Gier: TV-Zweiteiler von Dieter Wedel über die betrügerischen Machenschaften eines Hochstaplers (Teil 1: Mit Glanz und Gloria / Teil 2: Das Duell).
Allenfalls finstere Pessimisten können von sich behaupten, schon 2005 geahnt zu haben, dass die Welt wenige Jahre drauf von einer Wirtschaftskrise ungeahnten Ausmaßes erfasst werde. Dank eines fast schon unheimlich anmutenden Gespürs für Themen, die in der Luft liegen, präsentiert Dieter Wedel mit „Gier“ den Film zur Krise.
Nach seinem Kommentar zum Gesundheitssystem („Mein alter Freund Fritz“) und dem Trennungsdrama „Papa und Mama“ konzentriert sich der Autor und Regisseur auf einen Aspekt, der sich wie ein roter Faden durch sein filmisches Schaffen zieht. Ganz gleich, ob es um Hausbau, Politik, Scheidung oder um einen Kiezkönig ging: Schmiermittel der Geschichten war immer das Geld. Im Zentrum von „Gier“ steht der charismatische Finanzmakler Dieter Glanz, der Gläubiger um sich schart wie ein Sektenführer Anhänger: Sie erfüllen seine Forderungen selbst dann noch, als Dieters Glanz offenkundig nur noch schöner Schein und Midas längst als Scharlatan entlarvt ist.
Während der durchaus verwandte Gordon Gekko („Wall Street“) vor allem durch seine Diabolik faszinierte, ist Dieter Glanz ein durchaus sympathischer, lebensfreudiger Mensch, der sich schließlich sogar überzeugend als Opfer des grenzenlosen Vertrauens seiner Anhänger darstellt. Selbst wenn sich der Film der Form halber ausdrücklich von realen Vorbildern distanziert: Glanz ist unschwer als Jürgen Harksen zu erkennen. Wedel macht auch gar keinen Hehl daraus: Wie Harksen, so hat Glanz einst als Gerichtsvollziehergehilfe angefangen; wie jener, so gaukelt auch dieser seinen Kunden eine Rendite von 1300 Prozent vor.
Ulrich Tukur, schon Hauptdarsteller in „Mein alter Freund Fritz“, ist eine prächtige Besetzung für die Rolle des Hochstaplers: Leichtfüßig tänzelt Glanz durch die verhängnisvollen Entwicklungen, die er selbst verursacht hat, eher ein Getriebener als ein Schurke; in stillen Momenten erschrickt er sogar selbst über das, was er angerichtet hat. Seine Ideen sind mal genial, mal schlichte Taschenspielertricks; vor allem aber ist er ein begnadeter Bluffer. Um dieses Zentralgestirn gruppiert Wedel ein wie üblich verschwenderisch besetztes Ensemble (unter anderem Uwe Ochsenknecht, Kai Wiesinger, Katharina Wackernagel, Sibel Kekilli sowie Wedels Stammspieler Heinz Hoenig), aus dem Devid Striesow als Zauberlehrling herausragt: Andy Schroth erliegt zwar allen möglichen fleischlichen Genüssen, bewahrt sich aber aller Verblendung zum Trotz in dieser Welt des schönen Scheins eine gewisse Unschuld.
Während der erste Film mit Schauwerten und Szenenwechseln nur so protzt, inszeniert Wedel Teil zwei als rasenden Stillstand: Glanz ist nach Südafrika geflohen. Sein Gefolge folgt ihm wie ein Kometenschweif und vertreibt sich das Warten auf die versprochene unmittelbar bevorstehende Ausschüttung mit einer Dauerparty; ein Tanz auf dem Vulkan. tpg.