Mein liebster Feind - Klaus Kinski: Faszinierender Dokumentarfilm, in dem Werner Herzog über seine Arbeit mit und Haßliebe zu Klaus Kinski berichtet.
Mit seiner Dokumentation aus dem Herzen der Finsternis, einer sehr persönlichen Betrachtung über seinen Star Klaus Kinski, überraschte und überzeugte Werner Herzog dieses Jahr in Cannes. Mit seiner Rückkehr auf die Leinwand nach acht Jahren läßt Herzog dabei auch noch einmal sein eigenes Werk Revue passieren.
Spannend wie einen Spielfilm inszenierte Werner Herzog die Semi-Dokumentation, die als einziger deutscher Beitrag, wenn auch außer Konkurrenz, im Wettbewerb von Cannes lief. Ausgesprochen kurzweilig und streckenweise richtig komisch, bewegte er, sorgte für Gesprächsstoff - und weckte Erinnerungen an Zeiten und Filme, deren innovative Qualitäten man sich dieses Jahr im Festivalpalais des öfteren gewünscht hätte. Als einer der großen „alten“ Männer des deutschen Films hatte er vor allem mit seinem Lieblingsfeind in den 70ern und 80ern aufsehenerregende Filme für heutzutage lächerlich geringe Budgets geschaffen. In „Mein liebster Feind“ wandert Herzog selbst als Erzähler durch die Filmwelt, die er mit Kinski erbaut hatte, besucht alte Drehorte, befragt Zeitzeugen, und läßt keinen Zweifel daran, daß sie sich beide gegenseitig brauchten. Ohne die Zusammenarbeit, die bis hin zur körperlichen Attacke und Morddrohung reichte, glorifizieren zu wollen, kann Herzog sich genau dem nicht immer entziehen. Wirkt sein Ton, während er über die alten Felder der Glorie, z. B. den Drehplätzen von „Aguirre, der Zorn Gottes“ im abgelegensten Peru, wandert, bisweilen auch etwas selbstversonnen, manchmal vielleicht sogar eitel - gerne verzeiht man diese läßliche Sünde, gelingt es Herzog doch immer, gut zu unterhalten - und das auf Spielfilmlänge. Dabei fließt neues Material, ein Besuch z. B. in einer ehemaligen Schwabinger Pension, in der Herzog als 13jähriger mit Mutter und Geschwistern lebte und schon damals den exzentrisch-gewalttätigen Ergüssen des Mitbewohners Kinski ausgesetzt war, mit bereits bekanntem Material zusammen, etwa aus Les Blanks Doku-Klassiker „Burden of Dreams“ über die Entstehungsgeschichte von „Fitzcarraldo“. Der Schrecken der frühen Bekanntschaft jedenfalls hinderte Herzog nicht daran, viele Jahre später die gemeinsame Arbeit zu suchen, und als einziger Regisseur mehr als einen Film mit Kinski zu drehen. Ganze fünf Filme haben der Regisseur und sein charismatischer Star, der seine Allüren so weit wie sonst keiner trieb und sich regelmäßig am Set austobte, ausschrie, gemeinsam durchlitten - und für beide sind es ihre größten Erfolge geblieben. Kinskis Leben lag dabei wohl mehr als einmal in Herzogs Hand, z. B. als die Indianer am Set von „Fitzcarraldo“ dem Regisseur ernsthaft vorschlugen, den „Geistesgestörten“, den sie verachteten, umzubringen - und es wohl auch getan hätten. Herzog selbst hinderte dann mit gezückter Waffe Kinski am Verlassen des Drehorts, kurz vor Fertigstellung des Films.
Genie oder Wahnsinn, was Klaus Kinski trieb, erfahren wir auch von Herzog nicht, der ihn wohl wie keiner kannte. Auch nicht, warum diese Männerfreundschaft, die zwischen Bewunderung und Haß schwankte, so lange währte. Die Darstellerinnen an Kinskis Seite, Claudia Cardinale („Fitzcarraldo“) und Eva Mattes („Woyzeck“), bescheinigen ihm jedenfalls nicht nur größte Professionalität, sondern auch menschliche Wärme.
Wie ein altes Ehepaar kleben die beiden zusammen, gräbt sich Herzog heute in die Erinnerungen und fahndet in den unerforschbaren Abgründen des Künstlers und Menschen Kinski. Seine Faszination überträgt sich, auch viele Jahre nach Kinskis Tod, nahtlos auf den Zuschauer. boe.