Es geht um Sex-Tourismus. Sie kommen aus USA und Kanada, um im Urlaub eine nette, kleine Affäre zu haben, die sie ablenkt vom schweren Alltagsleben, die die Illusion von Freiheit und Liebe gibt. Die Touristen in Haiti Ende der 70er treffen auf williges, junges Fleisch, Geld, Geschenke, eine Essenseinladung reichen, um eine Nacht der Leidenschaft erleben zu können. Wie hier die Armen ausgebeutet werden, wie der Dollar die jungen Körper derer, die sich verkaufen, verdirbt: Das sehen sie nicht.
Regisseur Laurent Cantet wendet für seinen Film einen Kniff an, eine Verdrehung der Geschlechterrollen: die geilen Ausbeuter sind alte, reiche Frauen, die sich junge Männer, Lustknaben, kaufen, um sich im Urlaub zu amüsieren. Dabei heischt er in In den Süden um Verständnis für diese Frauen, die nach Haiti kommen in die Militärdiktatur und sich die Liebe erkaufen. Denn dramaturgsich nicht ungeschickt in Interviewszenen mit seinen Figuren blickt er auf beide Seiten: Auf die Frauen, die ihre Geilheit im Alter ausleben wollen, weil ihnen ihr Leben zuvor nicht genug geboten hat, und auf die Lustknaben, die zumindest einen temporären Ausweg aus der Armut sehen.
Cantet verdichtet seine Geschichte auf ein Dreieck: Ellen, Brenda und Legba, den beide als ihren Favoriten beanspruchen. Auch hier greift seine Doppelstrategie. Brenda hatte drei Jahre zuvor mit Legba, damals 15 Jahre alt, ihren ersten Orgasmus im Alter von 45 Jahren, und sieht nun, wie sich aus dem Knaben eine männliche Edelhure entwickelt hat; und Ellen weiß einerseits genau um die Wirkung ihrer Dollars, sieht aber über diese unmoralische Seite des Geschäfts großzügig hinweg. Sie ist der Platzhirsch in der Clique der geilen Damen, zieht über andere her und konfrontiert sie auch ganz direkt mit den Mechanismen der Prostitution, die sie hier anwenden um sich dann umso stärker um Legba und seinen schönen Körper zu bemühen.
Es ist eine zynische Schizophrenie, die der Film zeigt. Frauen, von Leidenschaft übermannt, die sie sich kaufen und dabei ganz bewusst ihre Illusion aufrechterhalten, dies sei Liebe. Frauen auch, die sich in einen latenten Rassismus begeben, den sie sich nie erlauben würden, wäre er ihnen bewusst. Was macht nur den Unterschied aus zwischen den Schwarzen hier und denen zuhause, in den Fabriken? Die Sonne, die Nähe zur Natur, oder vielleicht, dass sie immer halbnackt sind?
Neben dem Wunschbild des Paradieses zeigt Cantet auch die Realität jenseits der Beschönigungsversuche der Urlauberinnen, eine Realität, die Armut, Unterdrückung, gar Mord beinhaltet. Eine unübersichtliche Realität, die gerade dadurch wirkt, dass sie nur angerissen ist, dass nur ein kurzer Blick auf sie gestattet wird.
Die Schizophrenie der Frauen, die ihr eigenes Handeln beschönigen, überträgt der Film auf den Zuschauer, indem er für ihren Sextourismus Verständnis einfordert und ihn dann, nach dem Abspann, mit dem Gedanken allein lässt, dass der, der mit diesen Frauen empfindet, auch die Männer, die ihre Geilheit an Nutten auslassen, nicht verurteilen darf immerhin gesteht Brenda freimütig ihren Fick mit einem Minderjährigen. Der Regisseur freilich scheint anderer Meinung zu sein über seinen Film, den er scheinbar gar nicht ganz verstanden hat. Ich weiß, dass das Thema des Sextourismus immer wieder in Verbindung mit dem Film auftauchen wird, sagt er, ich würde es bevorzugen, wenn sie es Liebestourismus nennen würden.
Fazit: Ein Film über weiblichen Sextourismus auf Haiti; gegenüber der unmoralischen Seite von Prostitution und Sex mit Minderjährigen zeigt der Film aber erstaunlich wenig Vorbehalte.