Gainsbourg - Der Mann, der die Frauen liebte: Aus dem wilden und leidenschaftlichen Leben einer französischen Ikone des 20. Jahrhunderts, vom Popstar, Poet und Provokateur Serge Gainsbourg, erzählt Comic-Autor Joann Sfar in einem fantastischen Filmmärchen.
Aus dem wilden und leidenschaftlichen Leben einer französischen Ikone des 20. Jahrhunderts, vom Popstar, Poet und Provokateur Serge Gainsbourg, erzählt Comic-Autor Joann Sfar.
„Je t’aime…moi non plus“, ein erotisch gehauchtes Gänsehaut-Chanson, ein offenes Plädoyer für Erotik, Ehebruch und puren Sex, war 1969 ein Skandal und eine Provokation vom Liebespaar Serge Gainsbourg und Jane Birkin. Das Leben des „enfant terrible“ und Allroundgenie Gainsbourg bringt Joann Sfar auf sehr ungewöhnliche Weise auf die Leinwand. Nicht als das übliche Biopic mit Rekonstruktion eines Lebens, sondern als fantastisches Märchen über einen Mann, der als Kind russisch-jüdischer Eltern sich den gelben Judenstern stolz an die Jacke heftet, auf einem antisemitischen Plakat eine Karikatur entdeckt, die Ähnlichkeit mit ihm hat und zum Leben erwacht, und als sein Alter Ego „Die Fresse“ nie mehr von seiner Seite weicht. Sfar, ein angesehener und ungemein produktiver Comic-Zeichner, begleitet Gainsbourg vom Jungen, der unter deutscher Besatzung und Angst vor Deportation aufwächst, zuhause unter den Argusaugen seines Vaters lustlos auf dem Klavier herumhämmert, Maler werden will und dann seine Werke verbrennt, zum Mann, der es vom kleinen Barpianisten zur Ikone des Chansons und genialen Künstler brachte, der in den Fünfzigerjahren das Bohème-Viertel Saint-Germain des Près unsicher machte, und zum Womanizer, der die Swinging Sixties in vollen Zügen genoss und die schönsten Frauen von Juliette Gréco über Brigitte Bardot bis hin zu Jane Birkin verzauberte und verführte, ihnen die wunderbarsten Songs auf den perfekten Body schrieb.
Die fragmentarische Zusammensetzung der Szenen ähnelt einem Puzzle, dessen Einzelteile sich sukzessive zu einem komplexen Ganzen zusammensetzen, ein abenteuerlicher Trip in seelische Grauzonen, in ein künstlerisches Nirwana und die Psyche eines Mannes, der sich zu Tode lebte. Animation und Realfilm verbinden sich zu einer erstaunlich stimmigen Filmmelodie. In der ersten Hälfte ist die Kombination fulminant geglückt, gegen Ende wirken manche Szenen anekdotisch, so der unheimlich starke Auftritt Gainsbourgs vor Veteranen bei der Reggae-Version der Marseilleise. Die Selbstzerstörung, die Alkoholsucht und die Ausfälle der letzten Jahre werden zurückhaltend, fast schamhaft inszeniert, vielleicht, um den Mythos nicht anzukratzen. Ein Glücksgriff ist die Besetzung: Eric Elmosnino mit Dreitagebart, den unvermeidlichen Gitanes und einem melancholischen Blick, der Frauen jeden Alters dahin schmelzen lässt. Die Damenriege (singt übrigens selbst) mit Laetitia Casta, die Brigitte Bardot zum Verwechseln ähnlich sieht, Anna Mouglalis als vor dunkler Sinnlichkeit sprühende Juliette Gréco und einer fragilen Lucy Gordon, deren Suizid 2009 schockierte, als liebende Jane Birkin. „Gainsbourg“ ist Bauch- und Überlebenskino über eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Nach dem Kino möchte man eine Gitane anzünden, einen Vin Rouge genießen und bei „La Javanaise“ auf Zeitreise gehen - ohne Nostalgie, aber mit wehmütiger Lust. mk.