Lightning in a Bottle: Dokumentation über das legendäre Kick-off-Konzert des amerikanischen "Jahr des Blues" in der Radio City Music Hall in New York 2003.
Dokumentarfilme haben zur Zeit Konjunktur, Musik-Dokus sind schon länger angesagt. So lockte der wortgewaltige Bush-Feind und „Nestbeschmutzer“ Michael Moore mit „
Bowling for Columbine“ zuletzt die Kinobesucher wie sonst nur Stars vom Format eines Tom Cruise, und Wim Wenders‘ „Buena Vista Social Club“ löste 1999 eine wahre Son-Mania aus. Eigentlich also ideale Voraussetzungen für eine solide Auswertung von Antoine Fuquas Blues-Hommage „Lightning in a Bottle“, einem überaus sehens- und hörenswerten Konzertmitschnitt aus der Radio City Music Hall.
„Salute to the Blues“ hieß es am 7. Februar 2003 in New York. Gastgeber Martin Scorsese hatte geladen und alle waren sie gekommen, die letzten noch lebenden Bluesgrößen von B.B. King bis Buddy Guy, von David „Honeyboy“ Edwards bis zum legendären „Fat Man“ Solomon Burke. Eine musikalische Zeitreise war angesagt, eine musikalische Geschichtsstunde, die ihren Ausgang in Afrika nimmt, über das Mississippi-Delta und die Baumwollfelder nach Memphis und Chicago führt, dann nach Großbritannien und schließlich wieder zurück nach Amerika. Das freilich restlos ausverkaufte Benefizkonzert, dessen Einnahmen der musikalischen Ausbildung Jugendlicher zugute kamen, bildete den Auftakt zum vom US-Kongress ausgerufenen „Year of Blues“, in dessen Rahmen auch sieben von Scorsese produzierte Blues-Filme entstanden, darunter Wim Wenders‘ „
The Soul of a Man“ (Start: 6. Mai) und Mike Figgis‘ „
Red, White & Blues„.
Zunächst blickt Regisseur Fuqua („
Training Day„) hinter die Kulissen des ungewöhnlichen „Gipfeltreffens“, schweift mit der Kamera durch Garderoben, stolpert Backstage über Kilometer von Elektroleitungen, Türme von Scheinwerfern und Schaltkästen sowie hektisch werkelnde Techniker und lässt so die logistische Herausforderung eines solchen Unterfangens erahnen. Derweil begrüßen sich die Altvorderen des Blues, ziehen gemeinsam einen Joint durch, bewundern gegenseitig das flotte Outfit und freuen sich, dass es zur Abwechslung mal nicht ein Begräbnis ist, das sie zusammen gebracht hat.
Und dann geht’s los: Angélique Kidjos Stimme erklingt, wohl die bekannteste Stimme Afrikas seit Miriam Makeba, und schon ist man mit „Zélié“ mitten drin im Blues. Von nun an konzentriert sich Fuqua auf seine Künstler, tritt selbst zurück und gibt ihnen Raum sich zu entfalten. Meist nur ein Song pro Interpret, sorgfältig aufgenommen, „aufgespürt“ von sieben Kameras unter der Leitung von Lisa Rinzler („Pollock“). Musik wird fühlbar. Blues ist Melancholie ohne Trauer, die Musikform, mit der man alle Gemütszustände bestens auszudrücken vermag. Dabei wird auch das Gefälle zwischen den Musikern offensichtlich. Wenn Mr. King sein „Lucille“ zum Besten gibt, dann hat die Mittdreißigerin Macy Gray mit ihrem gezappelten „Hound Dog“ wenig dagegen zu setzen, und auch das umjubelte Duo Steven Tyler/Joe Perry geht mit „I’m a King Bee“ gegen Natalie Coles „St. Louis Blues“ als zweiter Sieger vom Platz. Trotzdem: „Lightning in a Bottle“ ist ein rundum gelungenes Musikdokument, das in seinen besten Momenten an Scorseses „
The Last Waltz“ (1978) erinnert, ein wunderbarer Konzertmitschnitt, den man in voller Länge zu sehen wünscht - aber dazu muss man leider auf die sicher noch erscheinende DVD warten. geh.