Regisseur Clint Eastwood vermag es wie kein anderer gegenwärtiger amerikanischer Regisseur, einfache Geschichten einfach zu erzählen und aus ihnen doch komplexe Fabeln über das Leben zu gestalten, die alles andere als banal sind. In "Mystic River" von 2003 hatte er die Fortpflanzung von Sünde und das Unvermögen zur Vergebung über mehrere Generationen gezeigt; nun, in "Million Dollar Baby", lässt er zwei Menschen langsam aufeinander zugehen, zwei Menschen, die nur noch aus der Vergangenheit und aus ihren Träumen leben und die alles füreinander werden.
Frankie Dunn hatte sich 23 Jahre zuvor mit seiner Tochter zerstritten, sie hatte ihn verlassen die genauen Gründe werden nie erklärt, doch seither geht Dunn jeden Tag in die Heilige Messe, und er verwickelt den Priester in halb belustigte Streitgespräche über die unbefleckte Empfängnis oder die Dreieinigkeit. In seinem Boxcenter zieht Dunn die verlorenen Seelen aus allen Teilen des Landes an, die für ihn zur Ersatzfamilie werden: Scrap, das Faktotum des Trainingstudios, der schmächtige und etwas zurückgebliebene Junge, der sich Danger nennt und dessen Traum eines Weltmeisterschaftskampfes nie in Erfüllung gehen kann, oder Big Willie Little, der gut boxt und dann, kurz vor einem Meisterschaftskampf, von Frankie zu einem anderen Manager wechselt. Maggie Fitzgerald hat niemanden mehr auf der Welt, außer dem Traum vom Boxen, und mit Beharrlichkeit und einer kleinen Hilfe von Scrap gelingt es ihr, Frankie dazu zu bewegen, sie zu trainieren sie gewinnt jeden Kampf, mit einer trockenen Kombination schickt sie ihre Gegnerinnen schon in der ersten Runde ins K.O., sie hat die Chance einer Boxkarriere ergriffen und findet ihre Erfüllung darin.
Indem Maggie im Boxen ihren Lebenssinn findet, stiftet sie auf für Frankies Leben wieder einen Sinn, ganz langsam, ganz behutsam entwickelt sich die enge Beziehung zwischen den beiden als Maggie genug Geld verdient hat, kauft sie ihrer Mutter ein kleines Häuschen, und die Mutter beschwert sich bitter, weil sie nun, als Hausbesitzerin, aus Sozialhilfe und Krankenkasse herausfällt. Danach fahren Frankie und Maggie im Auto direkt in eine Schwarzblende, sie sind nun allein im Wagen, umgeben von Dunkelheit, Frankie, Maggie und im Gespräch die Erinnerungen an früher: in ganz einfachen Bildern ist ganz klar, wie eng nun Frankie und Maggie in ihrer Ersatzfamilie miteinander verknüpft sind, und es ist das Verdienst Eastwoods, dass sich diese Einfachheit nicht als Plattheit ausdrückt.
Eastwood geht in seiner Inszenierung ganz von den Figuren aus, aus ihnen lässt er alles übrige sich entwickeln ein bisschen hat er sich und seine Arbeitsweise in der Figur des Frankie Dunn portraitiert (den er selbst spielt), in dem alternden Boxtrainer, der schon viel gesehen hat, der stets ruhig ist und gelassen und mit einem leisen, trockenen Humor ausgestattet. Aus komplexen Charakteren eine einfache, fesselnde Geschichte zu spinnen, das macht Eastwoods Kino aus. Und daraus erwächst die lockere Tiefgründigkeit, die nie aufdringlich wirkt, und deshalb sind seine Filme so eindringlich.
Die Boxkämpfe sind so inszeniert, dass sie richtig weh tun; und gerade weil der Zuschauer Zeuge geworden ist von der tiefen Vater-Tochter-Bindung, die zwischen Frankie und Maggie entstanden ist, wird er emotional stark mitgenommen, wenn diese Beziehung in die letzte Konsequenz weitergetrieben wird, bis zu dem Punkt, an dem eine reflexartige, ungerechtfertigte Kritik der religiösen Rechten in Amerika nicht ausbleiben kann.
Das Leben ist wie ein Boxkampf: Man muss sich stets selbst schützen; das Leben ist vollkommen anders als ein Boxkampf, wenn es noch jemand anderes gibt, der den Schutz braucht. Und manchmal muss man im richtigen Moment das Handtuch werfen, den Kampf abbrechen, denn das Verlieren und der Verlust gehören zum Boxen wie zum Leben dazu.
Fazit: "Million Dollar Baby" ist ganz großen Kino von Regisseur Clint Eastwood, das sich ganz unaufdringlich mit den großen Fragen nach dem Sinn des Lebens, den Fehlern des Lebens und dem Verlust des Lebens auseinandersetzt.