Der Kinofilm zeigt in erster Linie die Entwicklung eines Reporters, der zweimal den Adolf-Grimme-Preis erhielt und dazwischen auch mal drei Jahre lang keinen Auftrag. Die Szenen seiner ersten Reisen, zum Beispiel 1983 den 10. Längengrad entlang vom Allgäu bis zur Ostsee, sind kurz zusammengeschnitten. Man sieht Gernstl an einem schweigenden Bauern scheitern, oder wie ältere Frauen unvorteilhaft durch eine Turnhalle hüpfen. Auch seine Ausflüge in den Osten Deutschlands bleiben die eines Fremden, der im Off-Kommentar findet, hier sei die Zeit stehen geblieben.
Schön zu hören, dass Gernstl eine Familie gründete, der Kameramann auch, der Tonmann aber nicht. Und dass es sie alle immer wieder fortzog, um das Leben zu genießen, unter dem Vorwand, einen Fernsehauftrag zu haben. Die Lebenskünstler waren stets ihr Ziel, und die Frage, was das Glück ausmacht. Das Glück allerdings, so ist zumindest Gernstls ersten Reisejahren zu entnehmen, lag für ihn auch darin, schnell wieder weg zu können, sobald die spontan Gefilmten sich ein wenig gezeigt hatten.
Die Szenen aus späteren Jahren sind länger und aussagekräftiger. Vor allem die weisen alten Männer, wie der Tiroler Schreiner und der Südtiroler Künstler, warten mit Zufriedenheit auf. Die Alten wollen einen trinken und sich unterhalten. Am liebsten aber ohne Kamera, denn Prestige ist ihnen nicht mehr so wichtig wie Geselligkeit.
Gernstl repräsentiert für die Interviewten die große weite Welt. Sie zeigen ihm ihre Schätze, materielle wie ideelle. Ein Wünschelrutengänger, der das TV-Team körperlich untersucht, ahnt bei der Begegnung, zu was er es hätte bringen können: Helikopter, Sekretärin und Pilot. Je länger die Kamera auf solche Menschen draufhält, desto öfter ergeben sich magische Momente: Ja, der Wünschelrutengänger ist ein unerkanntes Genie! Und das Bankgespräch am Chiemsee mit einem Kranken geht nicht nur unter die Haut wegen der Tragik, die der Mann in dürren Sätzen offenbart. Er zeigt dabei eine Würde, die auch das Medium Fernsehen groß erscheinen lässt.
Wer es noch nicht wusste, sieht es hier: Es regnet viel in Deutschland, im Winter, im April, im November, und dazwischen auch. Die skurrilen Charaktere retten die Gesellschaft nicht vor der Tristesse. Gernstl begegnet ihnen mehr, als dass er sie porträtiert. Was nicht heißt, dass der Kinofilm Schrott ist: Die bruchstückhaften Gespräche, das Herumsuchen und Hinschauen machen Lust, wie Gernstl auf fremde Menschen zuzugehen. Im Anderen spiegelt sich viel von einem selbst, wie in diesem Kinofilm das Staunen des Reporters.
Fazit: Schnipsel aus 20 Jahren Reiseinterviews für das Fernsehen: Wie der Autor Franz X. Gernstl und sein Team lernten, Menschen zu begegnen und dabei zu staunen.