Dies ist ein Musical. Das heißt: die Figuren fangen immer mal wieder an zu singen, um ihr Innerstes auszudrücken. Und das kann natürlich ein Weg sein, um den Zuschauer hineinzuziehen in den Film, in die Charaktere, die da zu sehen sind eben darum, weil sie auch zu hören sind, weil ihr Innerstes durch Melodie und Singen offengelegt wird.
Bei Liebeslied funktioniert das nicht. Die Geschichte ist zu banal, zu eingleisig vom Parkinsonkranken und seiner Familie. Und sie stößt auf Fragen: Kann es das geben: Entlassung wegen eines Arbeitsunfalles, einfach so, nach amerikanischer hire and fire-Art? Und man gleich zu Anfang der Erkrankung tatsächlich so stark zu zittern an, ist der Kontrollverlust über die Gliedmaßen so plötzlich, ohne Vorwarnung? Gibt es keine Medikamente, die helfen? Hat Roger, der Kranke, keine Berufsunfähigkeitsversicherung, trotz neu gekauften Hauses?
Hier reibt sich die behauptete Handlung mit der Wirklichkeit; und das wird auch nicht aufgewogen dadurch, dass der Film zugleich ein Phantasie-Stück mit Musik ist. Denn Regisseurin Anne Høegh Krohn wagt eine Gratwanderung: auf der einen Seite die musikalisch ausgedrückte Handlung des Innenlebens der Figuren, die durchaus auch mal surreal und absurd wird; auf der anderen Seite das reale Drama von Parkinson und dem Umgang damit, der für den Erkrankten wie für dessen Angehörige gehörig schwierig ist. Und so muss man halt die Real-Seite auch an der Realität messen.
Was die Musik-Innenleben-Seite angeht: hier gibt es ein paar schöne Ideen, wenn Roger das Ergebnis der ärztlichen Tests erfährt und in sein Gehirn hineinfällt etwa; doch andererseits bieten die Songs keine entscheidenden Zusatzinformationen, nichts, was man nicht schon von der Real-Handlung her wüsste: die Figuren sind auch emotional ein offenes Buch, die Musical-Seite hätte es also gar nicht gebraucht, um sie besser auszuleuchten. Vielmehr scheinen die Songs aufgepfropft zu sein, um ein ansonsten allzu dünnes Drama aufzupeppen.
Das sind alles Lieder nach Art des neuen Deutsch-Pops, mit Gitarrenakkorden, simpler Melodie, gefühlig-emotionalem Text; kein Wunder: der Deutsch-Pop wurde ja schließlich von der Band Selig in den 90ern geprägt, und hier singt und spielt nicht nur Selig-Sänger Jan Plewka, nein: er und Selig-Kollege und -Gitarrist Christian Neander haben sie auch komponiert und aufgenommen; so dass der Film quasi das Selig-Comeback vom März dieses Jahres multimedial begleiten kann.
Es passiert in der Filmhandlung nichts wirklich Dramatisches, alles ist vorhersehbar wie die Musikstücke; und wenn doch mal was geschieht, dann eher auf der Dramaebene einer Soap-Opera, wenn Roger mitten auf der Straße unerklärlicherweise erstarrt, seine Tochter nicht mehr auffangen kann und die mit dem Fahrrad in ein Auto reinbrettert. Dann später haut der Papa mit dem Auto ab, der Sohn sucht ihn sinnigerweise im Wald und singt dazu Lass mich nicht allein, ich brauche dich jetzt. Als wüssten wir das nicht.
Einmal macht eine Freundin von Dinah, der Ehefrau des Kranken, einen Witz: Beim Kaffeetrinken mit zitternden Händen und Tasseverschlappern geht das ja noch mit dem Parkinson, schlimmer wirds beim Wichsen. Naja. Genau umgekehrt wird ein Schuh draus. Aber das wissen die Damen vielleicht nicht.
Fazit: Krankheits-Drama, das mit ein paar Songs zum Musical aufgepeppt wurde.