2006 schon wurde "Nemesis" gedreht, dies ist der letzte Film mit Ulrich Mühe, der herauskommt rechtliche Gründe sorgten für die langjährige Verzögerung. Nun ist Mühe noch einmal zu erleben mit seinem unglaublichen Können, vor der Kamera völlig natürlich, unprätentiös, ganz und gar glaubwürdig zu agieren. Was auch für Susanne Lothar gilt, die ihm in nichts nachsteht weder als Schauspielerin noch in ihrer Rolle. Nicole Moslehs Langfilmdebüt ist ein Kammerspiel für diese beiden, die mit größter Sensibilität und größter Intensität spielen. Diese beiden, die im echte Leben ein Ehepaar sind, spielen hier ebenfalls ein Ehepaar, und über weite Teile des Films sind sie mit sich allein.
Aber perfekt und glücklich ist die Ehe zwischen Robert und Claire nicht. Niemals gewesen, wahrscheinlich. Von Anfang an ist die unterschwellige Aggressivität im Umgang zu spüren, auch bei einem Besuch von Freunden bricht sie auf. Und Robert, der so redegewandt und freundlich sein kann, ist auch ein Arsch, ein Betrüger, der mit gerne mit anderen ins Bett hüpft, der sich auf seine Ehefrau Claire nie einlassen kann. Die wiederum ist eher introvertiert, was sie als Charakter nicht weniger schwierig macht: ganz offensichtlich bedingt das Verhalten des einen das des anderen Ehepartners, sie klammert, unterdrückte Wut steckt in ihr, er sucht die Freiheit, sucht Freiräume für sich.
Verbindendes Element der vergangenen Monate war der traumatisierende Tod von Claires Schwester, die brutal ermordet wurde, deren Mörder niemals gefasst wurde. Robert hatte ein Verhältnis mit der Ermordeten gehabt; doch Claire versinkt in Trauer. Das hält er nicht aus, er will sie verlassen, aber dennoch bleibt er bei ihr, sie kommen nicht voneinander los, sind nicht frei: Die Vergangenheit wurde nie bewältigt, so kann es keinen Weg in die Zukunft geben.
Das Ehedrama wandelt sich in Krimi und Psychothriller, Mühe und Lothar beharken sich, lieben sich, hassen sich, verdächtigen sich, streiten und versöhnen sich. Hinter allem der ungeklärte, der unverarbeitete Mord, der ihre mühsam zusammengekittete Beziehung auseinanderreißt; und der, weil er das eine ist, das sie verbindet, sie immer wieder zueinanderzwingt.
Nicole Mosleh weiß dramaturgisch Spannung und Atmosphäre zu schaffen und zu erhalten, sie weiß ihre Schauspieler agieren zu lassen, verschachtelte assoziative Rückblenden tragen zur Suspense ebenso bei wie das Haus, in dem der Film spielt, wie auch die Musik, die sich einfügt, die Akzente setzt; und wie die immensen Alkoholmengen, die Robert und Claire trinken, die zu einer Deeskalation nicht gerade beitragen. Mosleh erzeugt damit eine intensive Inszenierung, isoliert an einem Ort kocht alles hoch, Vergangenheit und Zukunft, Liebe und Hass, Sehnsüchte und Ängste, das Er und das Sie.
Leider ergeht sich der Film etwas zu sehr in der Verzweiflung wegen des unaufgeklärten Kriminalfalles; so dass er in seinem letzten Drittel, in einer Art Whodunnit-Phase, eben doch zu vorhersehbar wird, was die Handlung angeht. Was das Spiel der Darsteller betrifft oder die subtilen Regieeinfälle: da bleibt es spannend bis zum Schluss.
Fazit: "Nemesis" ist ein intensives Ehedrama, getragen von zwei hervorragenden Darstellern: Susanne Lothar und Ulrich Mühe dessen letzter Film dies ist.
