Mit westlichen Augen erkennt man sofort den Entwicklungsroman in diesem vietnamesischen Spielfilm - und den fernöstlichen Western, denn wenn eine Gruppe von Männern Rinder treibt, sind die Assoziationen zum amerikanischen Genrefilm kaum zu vermeiden. Einmal wird sogar eine Pistole aus einem Halfter gezogen, allerdings von einem Zollbeamten im Dienste der französischen Besatzungsmacht. Das wirkt wie ein Hinweis darauf, dass wir hier nicht auch mit unseren Blicken kolonisieren sollten.
Aber da den Mitgliedern der FBW-Jury vietnamesische Filme kaum vertraut sind, tat die Jury sich zum Teil schwer damit, diesen Film angemessen zu bewerten. Ist die auf uns zum Teil hölzern wirkende Spielweise einiger Akteure etwa in einer anderen Schauspiel- und Darstellungstradition in Vietnam begründet? Auch bei der Erzählung durch eine Abfolge von Tableaus war für die Jury schwer zu bestimmen, ob dieses dem Stilwillen des Regisseurs oder den dramaturgischen Konventionen seines Landes geschuldet war.
Doch diese Irritationen wurden bald durch die Schönheit und Poesie des Films aufgehoben. Der intelligente und begeisternde Einsatz der traditionellen Musik, die grandiose Kameraführung und die schließlich doch packende und anrührende Geschichte beeindruckten sehr. Einige fast experimental wirkende Sequenzen wie etwa die Todesszene auf dem Boot, die nur aus der langen Einstellung vom hölzernen Bug besteht, die dann langsam ins Weiße abgeblendet wird, überzeugten durch ihre Symbolkraft.
Begeistert war die Jury schließlich von der atmosphärischen Dichte des Film, der zu einem großen Teil auf dem und im Wasser spielt. Es ist schwer, Wasser filmisch interessant zu machen, Regisseur Minh Nguyen-Vo ist dies hier virtuos gelungen. Man bekommt einen intensiven Eindruck davon, wie schwer es ist, in dieser ewigen Nässe zu leben, in der man nicht einmal seine Toten angemessen beerdigen kann.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)