Lola: Eine Großmutter trauert um ihren Enkel, der niedergestochen wurde. Die Großmutter des festgenommenen jungen Täters versucht sie zu überreden, nicht auf einer harten Strafe zu beharren. Drama des im Festivalzirkus anerkannten, eigenwilligen philippinischen Filmemachers Brillante Mendoza.
Festivalliebling Brillante Mendoza erzählt die Geschichte zweier Großmütter, deren Wege sich wegen einer Bluttat kreuzen - und gleichzeitig vom Leben und Überleben in Manila.
Der Filmtitel klingt nach Halbwelt, nach Nachtclub und natürlich nach Rainer Werner Fassbinder. Aber nichts von dem hat der philippinische Cannes-Regiepreisträger Brillante Mendoza („Kinatay“) im Sinn, bedeutet „Lola“ auf Philippinisch doch nichts anderes als „Großmutter“. Entsprechend spielen zwei Damen fortgeschrittenen Alters die Hauptrollen. Da ist zunächst Lola Sepa (Anita Linda, Jahrgang 1924) deren Enkel gerade getötet wurde - von einem jungen Mann, der es auf sein Handy abgesehen hatte. Und dann ist da Lola Puring (Rustica Carpio, Jahrgang 1930), deren Enkel der Täter ist. Die Polizei hat ihn schon verhaftet. Die eine Oma will Gerechtigkeit um jeden Preis, die andere Gnade.
Ein klassisches Schuld-und-Sühne-Drama - aber nur im Ansatz. Denn Mendoza macht viel mehr aus seinem im Ansatz höchst simplen Plot. Er erzählt vom Leben, vom Überleben im modernen Babylon Manila. Er folgt Sepa zum Bestattungsunternehmer und bei ihren Behördengängen, bei ihren Versuchen das Geld für seine Beerdigung zusammenzukratzen. Und er begleitet Puring, wenn sie ihren inhaftierten Enkel besucht, ihm Essen bringt und ihrerseits alles daran setzt, die Pesos für eine außergerichtliche Einigung aufzutreiben. Mit kleinen Wechselbetrügereien, mit Bittbesuchen bei der Schwester auf dem Land.
Dazu prasselt fast die gesamte Filmhandlung lang Regen herab. Die Omas kämpfen mit ihren Regenschirmen, während Mendozas Kameramann Odyssey Flores an ihnen klebt, wenn sie mühevoll Treppen steigen, sich durch enge Gassen drängen oder auf Sampans die Wasserwege der brodelnde Metropole befahren. Aus den Perspektiven der Frauen erzählt Drehbuchautorin Linda Casimiro, reichert ihre Geschichte mit zig beiläufig eingeflochtenen Alltagsbeobachtungen an. Dazu passt, dass der Filmemacher sich nicht um einen „sauberen“ Ton kümmert: Verkehrslärm, Stimmengewirr, Geschrei und Gehupe sind stets präsent, Großstadt wird so nicht nur sichtbar, sondern streckenweise schmerzlich spürbar.
Dabei verliert der Film die beiden „Heldinnen“ nie aus den Augen. Wie der Pasig durch Manila fließt, treiben sie durch den Film. Dabei schaut man ihnen gerne zu. Weil Linda und Carpio überzeugend agieren, vor allem aber weil sie das emotionale Herz der Arbeit sind. Sie verkörpern Vertreterinnen längst verloren geglaubter Ideale, stehen für Aufrichtigkeit, für Ausdauer und Mut, für Willensstärke und Durchsetzungskraft. Sie, mutmaßt Mendoza, der sich hier endgültig als spannender, höchst vielseitiger Regisseur beweist, besitzen die Fähigkeit, die Welt zu heilen. Es besteht also noch Hoffnung. geh.