Falling into Paradise der Titel strotzt vor Ironie. Zwar fällt da tatsächlich einer vom Himmel, an einem Air Force-Fallschirm, aber da, wo er landet, ist nicht das Paradies. Sein Aufklärungsflugzeug wird über dem kriegsgebeutelten Belgrad abgeschossen, wo sonst hauptsächlich NATO-Bomben vom Himmel fallen, nicht die Piloten der Bomber. Der Kriegsschauplatz, den die Flugzeugbesatzungen nur aus einigen Kilometern Entfernung kennen, übersichtlich und in Zielkoordinaten unterteilt, entpuppt sich aus der Nähe betrachtet als chaotisches, labyrinthisches Szenario. Hier kämpft jeder gegen jeden und um den eigenen Vorteil. Für die einen ist die NATO der Feind, für die anderen der serbische Diktator, und manchmal richtet sich der Kampf ums Überleben ganz direkt gegen den Nachbarn oder den eigenen Bruder.
Regisseur und Drehbuchautor Milos Radovic stellt in Falling into Paradise sehr deutlich und auf äußerst amüsante Art die Absurdität des Krieges dar, der in einer Zeit der intelligenten Waffen und des embedded journalism immer wieder als erklärbar, planbar und vor allem begründbar dargestellt wird, der legitimiert wird, indem die Kriegsparteien ein definitives Feindbild aufbauen, gegen das die eigene Bevölkerung eingeschworen wird. In dieser Konzeption von Krieg hat eine Familie keinen Platz, in der der Bruder die NATO und vor allem die Amerikaner als das absolute Böse ansieht, während die Schwester sehnsüchtig vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten träumt. Denn das große, schwarz-weiß gezeichnete Bild zerfällt, wenn selbst im Mikrokosmos der Familie und der Nachbarschaft Ansichten zum Krieg in diversen Graustufen deutlich werden.
Mit Dusha, Lubi und Jonathan treffen drei tiefverwurzelte, klischeehafte Vorstellungen aufeinander: Dusha idealisiert den American Way of Life und schmückt ihr Zimmer mit den Ikonen Amerikas, ihr Bruder dagegen kennt die Amerikaner nur als Aggressoren. Für den NATO-Soldaten sind Serbien und die Serben die Verkörperung des unzivilisierten Bösen. Während die vermeintlichen Kriegsgegner sich näher kennen lernen, relativiert sich auch das stereotype Bild, das sie voneinander haben. Jonathan erkennt in dem Feind und hinter dem Widerstand die Menschen als Individuen und als Opfers seines Auftrags. Und Lubi findet hinter der Fratze vom imperialistischen Aggressor einen Freund.
Nicht mehr als Gegner, sondern als Verbündete wagen Lubi, Dusha, ihre zehnjährige Tochter Daca und Jonathan die Flucht aus der zerbombten Stadt, wobei ihr waghalsiger Plan sie von einer absurden Situation in die nächste stolpern lässt. Belgrad ist ein Tollhaus, wahnsinnig vom Krieg. Die Straßen werden von bis an die Zähne bewaffneten Paramilitärs in Bomberjacken kontrolliert, eine Taxifahrt kostet 80 Dollar, und weil die amerikanische Botschaft verlassen ist, bleibt Jonathan zunächst nur die Wahl zwischen dem russischen und dem irakischen Repräsentanten in der Stadt.
Wie war das gleich noch mal mit den Freunden und den Feinden?
Darauf will Falling into Paradise keine eindeutige Antwort geben, und schon gar keine einsilbige. Milos Radovic spielt meisterhaft mit den Stereotypen, die in vielen Filmen als einfache Erklärungsmodelle angeboten werden. Bei Radovic flüchtet ein Amerikaner eben in die russische Botschaft, weil alle amerikanischen Institutionen aus Belgrad verschwunden sind, während seine serbische Verehrerin ihn in der feuerroten Corvette ihres Bruders sucht. Während sie in jedem Amerikaner einen heroischen Robert Redford sieht, hält jener Bruder, der gerne Fernseher kaputt schießt, wenn ihm die Nachrichten nicht gefallen, die USA schlichtweg für den Feind und die Mutter der beiden ist davon überzeugt, dass es sich bei den Angreifern nur um die Deutschen handeln kann.
So entwickeln sich aus den skurrilen Figuren und dem bizarren Schauplatz immer wieder wunderbar absurde Situationen. Falling into Paradise changiert zwischen einer schwarzen Komödie, Slapstick - immer dann, wenn die hektische Musik aus Bläsersatz und Balkanrhythmen einsetzt -, einer Liebesromanze und einem durchaus ernsthaften Kommentar zum Krieg nicht nur im ehemaligen Jugoslawien.
Fazit: Falling into Paradise ist eine turbulente, schwarze Komödie und darüber hinaus ein wahrer Anti-Kriegsfilm, der in zahlreichen skurrilen Details die Absurdität des Krieges vor Augen führt.