Das Schlimmste muss es für einen Bauern sein, in einer Welt die sich rasant verändert, immer wieder um die Existenz seines Hofes zu kämpfen. Beständig an einem Bauernleben mag einiges sein, wie die Liebe zur Natur, die Verbundenheit mit dem Familienerbe. Der Beruf an sich ist es nicht: Mindestens so sehr wie andere Unternehmer müssen Landwirte innovativ denken und experimentierfreudig sein, wollen sie ihren Besitz nicht verlieren. In Farmer John wird ein Bauer aus dem gebeutelten Mittleren Westen der USA, und mit ihm eine ganze Gesellschaftsschicht, bewegend in Lebensleistung und Gefühlen porträtiert.
Zu diesem dokumentarischen Glückstreffer trug sicherlich bei, dass Regisseur Taggart Siegel schon seit vielen Jahren das Schicksal seines Freundes John Peterson mit der Kamera festhielt. Aufnahmen von der Versteigerung der landwirtschaftlichen Maschinen, dem vorläufigen Ende von Johns Farmerexistenz in den Achtzigern, stammen aus einer damaligen Dokumentation von Siegel. Sie zeigen den jungen Peterson, der dem Leinwandhelden Ryan ONeal ähnelt, aber in unaussprechlicher Bedrückung an der Kamera vorbeischaut. Solche Szenen kann man nicht spielen ein riesiger Vorteil des Dokumentarfilms, wenn er auf einen Menschen trifft, der andere so nahe an sich heranlässt.
Schon die lebensfrohe, optimistische Mutter von John filmt mit ihrer kleinen Kamera in den Fünfzigern Szenen einer glücklichen Kindheit zwischen Strohballen und Mähdreschern. In Lebenskrisen wird sich John, der auch jahrelang in Mexiko lebt, immer wieder von den Erinnerungen an diese Kindheit gehalten fühlen. Und deswegen versteht man auch, warum dem alten Farmer, einem Nachbarn aus Illinois, die Stimme versagt, als er davon erzählt, wie in den Achtzigern das fruchtbare Bauernland des Mittleren Westens zunehmend mit Neubausiedlungen bepflastert wurde.
Zu den Filmaufnahmen aus verschiedenen Lebensepochen Johns gesellt sich dessen enorme sprachliche Ausdrucksfähigkeit, seine Freude an der Reflexion. An düstere Niedergeschlagenheit mit im Bett verbrachten Monaten nach der Versteigerung erinnert er sich ebenso intensiv, wie an die Angst, die Mutter zu enttäuschen und die Anfeindungen der Nachbarn, die den schrägen Vogel mit den Hippiefreunden ausgrenzen. Verwandte, Nachbarn und Mitarbeiter reichern das Ganze mit eigenen Statements an.
Die intuitive Kamera spiegelt die Kreativität von John Peterson: Eine typische kleine Szene wird im Laufschritt direkt in den Gemüsedschungel zwischen den Ackerfurchen hineingedreht, mit einer lockeren Countrymusik untermalt. Und weil dieser John so neugierig und offen ist, bevölkern seinen Hof bald idealistische Praktikanten, mexikanische Arbeiter, afrikanische Flüchtlinge, und immer wieder alternativ angehauchte Künstler. Dann macht John seinen auf Biolandwirtschaft umgestellten Hof zum CSA-Betrieb: Menschen aus der Gemeinde beteiligen sich finanziell an der Community Supported Agriculture, bekommen dafür Gemüse und wissen, dass sie dem Land und ihren Kindern etwas Gutes tun.
Wer dachte, dass Landwirtschaft sich nicht mit Freidenkertum verbinden lässt, der kannte Farmer John noch nicht, oder die alternativen Landkommunen der Siebziger, die, nun ja, nicht alle überlebt haben, aber die Vorläufer der Ökobewegung waren. Es ist erstaunlich, wie der um die Existenz kämpfende Bauer immer wieder auf Gleichgesinnte trifft, die auf seinem Land aufleben, weil sie ebenfalls mit der Natur und ihren Früchten in Kontakt sein wollen. Und wie der Ökobauer letztlich das Erbe seiner Eltern nachhaltiger zum Blühen bringt, als er es sich früher hätte träumen lassen.
Fazit: In dieser bewegenden, außergewöhnlichen Dokumentation erzählt ein Farmer aus dem Mittleren Westen von Höhen und Tiefen aus 40 Jahren Landwirtschaft, von künstlerischen Interessen und der Erfüllung als Biobauer.