut klar“, erklärt Produktiondesigner Ferretti, der für Scorseses AVIATOR („The Aviator“, 2004) und kürzlich für Tim Burtons SWEENEY TODD - DER TEUFLISCHE BARBIER AUS DER FLEET STREET („Sweeney Todd“, 2007) mit dem Oscar® ausgezeichnet wurde. „Marty wollte Amerikanische Gotik - und so erschufen wir auf dem Gelände von Medfield Amerikanische Gotik. In diesem Stil entwarf ich verschiedene Eingänge und Ergänzungen zu bereits bestehenden Gebäuden“, fährt Ferretti fort. „Dann errichteten wir eine lange rechtwinkelige Mauer um Gebäude und Anlagen herum. Nicht nur, um einen abgeschlossenen Bereich zu erschaffen, sondern auch das Gefühl zu erzeugen, dass man sich hier an einem eingegrenzten, gefängnisähnlichen Ort befand, vielleicht sogar auf einer Insel innerhalb einer Insel. Das wollte ich andeuten. Wir legten auf dem Gelände auch üppigen Rasen an, mit Blumenbeeten und Steingärten, die von den Patienten sorgfältig gepflegt wurden. Außerdem haben wir alle Innenräume überarbeitet und ihnen ein neues Design verpasst. Dazu gehörten die Quartiere der Pfleger und die Ruhezonen, die Klinikkorridore, die Cafeteria, das Büro von Dr. Cawley und die Zellen der Patienten. Ich würde sagen, dass wir 60 Prozent von dem, was in Medfield zu sehen ist, von Grund auf neu gebaut haben. Sogar den Friedhof von Ashecliffe, ein Schlüsselort in der Handlung.“

Als architektonisches Double für den beeindruckenden herrschaftlichen Wohnsitz des Anstaltsleiters von Ashecliffe, den ein Großteil des Personals und der Patienten nicht betreten darf, musste der Turner Hill Golf Club in Ipswich, Massachusetts, ein Areal voller gotischer Elemente, herhalten. Hier, im fürstlichen, holzverkleideten Wohnzimmer des herrschaftlichen Hauses, das von einem riesigen offenen Kamin dominiert wurde, inszenierte Scorsese die feindseligen Begegnungen von Teddy und Chuck sowie von Dr. Cawley und Dr. Naehring. Darüber hinaus wurde die Zelle, aus der Rachel Solando barfuß und auf geheimnisvolle Weise verschwindet, in einem Lagerhaus in Medfield aufgebaut. Später verwandelte Ferretti eine verlassene Textilfabrik in Taunton, Massachusetts in einen Teilbereich des Dachauer Konzentrationslagers. Dort, umgeben von Stacheldraht, eingezäuntem Gelände und einem heruntergekommenen Eisenbahnwaggon, wird Teddy Daniels als junger Soldat grundlegend mit der Zerstörungskraft des Menschen konfrontiert.

Für die Darsteller waren diese Sets eine Art Transportmittel in eine andere Welt, weit entfernt von der Alltagsrealität. „Von der ersten Sekunde an hielt ich das Set für meine Szene in der Höhle für außergewöhnlich. Es war höhlenartig, unheilvoll, erschreckend und schien auch einen entsprechenden Geruch zu haben, obwohl das tatsächlich nicht der Fall war. Es wirkte unglaublich real und lebendig, und das bestimmte die Atmosphäre.“

Und Jackie Earle Haley fügt hinzu: „Die Sets waren ein Trip und unglaublich motivierend. Wenn ich meine Zelle betrat und die Tür geschlossen wurde, war es sehr dunkel, fühlte man sich isoliert. Man hatte überhaupt nicht das Gefühl, auf einem Filmset zu sein. Alle Wände waren vorhanden, und wenn man dagegen schlug, war man überrascht, dass es nicht Backstein war. Meiner Ansicht nach hat das wesentlich dazu beigetragen, dass wir als Schauspieler alles psychisch und emotional so nachempfinden konnten.“

Im späteren Produktionsverlauf sorgten Visual Effects Supervisor Rob Legato, Mitglied der Crew von AVIATOR („The Aviator“, 2004) und Oscar®-gekrönt für TITANIC („Titanic“, 1997) und APOLLO 13 („Apollo 13“, 1995), sowie Visual Effects Producer/Post Production Supervisor Ron Ames, der schon bei DEPARTED - UNTER FEINDEN („The Departed“, 2006) zu Scorseses Team gehörte, für weiteren Zauber. Das Duo streute dramatische Wolkenformationen in sonnigere Aufnahmen ein, intensivierte die Grautöne des Films mit digitalen Nuancen. „Sie halfen dabei, diesen speziellen Look der Klippen, des Wassers, der Höhle und des Himmels zu erschaffen - und auch das trug dazu bei, einen bestimmten Geisteszustand zu vermitteln“, erklärt Scorsese. „Das war eine große Herausforderung und war Einstellung für Einstellung bis ins kleinste Detail durchdacht.“

Auch Sandy Powell, mit der Scorsese ebenfalls schon mehrere Male zusammengearbeitet hatte, leistete ihren Beitrag zum tiefgehenden Detailreichtum der allumfassenden Welt von SHUTTER ISLAND. Die Kostümdesignerin, Oscar®-gekrönt für Scorseses AVIATOR („The Aviator“, 2004) und John Maddens SHAKESPEARE IN LOVE („Shakespeare in Love“, 1998), hat Kostüme für viele Epochen und Lebensstile entworfen, doch eine Nervenheilanstalt aus den Fünfzigerjahren war für sie eine völlig unbekannte und ungewöhnliche Welt. Ihre Arbeit begann mit ausführlichen Gesprächen, die sie mit Scorsese über die Charaktere führte.

„Er teilte mir seine Ideen mit, gab mir Einblicke und Richtlinien. All das erwies sich als unverzichtbar“, erklärt Sandy Powell. „Zum Beispiel beschieb er Teddy, den Leo verkörpert, als ‚ganz normalen, nicht besonders gut bezahlten Mann‘. Da wusste ich sofort, welche Richtung ich einschlagen wollte. In SHUTTER ISLAND dreht sich alles darum, was in den Figuren vorgeht. Die Herausforderung bestand für mich also darin, glaubwürdige Kleidung für diese Reise der Schauspieler zu entwerfen.“

Eine weitere Herausforderung war für Powell, dass sich die Story sehr temporeich, in einem komprimierten zeitlichen Rahmen entfaltete. „Die Geschichte spielt im Verlauf von vier Tagen, das ist nicht viel, um die Kleidung der Darsteller schrittweise zu verändern. Die meisten Schauspieler tragen nur ein oder zwei Kostüme, doch diese müssen einiges mitmachen. Wir mussten 44 Versionen von dem Pfleger-Outfit anfertigen, das Teddy anzieht, weil es während des Hurrikans völlig durchnässt und zerknittert wird und er ganz unterschiedliche Abenteuer damit erlebt. Er steigt ins Meer, geht an den Klippen entlang und schläft in einer Höhle. Es war ein Prozess, denn er durchläuft sozusagen verschiedene Stufen von Schmutzigkeit.“

Wichtig für Powells Arbeit an SHUTTER ISLAND waren auch die Farben, die selbst so sehr mit Psychologie verbunden sind. „An die Farben denke ich immer zuerst und normalerweise ganz instinktiv“, erklärt Powell. „Bei Dolores hatte ich beispielsweise das Gefühl, dass sie Gelb tragen sollte. Ihr Kleid bleibt im Film immer das gleiche, deshalb musste ich es perfekt hinbekommen. Andererseits wählte Ben Kingsley selbst die Farbe für sein Outfit aus, erzählte mir, dass seinem Gefühl nach seine Figur Grün tragen müsste. So fanden wir gemeinsam den richtigen Farbton, ein sattes dunkles Grün, fast ein Olivgrün, das zur Intensität dieses Arztes passt.“

Bemüht um Authentizität, suchte Powell einige Originalkleidungsstücke aus der Zeit zusammen, doch die meisten Kostüme entwarf sie selbst. „Die Anzugsstoffe aus den Vierziger- und Fünfzigerjahren waren tatsächlich viel schwerer als heute. Deshalb mussten wir für Leos und Marks Anzüge moderne Stoffe finden, die den alten möglichst ähnlich sein mussten. Die Anzüge haben wir also komplett selbst angefertigt. Von Dr. Naehring, den Max von Sydow spielt, hatte ich eine ausgeprägte Vorstellung. Bei ihm dachte ich an tiefes Schwarz mit einem betonten Ärmelstreifen. Weil ich aber keinen Stoff mit dem richtigen Gewicht fand, webten wir uns diesen selbst. Für die Figur von Michelle Williams griff ich jedoch auf einige Originalkleidungsstücke aus der Zeit zurück.“

Neben den textilen waren auch die tonalen Strukturen wichtig für den Film. Verantwortlich dafür war Music Supervisor Robbie Robertson, der Scorsese seit den Tagen kennt, als der Regisseur THE BAND – THE LAST WALTZ („The Last Waltz“, 1978), einen Konzertfilm über Robertsons einflussreiche Rockformation The Band, drehte. Scorsese erinnert sich an den Beginn ihrer aktuellen Zusammenarbeit: „Anstatt einen konventionellen Soundtrack komponieren zu lassen, sagte ich zu Robbie: ‚Warum nehmen wir nicht Stücke von einigen modernen Komponisten des 20.Jahrhunderts, dazu einige populäre Songs, und arrangieren Elemente daraus um, kreieren so eine Wall of Sound? Ihm gefiel die Idee. Wir nahmen Stücke von Krzysztof Penderecki, Max Richter, Ingram Marshall, Marcel Duchamp, Morton Feldman, Giacinto Scelsi, Nam June Paik, John Adams, Brian Eno und Robert Erickson und setzten sie auf ganz unterschiedliche Weise während des Films ein. Zu hören sind auch einige populäre Songs der frühen Fünfzigerjahre, darunter „Cry“ von Johnny Ray, „Wheel of Fortune“ von Kay Starr und „Tomorrow Night“ von Lonnie Johnson. Robbie kreierte mit diesen Stücken und Songs eine Art Musikteppich, mit dem zum Ausdruck kommen sollte, was Teddy, Chuck, Dr. Cawley und all die anderen Charaktere im Verlauf der Tage und der Geschichte fühlen.“

Produktion: Das Wetter

Wetter ist atmosphärisch von elementarer Bedeutung für viele Horror- und Gruselthriller. In SHUTTER ISLAND aber ist das Wetter nicht nur Ausdruck psychologischer Wechselhaftigkeit, sondern auch ein weiterer unberechenbarer und gefährlicher Charakter. Ein Charakter, der sich blitzschnell verändern kann – von einem silberfarbenen Dunst- oder Nebelschleier zu einem tödlichen Hurrikan der Klasse 5, der über die Insel mit heftigem Regen und Wind hereinbricht.

Special Effects Coordinator R. Bruce Steinheimer fiel die Aufgabe zu, subtile, von Minute zu Minute erfolgende Wetterveränderungen zu kreieren. Dazu gehörten Regen, der von der Seite hereinpeitschte und einen nass bis auf die Knochen machte, aber auch stürmische Böen, die Bäume entwurzelten. Steinheimer hatte mit Scorsese bereits bei GANGS OF NEW YORK („Gangs of New York“, 2002) und AVIATOR („The Aviator“, 2004) zusammengearbeitet, wusste also, dass von ihm absoluter Realismus gefordert wurde. Mit diesem Vorwissen stürzte sich Steinheimer auf seine Aufgabe, suchte mit Special Effects Supervisor Rick Thompson nach technischen Lösungen, um das Gefühl greifbar machen zu können, dass hier die Kräfte der Natur am Werk waren.

„Für den Regen“, erklärt Thompson, „benutzten wir schließlich vier über dem Set operierende Sprinkleranlagen. Zwei davon waren je 30,5 Meter lang, wurden von Kränen gehalten, ließen Wasser auf einer Fläche von etwa 42 mal 18 Meter herabregnen. Außerdem verwendeten wir quadratische Regensprinkler, die bei uns Spiders heißen. Sie produzierten Regen auf einer Fläche von 24 mal 24 Meter. Eine wirkliche Herausforderung aber waren Martys enorm einfallsreiche Kamerapositionen und Kamerabewegungen, die uns zwangen, genauso kreativ in der Platzierung unserer Sprinkler und Kräne zu sein.“

Das Wasser für die Sprinkleranlagen holten Steinheimer und Thompson mit Hochdruckpumpen aus speziellen Trucks, die 151.000 Liter aufnehmen konnten. Darüber hinaus benutzte man mehrere große Feuerwehrschläuche, die einen Wasserdruck zwischen 4,20 und 5,60 Bar erzeugen konnten, um Regen und Nebel im Finale des Films auf ein Maximum zu bringen. Doch der Hurrikan wurde nicht nur vom Regen geprägt. Für viele der spannendsten Sequenzen benötigte man mächtige Windstöße. „Dafür kamen vier Benzin-getriebene Ventilatoren zum Einsatz, die Windgeschwindigkeiten bis zu 128 Stundenkilometer erzeugen konnten“, erklärt Thompson. „Für Dialogszenen verwendeten wir auch elektrisch betriebene Modelle, sie arbeiteten leiser und produzierten Winde bis zu 120 Stundenkilometer. Außerdem brachten wir um die Ventilatoren herum Rohre an, so konnten wir seitliche Windstöße und Regengüsse in einem horizontalem Muster produzieren. Wir haben nicht nur die Schauspieler unter Wasser gesetzt, sondern auch die meisten Crewmitglieder.“

Beide Parteien, Cast und Crew, gewöhnten sich daran, sich abzutrocknen, nur um dann wieder triefnass zu werden. Sie waren auch immer bereit, sofort in Aktion zu treten, wenn das echte Wetter am Set plötzlich mit den Filmemachern kooperierte, wenn diese, ironischerweise, auf Schlechtwettertage gehofft hatten. „Wir haben drinnen gearbeitet, wenn es sonnig, und draußen, wenn es bewölkt war“, erklärt Fischer.

„Wenn nicht gerade ein Kran Wasser auf dich herabschüttelte, taten das irgendwelche Kerle mit Feuerwehrschläuchen, oder ein riesiger Ventilator blies dir Wind ins Gesicht,“, fügt Leonardo DiCaprio abschließend hinzu. „Aber so fühlte sich im Ergebnis alles sehr real an. In der Summe trug das zu dem Gefühl bei, dass diese Charaktere auf dieser Insel festsitzen, dass es wirklich kein Entkommen gibt. Und das alles war wichtig für den wachsenden emotionalen Druck, den diese Geschichte aufbaut.“

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