Hirngespinster: Coming-of-Age- und Familiendrama um den Sohn eines Schizophrenen zwischen Pflichtgefühl und Selbtsverwirklichung.
Tobias Moretti behindert als psychisch Kranker die Selbstverwirklichung seines pflichtbewussten Sohns.
Wie es sich mit einem schizophrenen Vater lebt, der partout keine Einsicht in seine Krankheit entwickeln will, aber dafür auf Nachbarn und die Polizei mit der Axt losgeht, vergegenwärtigt Christian Bachs selbstverfasster Erstling, der die Leidensgeschichte einer Familie erzählt. Besonders ein in körperlicher wie schauspielerischer Topform befindlicher Tobias Moretti („
Das finstere Tal„), dessen durchdringender Blick als Psychotiker durch Mark und Bein geht, sowie Nachwuchsschauspieler Jonas Nay („
Dear Courtney„) als sein zwischen Loyalität und Erwachsenwerden zerrissener Filmsohn Simon bringen die paradoxen Emotionen in dem konzentrierten, aber auch untertourigen Film auf den Punkt. Der Bayerische Filmpreis für Beider darstellerische Leistung ist redlich verdient.
Während die Mutter aus Liebe und Hilflosigkeit dazu schweigt und er die kleine Schwester vor tristen Wahrheiten zu beschützen versucht, vergisst Simon selbst zu leben. Anstatt auszuziehen, fährt der gut aussehende Einzelgänger den Schulbus und verzichtet darauf, sich von den beklemmenden Verhältnissen zu lösen, die ihn am Weiterkommen hindern. Sein verzögertes Coming of Age ist die Perspektive des Dramas, das die vielfältigen Folgen ausbreitet, wenn die Familie in ihrer Kleinstadt sozial ins Abseits gerät. Als Simon Verena trifft, eine junge Studentin im Wartesemester, würgen die paranoiden Anfälle seines Vaters die aufkeimende Liebe ab. Ferner hat Simon allen Grund zur Sorge, genetisch von der gleichen Krankheit gefährdet zu sein, die seinen Vater, einst ein Stararchitekt, so ruiniert. Simons Hin- und Hergerissensein, seine Wut auf andere, die ungerechten Vorwürfe des Vaters, der jede Hilfe rigoros verweigert, all das löst mehr Frust und Überforderung aus, als ein 23-Jähriger bewältigen kann.
Realistisch und ohne je ins Spekulative zu wechseln zeichnet Bach diese Rolle als Geisel eines Rücksichtslosen nach, der mit Folien Spionagesatelliten abwehren will, aber ebenso einer ist, mit dem Verbundenheit besteht. Auch daraus speist sich die berechtigte Hoffnung, dass man nicht für immer an jemand gefesselt ist, der sich und seine Nächsten gefährdet. tk.