Hochburg der Sünden: Dokumentation über die Arbeiten an dem Theaterstück "Medea", die für einige der beteiligten Frauen zum schmerzhaften Selbsterfahrungstrip werden.
Bühnenregisseur Volker Lösch inszeniert am Stuttgarter Staatstheater die Tragödie „Medea“. Mehrere Frauen türkischer Herkunft sollen darin als Chor auftreten. Beim Casting fällt besonders Hausfrau Aysel, eine gläubige Muslima, die in wohl behüteten hermetischen Verhältnissen lebt, auf. Als einzige Kopftuchträgerin der Gruppe kommt ihr eine zentrale Rolle zu, denn Regisseur Lösch hat vor, ihre Geschichten und Erlebnisse direkt in das Stück einzuarbeiten. Für Aysel wird die Arbeit an dem Stück zum schmerzhaften Selbsterfahrungskurs.
Darsteller und Crew
Regisseur
Thomas Lauterbach
Produzent
Arek Gielnik,
Sonia Otto
Darsteller
Aysel Kilic,
Annabella Akcal,
Hülya Özkaner,
Selda Vogelsang,
Volker Lösch,
Beate Seidel,
Suzan Ögünc,
Fatma Genç
Drehbuch
Thomas Lauterbach
Kamera
Gunther Merz
Ton
Thomas Lauterbach
Bilder
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Hochburg der Sünden Kritik
Hochburg der Sünden: Dokumentation über die Arbeiten an dem Theaterstück "Medea", die für einige der beteiligten Frauen zum schmerzhaften Selbsterfahrungstrip werden.
Muslima bringen ihre schmerzhafte Lebenserfahrung in ein provokatives Theaterstück von Volker Lösch ein: Thomas Lauterbachs Doku setzt sich brandheiß mit der Integrationsdebatte auseinander.
Am Stuttgarter Staatstheater läuft ein Casting für die Tragödie „Medea“. Der für seine provokanten Stücke berüchtigte Bühnenregisseur Volker Lösch sucht dafür Frauen türkischer Herkunft. 17 Laiendarsteller sollen später als Chor auftreten. Unter ihnen befindet sich Hausfrau Aysel, eine gläubige Muslima, die in wohl behüteten hermetischen Verhältnissen lebt. Als einzige Kopftuchträgerin der Gruppe kommt ihr eine zentrale Rolle beim Kampf mit der eigenen Kultur zu: Denn Volker Lösch, ein erfahrener Routinier mit fabelhaften Kreativideen, hat vor, ihre Geschichten und Erlebnisse direkt in das Stück einzuarbeiten. Damit kann man zwar von einer gewissen Ausbeutung der Frauen sprechen, andererseits ergeben sich dadurch seltene Einsichten in eine sonst verborgen Welt. Nun müssen sie also über sich reden, notieren, was ihnen an Unrecht widerfahren ist - und dabei nehmen sie kein Blatt vor den Mund. Gewalt, Unterdrückung, Unfreiheit - das sind Geschichten zum Weinen. Viele lassen kein gutes Haar an den Chauvi-Männern und dafür besteht auch jede Veranlassung.
Dadurch wandelt sich die Laienschauspielerschar zum Selbsterfahrungskurs, der erschütternd an ein Frauenhaus gemahnt. So fließt die deutsch-türkische Realität direkt in die Aufführung ein, was die Proben zu emotionalen Herausforderungen machen. Theater und Wirklichkeit fallen fast zusammen. Thomas Lauterbach fängt das alles ganz unmittelbar und doch mit Würde ein. Das zeigt sich an Aysel, die am stärksten mit sich ringt. Sie ist durch ihr traditionelles Rollenbild derart verblendet, kennt die traurigen Erfahrungen der anderen bestenfalls vom Hörensagen, dass sie sich überheblich an ihre scheinbar sicheren Gewissheiten klammert. Sie hat lange die Augen vor den Abgründen ihrer Kultur verschlossen und verkörpert paradigmatisch, warum man mit Menschen, die die Wahrheit für sich gepachtet haben, nicht reden kann. Nachdem sie sich mit den meist Jüngeren lange gerieben hat, wachsen endlich Zweifel in einer überfälligen Seelentherapie, angeregt durch ein beeindruckendes Theaterprojekt, das schwere innere Konflikte freilegt und brandaktuelle Themen aus Sicht Betroffener schildert. tk.