Miss Julie: Als psychologisches Kammerspiel mit einer Prise Gesellschaftskritik hat Mike Figgis das klassische Strindberg-Drama „Fräulein Julie“ fast im Dogma-Stil verfilmt. Wie im Theater konzentriert er die Handlung auf einen Raum, die gräfliche Küche, in der sich die Machtspiele der schönen unglücklichen Tochter des Hauses mit dem attraktiven und ehrgeizigen Diener ihres Vaters abspielen. Trotzdem erzählt Figgis nicht theatralisch...
Darsteller und Crew
Regisseur
Produzent
- Annie Stewart,
- Willi Baer,
- Etchie Stroh,
- Annie Stewart,
- Willi Baer,
- Harriet Cruickshank,
- Etchie Stroh
Darsteller
- Saffron Burrows,
- Peter Mullan,
- Maria Doyle Kennedy
Drehbuch
Musik
Kamera
Schnitt
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Kritikerrezensionen
Miss Julie Kritik
Als psychologisches Kammerspiel mit einer Prise Gesellschaftskritik hat Mike Figgis das klassische Strindberg-Drama „Fräulein Julie“ fast im Dogma-Stil verfilmt. Wie im Theater konzentriert er die Handlung auf einen Raum, die gräfliche Küche, in der sich die Machtspiele der schönen unglücklichen Tochter des Hauses mit dem attraktiven und ehrgeizigen Diener ihres Vaters abspielen. Trotzdem erzählt Figgis nicht theatralisch, sondern in der Intimität der Situationen und Konfrontationen sehr filmisch und dürfte damit nicht nur literarische Gourmets, sondern auch nicht wenige Arthouse-Kinofans interessieren.
Zur Jahrhundertwende in einer schwedischen Mittsommernacht spielt das 1888 geschriebene und wegen seiner provozierenden Erotik seinerzeit in mehreren Ländern verbotene Theaterstück. Figgis hat in der nicht über die Maßen wandlungsfähigen Saffron Burrows und dem dafür um so großartigeren Peter Mullan („Mein Name ist Joe“) zwei Darsteller, die trotz des Jahrhundertwende-Ambientes und der Kostüme ganz moderne Charaktere sind. Julie wuchs in einem glücklichen Elternhaus auf, hat eine geplatzte Beziehung hinter sich, ist romantisch und liebeshungrig. Und natürlich spielt sie in ihrer Position die Klassenunterschiede aus und befiehlt Jean, mit ihr zu tanzen. Das emotionsgeladene Zusammensein, das sich daraus entwickelt, steigert sich zu einem heißen Duell, bei dem Vorurteile und Aggression frei werden und die Positionen von Unterdrücker und Unterdrücktem heftig wechseln. Der rabiate Sex, den beide haben, wird von Figgis in Split-Screen-Bildern gezeigt wie eine regisitrierende Beobachtung, die zur Distanz einlädt und keine Identifikation zuläßt, aber auch nicht voyeuristisch ist. Kameramann Benoit Delhomme gelingen mit der 16mm Handkamera beeindruckende und oft extrem detaillierte Großaufnahmen. Seit „Leaving Las Vegas“ und kürzlich „The Loss of Sexual Innocence“ ist Mike Figgis ein begeisterter Handkamera-Filmer und schafft mit dieser visuellen Ästhetik eine Direktheit der Erzählung, die Intimität glaubwürdig und realistisch macht. In der intellektuellen und kreativen Haltung ist er den Dogma-Dänen sehr nahe, nur mag er sich nicht den Regeln unterwerfen, die ihm Soundtrackmusik, Studio und Kunstlicht verbieten.
Bereits 1951 gab es einen schwedischen „Fräulein Julie“-Film von Alf Sjöberg, der immer als exemplarisch galt und Bergman-Darstellerin Anita Björk in der Titelrolle besetzt hatte. Er war vielleicht metaphysischer, gründlicher, nordischer mit seinen erklärenden Rückblenden in Julies Kindheit. Aber Figgis‘ Film ist provozierender, dynamischer durch Kamera und Schnitt, unmittelbarer im Realismus der Erzählung bis hin zur Melancholie der verzweifelten Konsequenz am Ende. fh.
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