Kabhi Alvida Naa Kehna ist ein Bollywood-Film wie er sein muss: Über drei Stunden lang, voller attraktiver Menschen ohne materielle Probleme, hübscher Kulisse (hier, westlich orientiert, New York und Neu England), mit viel großen Gefühl und allerhand Musik und Tanz. Doch etwas ist anders, und das liegt daran, dass Kabhi Alvida Naa Kehna wundersam energisch an etwas rüttelt, was eigentlich eine der Grundfesten des indischen Populär-Genres ist: dem Konzept der ewigen und eindeutigen Liebe.
Natürlich muss man hier andere Maßstäbe anlegen als die der Beziehungsdramen hiesiger Art. Bollywood ist und bleibt immer dem Naiven und seiner Oberfläche verhaftet. Auch in Karan Johars Film aus der erfolgreichen Hochglanz-Schmiede Dharma Productions ist die Musik immer ein wenig zu dick, und die Zeitlupe gehört dem Filmemacher ohnehin verboten. Doch vielleicht bewegt dieser Film deshalb, indem er mit überraschendem Ernst, Instinkt und Neugier dem Beziehungsreigen und vor allem -qualen nachspürt, die im hiesigen Kino wie vielleicht überhaupt in der westlichen Welt als viel zu selbstverständlich angesehen werden.
So wird der Film vor allem dann spannend, wenn er nicht ganz funktioniert. Über-Star Shah Rukh Khan, der in der östlichen Hemisphäre so eine umschwärmte Berühmtheit ist wie Tom Cruise, Brett Pitt und George Clooney zusammen, gibt routiniert den Charmeur oder Kasper, gerät aber an die Grenzen seiner Kunst, wenn er den verletzt-grantigen Ex-Kicker spielen muss, dem der Erfolg seiner Gattin zusetzt, der seinen verweichlichten Sohn drangsaliert oder der unter der Unmöglichkeit seiner Liebe zu Maya leidet. Auch der zweite Star, Rani Mukherji als Maya, einer Lehrerin, die keine Kinder bekommen kann und ihren Party-Ehemann nicht wirklich liebt, hat nicht wirklich das Zeug für die Zwiespältigkeit ihrer Figur, so wie wir es hier verstehen mögen.
Dafür trumpfen dann die Spieler der zweiten Reihe auf: Preity Zina als Devs Frau und Abhishek Bachchan überraschen, wenn es ans Eingemachte geht, im Ehestreit, der hier manches Mal einen realen Punkt trifft. Kabhi Alvida Naa Kehna versucht denn auch gar nicht, die Partner der unglücklich Liebenden zu denunzieren. Alle sind sie letztlich Opfer und auch den üblichen, simplen Ausweg, dass sich die 2x4 einfach neu ordnen und alles gut sei, versagt man sich hier.
Alles hätte man natürlich auch in der Hälfte, gar in einem Drittel der Zeit erzählen können, doch es klappt auch so, nach einigen Anlaufschwierigkeiten, ohne zu langweilen. Kabhi Alvida Naa Kehna, auch so ein kleines Wunder, braucht dafür keine Umschwünge, keine Naturkatastrophe oder politisch-soziale Nebenstränge. Rishis Vater Samarjit (Amitabh Bachchan, ebenfalls ein indischer Monster-Star) und Devs Mutter (auch ein bekanntes Gesicht: Kamljit Saran) dürfen eine Rolle spielen, Gleichwohl: die Liebes-Tragikkomödie genügt sich völlig selbst.
In einer Szene toben Rhea und Rishi in einer westlichen Disco herum (generell das schaurigste Ambiente für Bollywood-Showeinlagen), sind dabei so cool wie C.C. Catch-Songs der 1980er und der Milch-Yieper aus der TV-Werbung. Doch mit einem Sprung konterkariert Kabhi Alvida Naa Kehna diese heillose Ausgelassenheit selber: hin zu Dev und Maya, die zur selben Zeit, regendurchnässt und schuldbewußt-schmierig zwecks Ehebruch in ein Hotelzimmer einchecken.
So einfach und wirkungsvoll kann man das emotionale Elend fassen, und wenn es (nur noch) im Rahmen und unter den Regeln von Kitsch und Kolportage sein muss: Warum nicht?
Fazit: Tief unter der Maske des bekannten Bollywood-Films mit seinen üblichen Verdächtigen bietet Kabhi Alvida Naa Kehna eine für das Genre überraschend erwachsene und tiefreichende Thematisierung seines romantischen Grundmotivs.