Marlene: Opulent ausgestattetes Denkmal für die große deutsche Diva, von Joseph Vilsmaier als epische Liebesgeschichte realisiert.
Joseph Vilsmaier, von jeher mutiger Inszenator großer Kino-Epen, hat sich einer Legende gewidmet und das Leben der Marlene Dietrich zwischen dem Berlin der 30er Jahre und ihrer Hollywood-Zeit bis 1945 erwartungsgemäß opulent in Szene gesetzt. „Marlene“, mit knapp 18 Mio. Mark die teuerste deutsche Filmproduktion der Nachkriegsgeschichte, hält sich nicht strikt an überlieferte Fakten, sondern behält sich vor - frei nach wahren Begebenheiten -, das Leben des Mythos assoziativ mit einer fiktionalen Romanze zu verknüpfen.
15 Jahre aus dem Leben der Dietrich, vom Kochtopf in Berlin zur Villa in Hollywood - das Drehbuch von Christian Pfannenschmidt (Autor der ZDF-Serie „Girl Friends“) umschließt die Geschichte einer beispiellosen Karriere mit einer Rahmenhandlung in den 70ern und fügt eine neue, andere Sicht auf längst festgelegte Typologisierungen hinzu. Vielleicht in der Absicht, den gerade durch seine Ecken und Kanten bis zur madness zerissenen Charakter der Dietrich durch eine Liebesgeschichte, in der sie „einfach nur Frau“ sein darf, zu entschärfen.
Das Leben der Diva im Filmbusiness wird dabei von seiner klischeehaften Seite gezeigt, mit Liebhabern, die sich die Klinke in die Hand geben, Alkohol- und Tablettenorgien, die im Katzenjammer enden und Marlene mehr und mehr von ihrer Umwelt isolieren. Stets begriff sie sich als Familienmensch, die starke Mutterfigur, die alles am Laufen hält - und sich dafür so einige Freiheiten genehmigt. Katja Flint, optisch die Reinkarnation der Dietrich, verleiht ihrer Rolle - in diesem Sinne durchaus der einer „modernen“ Frau - differenzierte Aspekte. Ihre „Marlene“ ist weder nur die taffe Karrieristin, die den Erfolg über alles stellt, noch das Opfer, dessen Ruhm im Bett erst des exzentrischen, erfolgsbesessenen Josef von Sternberg (TV-Darsteller Hans-Werner Meyer nicht optimal besetzt) begann. Sie versucht, die Widersprüche des Weltstars, der Kind, Karriere und privates Glück suchte und die Einsamkeit fand, auf die Leinwand zu bringen.
Vilsmaier verlässt sich, wie schon bei „Comedian Harmonists“, ganz auf die Wirkung seiner Schauspieler und Schauplätze. Doch er kommt den Stars, allen voran seiner Leading Lady Katja Flint, nicht wirklich nahe. Mit einer gewissen Distanz lässt er den Zuschauer seinen eigenen Zugang zur Titelheldin finden - ohne dem Mythos sein Rätsel zu entreißen. Um die Frage zu beantworten, was Generationen an dieser hinreißend aussehenden Berliner Schnauze, in die Flint immer wieder verfällt, fasziniert hat, fehlen dem monumentalen Epos dann doch die intimeren Momente. Vielleicht liegt es daran, dass sich Vilsmaier erstmals die Produktionstätigkeit teilte - mit Katharina Trebitsch und Jutta Lieck-Klenke (TPI Trebitsch Produktion International), nach deren Idee das Projekt entwickelt wurde. Selbstverständlich ist die Technik perfekt, vor allem Vilsmaiers Kameraarbeit und das superbe Produktionsdesign von Oscar-Preisträger Rolf Zehetbauer („Cabaret“), und alles, was in Deutschland Rang und Namen hat, ist vor der Kamera versammelt. Herausragende Leistungen sind vor allem auch in den Nebenrollen auszumachen, Armin Rohde etwa als Emil Jannings, Heiner Lauterbach als UFA-Produzent Pommer oder Christiane Paul als Geliebte von Marlenes Ehemann Rudolf Sieber (Herbert Knaup).
Die Dietrich pflegte und kultivierte ihr Image - die letzten zehn Jahre vor ihrem Tod 1992 vergrub sie sich in ihrem Pariser Apartment. Der nie verblasste Ruhm der blonden Legende, der Vilsmaier/Flint ein Denkmal gesetzt haben, und die nach wie vor packende Faszination ihrer wunderschönen Lieder sollte die Zuschauer auch im neuen Jahrtausend in die Kinos strömen lassen. boe.