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Manche hatten Krokodile: Um den Hamburger Stadtteil St. Pauli ranken sich zahllose Legenden und Mythen, die seit jeher die eher triste Realität aus stark steigenden Mietpreisen und Existenzängsten überspielen. Heute müssen selbst Rentner einen Nebenjob ausüben, um sich über Wasser halten zu können. Das war aber nicht immer so. Früher kamen viele Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen auf der Suche nach etwas Neuem nach St. Pauli...

Handlung und Hintergrund

St. Pauli ist Kult und hat wie kein anderer Kiez zahlreiche Mythen befeuert. Doch die Realität sieht oft trister aus. Die alteingesessenen Bewohner sind vor vielen Jahrzehnten in den Stadtteil gezogen - auf der Suche nach Freiheit und einem alternativen Lebensentwurf. Sie arbeiteten als Stripperin, Bardame, Türsteher oder Zuhälter, um sich den Lebensunterhalt zu verdienen. Doch von den aufregenden Zeiten ist nicht mehr viel übrig. Die alten Bewohner müssen mit steigenden Mieten, sinkenden Renten und Existenzängsten kämpfen. Zur Oase werden die zahlreichen Stammkneipen wie „Hong Kong“, „Utspann“ oder „Kaffeepause“, in denen eine familiäre Atmosphäre herrscht. Dort können die Bewohner sich an ihre Jugend zurückerinnern, lachen und trinken. In jeder Kneipe hängt ein sogenannter Sparkasten, in den jeder Stammgast fleißig Geld einwirft. Am Ende des Jahres werden die Ersparnisse bei einer großen Weihnachtsfeier an die Besitzer verteilt. Der Filmemacher Christian Hornung taucht in diese eigene kleine Welt ein, ohne zu werten oder zu kommentieren. Stattdessen beobachtet er und lässt die Bewohner nostalgisch in den alten Zeiten schwelgen, als der Szenebezirk noch wirklich verrucht war und der Rubel im Hafenviertel noch rollte.

Besetzung und Crew

Regisseur
  • Christian Hornung
Produzent
  • Andrea Schütte,
  • Dirk Decker
Drehbuch
  • Christian Hornung
Musik
  • Eike Swoboda,
  • Nadja Rüdebusch
Kamera
  • Martin Neumeyer
Schnitt
  • Christian Hornung,
  • Maria Hemmleb

Kritikerrezensionen

    1. Manche kamen aus familiären, manche aus beruflichen Gründen. Manche wollten aussteigen aus ihrem bürgerlichen Leben, manche wollten nur kurz Halt machen und blieben dann ein Leben lang. Sie alle sind irgendwann gestrandet in St. Pauli, diesem Hamburger Stadtteil, dessen Legenden und Mythen seit jeher die Realität überstrahlen. Denn die ist oft trostlos. Wohnungspreise schnellen aufgrund von Gentrifizierung in die Höhe, selbst Rentner müssen sich mit Nebenjobs über Wasser halten, um sich das Leben überhaupt noch leisten zu können. Doch bei all dem Negativen bleibt die Kneipe ums Eck immer noch der sichere Hafen, den alle ansteuern. Hier ist man eine eingeschworene Gemeinschaft, hier tauscht man sich aus - und hier spart man gemeinsam. Die „Sparclubs“ findet man noch vereinzelt in den Kneipen. Hier hängen die Sparkästen. Jeder Stammkunde hat ein eigenes kleines Fach und muss pro Woche einen bestimmten Betrag einzahlen. Am Ende des Jahres bekommen alle das jeweils Gesparte ausgezahlt. Bei einer gemeinsamen Weihnachtsfeier. Der Filmemacher Christian Hornung begibt sich mit seinem Film MANCHE HATTEN KROKODILE auf die Spuren der Geschichte, der Leute, der Legenden, die St. Pauli sind. Er besucht die Alteingesessenen in ihren Stammkneipen und lässt sie einfach erzählen. Von ihren Erinnerungen an früher, als der Stadtteil noch richtig verrucht war. Als die Arbeit in den Bars und Stripclubs noch mit Exotik behaftet war, als der Rubel im Hafen noch rollte. Heute, und das steht in den vom Leben gegerbten Gesichtern geschrieben, ist es Geschichte, überlebt haben nur die oftmals verklärten Erinnerungen. Hornung mischt sich nie fragend in das Geschehen ein, macht sich mit seiner ruhig positionierten Kamera aber auch nicht unsichtbar und vertraut ganz auf die Wirkung seiner hervorragend ausgewählten Protagonisten, die er nie inszeniert, aber sich selbst in Szene setzen lässt. Der Zuschauer ist lediglich Beobachter und entwickelt trotzdem eine gewisse Nähe zu den Menschen. Doch, und auch das macht der Film auf sehr subtile Weise klar, es ist nur ein kleiner Blick in eine eigene Welt, die für sich existiert und die dem Außen trotzt. Deswegen verlässt die Kamera zum Schluss auch respektvoll die Kneipe, in der gefeiert, getrunken, geredet und gelacht wird. MANCHE HATTEN KROKODILE ist ein wahrhaftiger und sehr authentischer Dokumentarfilmgenuss, der in knapp 90 Minuten in eine Welt einlädt, in der manche sich am liebsten an früher erinnern und manche trotzig nach vorne blicken. Und in der manche sogar Krokodile hatten.

      Jurybegründung:

      Dass St. Pauli ein spezieller Mikrokosmos ist, wird jedem bewusst sein, der schon einmal dort war. Doch um Menschen, die das berühmte Viertel in Hamburg bewohnen, wirklich kennenzulernen, müssten wir uns schon etwas mehr Zeit nehmen. Das hat Christian Hornung mit seinem Dokumentarfilm geleistet. In seiner dokumentarischen Herangehensweise eher klassisch, erzählt er von in St. Pauli gestrandeten Menschen bzw. lässt diese von sich erzählen. Klassisch deswegen, weil die Kamera meist starr ist und ganz auf die einzelnen Charaktere vertraut, die davon erzählen, wie sie nach St. Pauli gekommen sind und was sie bis heute dort gehalten hat. Mit großer Sympathie und respektvoll wird diesen Menschen begegnet und Raum für ihre Erzählungen gelassen. Wie viel Seemannsgarn darunter ist, kann jeder selbst entscheiden. Was auffällt: Dass es um den Mythos St. Pauli geht, den paradigmatischen Ort der Lebenskünstler. Entsprechend schwebt eine Atmosphäre der Melancholie oder Nostalgie über den Geschichten. Die Menschen, denen wir begegnen, sind die Dinosaurier St. Paulis, sozusagen die letzten derjenigen, die den Mythos noch erlebt haben.
      Diese fast Tableau artigen Bilder sind klug miteinander verbunden und werden durch weitere klare dramaturgische Bauformen ergänzt, die jeweils mit klaren formalen Mitteln versehen werden: wenn die Handkamera einer neu eingeführten Person folgt, so dass diese so lange zu sehen ist, bis sie die Kneipe oder einen anderen Arbeitsplatz (Friseurladen z. B.) erreicht hat; wenn vor der Kamera vorbeifahrende Fahrzeuge wie eine Wischblende verwendet werden, so dass die Ladenansicht in Zeitsprüngen wechselt. Sehr schön wird so die Veränderung sichtbar, der stetige Wandel, der quer zu den alteingesessenen Bewohnern steht.
      Christian Hornungs MANCHE HATTEN KROKODILE ist ein kluger und unterhaltsamer Dokumentarfilm im beobachtenden Stil, der in seiner klassischen Art nicht zufällig an den berühmten Dokumentarfilmer Klaus Wildenhahn erinnert.

      Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)
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    2. Manche hatten Krokodile: Um den Hamburger Stadtteil St. Pauli ranken sich zahllose Legenden und Mythen, die seit jeher die eher triste Realität aus stark steigenden Mietpreisen und Existenzängsten überspielen. Heute müssen selbst Rentner einen Nebenjob ausüben, um sich über Wasser halten zu können. Das war aber nicht immer so. Früher kamen viele Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen auf der Suche nach etwas Neuem nach St. Pauli – ob als Tänzerin, Wirt, Seemann oder Zuhälter. Heute sind ihnen fast nur noch die Erinnerungen geblieben und die sogenannten Sparclubs, die es in vereinzelten Stammkneipen gibt. Jeder zahlt hier regelmäßig in seinen Sparkasten ein, das Geld kommt auf ein gemeinsames Bankkonto und am Ende des Jahres wird es wieder ausgezahlt. Für seinen Dokumentarfilm „Manche hatten Krokodile“ geht Filmemacher Christian Hornung auf Tuchfühlung mit den alten Bewohnern dieses besonderen Kiezes, die tiefe Einblicke in ihre Leben und ihr Stadtviertel gewähren…

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